Nur noch einer... Dachte ich aber dann wurden es doch wieder fünf weitere. Ich spürte keinen Schmerz mehr, schon lange nicht mehr. Meine Arme waren taub geworden, da die Haut an innen- und Außenseite nur noch aus Narbengewebe bestand. Das einzige was mich darauf schließen ließ das es eigentlich sehr weh tun müsste, waren die Mengen an Blut die durch die wieder viel zu tief gewordenen Schnitte meinen Körper verließen. Während ich im Badezimmerschrank nach den Verbänden suchte fragte ich mich wie lange es dauern würde bis ich zu tief schneiden würde und meinem Leben ein Ende machen würde. Eine Träne rollte über meine Wange. Ich war nicht traurig, schon lange hatten mich jegliche Gefühle verlassen, ich weinte nur weil es mein Kopf für normal erachtete, nicht weil es mir schlecht ging. Das tat es auch nicht, Nein, ich war glücklich und zufrieden so wie es jetzt war. Schon lange hatte ich keinen Grund mehr mich zu ritzen, aber dennoch tat ich es immer wieder aus Langeweile und aus dem einfachen Grund, das ich nicht aufhören wollte. Es war ja wie Kunst, der Pinsel ist spitz, die Leinwand ist meine Haut und die Farbe ist mein Blut. Das dachte ich mir in so manchen schlaflosen Nächten; es klang schön, beinahe poetisch. Nachdem ich noch kurz Desindektionsspray aufgetragen hatte und das Blut weggewischt hatte, wickelte ich meinen kompletten linken Unterarm in den Verband, wobei ich doch kurz den ein oder anderen Schmerz spürte, als ich an einen Schnitt kam. Mit den Händen am von meinem Blut rot gefärbten Waschbecken abstützend schloss ich die Augen und ließ das Gefühl des aus mir herausquillenden Blutes mich überwältigen und mich wie in Trance ein wenig schwanken.
Gedämpft drang ein leises klopfen in meine Gedanken und ließ mich zusammenfahren. Beinahe panisch zog ich mir meinen lockeren Pyjama wieder über und verdeckte mit dessen langen Ärmeln schnell den Verband, der sich an manchen Stellen schon ein wenig rot färbte. Mit einem schnellen Blick in dem Spiegel und auf den Waschtisch fiel mir noch das komplett blutige Waschbecken ein, welches ich schnell versuchte sauber zu machen. Es fiel mir schwer da immer wieder das klopfen an der Tür ertönte und nun auch eine Stimme zu hören war:
"Kleiner? Ist alles okay?" Ich war zu unkonzentriert um die Stimme zuordnen zu können und als ich endlich die letzten Spuren von Blut mit meinen bereits zitternden Händen beseitigt hatte sprintete ich zur Tür, schloss auf und setzte ein gefaketes müdes und ruhiges Gesicht auf.
"Sorry Hoseok... Ich geh wieder ins Bett" Um noch glaubwürdiger zu wirken gähnte ich und schlich dann zurück in mein Bett. Den verwirrten Hoseok ließ ich vor dem Badezimmer einfach stehen und legte mich dann mit meinen üblichen Gedanken zurück in die weichen Kissen. Ich schloss die Augen und legte meinen Arm so auf meinen Bauch das er möglichst geschont wurde. Morgen würde ich die tiefen Schnitte bereuen. Am nächsten Tag, auch am übernächsten und, ja, auch in einer Woche würde ich Schmerzen haben und den Arm schonen müssen. Doch es war mir herzlich egal. Die Schmerzen lenkten mich ab und auch wenn es absurd klang entspannten sie mich jedes mal wenn eine weitere Schmerzenswelle meinen Körper von meinem arm aus überrollte. Diese Schmerzen waren nun mal das einzige, was mir bewies das ich noch am Leben war. Mein Puls, der von der Aktion eben noch auf 180 war begann sich zu beruhigen und von der Anstrengung und der Erschöpfung fielen nun auch langsam meine Augen zu...Anfangs war mein Schlaf ruhig und tief und ich war komplett entspannt. Doch mit der Zeit begannen sich üble Kreaturen in meine Träume zu schleichen und mich nacht für Nacht zu terrorisieren. Ob als bloßer Albtraum oder als eine schreckliche Schlafparalyse, ich hatte das schreien nach Hilfe aufgegeben. Es kamen so wie so immer nur meine Freunde, die sich sorgen machten und mich tagelang ebenso besorgt ansahen und mich keinen Moment aus den Augen ließen. Also bemühte ich mich, meine Schreie nach einem Ausweg zu erdrücken und lag so mehr als ein mal still weinend im Bett und wünschte mir nichts sehnlicher als all diese Gefühle und Erlebnisse einmal, auch wenn es nur für ein paar Stunden war zu vergessen. Selten verging eine Nacht in der ich nicht durch Albträume, Paralysen oder das einfache verlangen mich zu ritzen aufwachte und so war ich froh das es Wochenende war und ich morgen ausschlafen könnte. Warum es mir so ging? Ich wusste es schon lange nicht mehr. Alles schien mich zu erdrücken und manchmal, heimlich wenn ich alleine war, zählte ich im Kopf alle Hochhäuser in der Gegend mit frei zugänglichem Dach, die hoch genug waren um einen Sturz nicht zu überleben. Danach allerdings erschrak ich vor meinen eigenen Gedanken. Ich könnte das meinen Freunden nie antun. Allein der Gedanke daran, welchen Schmerz sie fühlen würden, wie gebrochen sie wären wenn sie den Anruf von der Polizei bekämen, und trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei wie ich daran denke. Würden sie mich denn überhaupt vermissen? Würden sie sich um mich sorgen wenn sie wüssten was ich Nacht für Nacht für Qualen leide? Eine Seite von mir sagt mir das sie das tun würden, das sie sich für einiges verantwortlich machen würden, doch die anderen Seite in mir, sagte, es wäre allen egal. Ich wäre nur eine unnötige Last und jeder von ihnen wäre froh wenn sie mich endlich loswären.
Ich kniff meine von den wenigen Tränen brennenden Augen zusammen, als ich abermals in dieser Nacht wach wurde und bereits die Sonnenstrahlen durch die Rollläden fallen sah. Da es mitten im Sommer war, schätzte ich das wir ungefähr fünf Uhr haben mussten, was sich mit einem Blick auf die Uhr bestätigte. Mit dem leichten schnarchen meines Bruders, der im Bett über mir schlief in den Ohren schlief ich mit der Hoffnung auf einen ruhigen Schlaf für einige weitere Stunden ein...
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ChangKi
RomanceNur noch einer... Dachte ich aber dann wurden es doch wieder fünf weitere. Ich spürte keinen Schmerz mehr, schon lange nicht mehr. Meine Arme waren taub geworden, da die Haut an innen- und Außenseite nur noch aus Narbengewebe bestand. Das einzige wa...