14//Derby

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40. Christians Sicht

Am nächsten Nachmittag war dieses unglaubliche wichtige Spiel. Schalke gegen den BVB. Das Derby; die Fans hassten sich, die Stimmung war einmalig und ich wollte nur eins Fußball spielen bis die Lunge brannte. Ich hatte den Kopfhörer auf und lauschte der Musik. Der Beat gab meinen Herzschlag vor und auch die anderen Spieler hatten sich zurück gezogen, ehe wir uns auf den Weg nach Gelsenkirchen machten. Wir wollten gerade in den Bus einsteigen, als ich Luna erblickte. Sie lief neben Herrn Schwarz von der Polizei und unterhielt sich mit ihm. Er begleitete uns öfters zu den Spielen, auch im Stadion war er öfters anzufinden und man kannte sich eben. Die junge Frau war in Zivilkleidung, doch die stichsichere Weste und der Waffengürtel verliehen ihr gewisse Autorität in ihrer Körperhaltung. Sie hatte sich einen strengen Zopf gebunden und ich bewunderte ihre schlanken Beine und die dicken Boots. Es war auf jeden Fall eine andere Luna, wie die Nachbarin die Vorgestern noch auf meiner Couch gesessen hatte. Ich wusste nicht warum, aber sie schaute sich um und unsere Blicke streiften sich. Wie bei zwei Magneten wurden unsere Blicke voneinander angezogen. Wir schauten uns durch die Menschenmenge an und ich merkte, wie ich automatisch nervös wurde. Mein Herz schlug schneller, meine Hände schwitzten und ich versuchte alles dieses Gefühl irgendwie beiseite zu schieben. Über ihre Lippen huschte ein kurzes Lächeln und sie zupfte sich kurz an ihrem langen braunen Zopf herum, als würde sie prüfen wie sie aussah. Ich schaute verlegen aus dem Fenster, um mich zu beruhigen und meine Nervosität in den Griff zu kriegen. Im Moment dachte ich ständig an sie. Heute morgen hatte sie mir noch ein Foto geschickt vom Sonnenaufgang über der Polizeiwache. Warum schaffte Luna es mich so aus der Bahn zu werfen? Ich hatte bei ihr das Gefühl, dass sie das Ehrlichste in meinem direkten Umkreis war. Sie war geerdet und auf dem Boden der Tatsachen zuhause. Sie hatte Ziele und Disziplin. Einen Tag mit ihr - nur auf der Couch - schien mir fast undenkbar. Doch all diese guten Gedanken, wurden überschattet, denn schon wieder dachte ich daran, wie Jacob sie unentwegt belog. Denn an der Situation mit Julie hatte sich meines Wissens nichts geändert und das hatte Luna nicht verdient. Ich wollte sie einfach nicht weiter anlügen, aber Jacob war mir immer noch verdammt wichtig. Als ich aufschaute versperrte mir der große Däne mir meine Aussicht. Roman der neben mir saß, stieß mich an und ich nahm die Kopfhörer ab. „Wie habt ihr das denn hingekriegt?" Lächelte er und deutete mit dem Daumen auf die junge Frau. „Nun ein dummer Kommentar bei Sascha!" Grinste ich etwas peinlich berührt. Lucien reichte Luna die Hand. „Ein bisschen Ruhe!" Sagte er und im Bus wurde es automatisch ruhig. „Wir haben ein neues Mitglied zu begrüßen: Frau Fox ist angehende Kommissarin und ersetzt in den nächsten Spielen Herrn Majus!" Wir applaudierten kurz, dies taten wir immer so, wenn wir jemand neues im Team hatten oder jemanden verabschiedeten. Das Luna quasi schon zu unserem Freundeskreis gehörte, verschwiegen wir alle. Denn wir alle waren gut drauf und konnten das Spiel gegen Schalke kaum abwarten. Die paar Kilometer nach Gelsenkirchen dauerten nicht lange, doch vor dem Stadion wurden wir bereits hitzig in Empfang genommen. Die Schalkerfans warfen mit Dosen auf unseren Mannschafts-Bus. Es schepperte ganz schön, so das ich einfach die Musik lauter machte. Ich versuchte immer noch abzuschalten, meinen Puls in den Griff zu kriegen, denn vorm Derby war ich immer besonders aufgeregt. Doch jedes Mal wenn etwas gegen den Bus knallte, zuckte man automatisch zusammen. Wieder hatte ich die Bomben des Anschlages im Ohr, die Schreie und diesen Knall und dann noch einen. Roman stupste mich an. „Alles okay?" Fragte er mich. Ich nickte und auch wenn ich es versuchte zu ignorieren, die Bilder vom Anschlag waren in solchen Moment allgegenwärtig. Roman hatte damals neben Marc Bartra gesessen und litt immer noch unter den Gegebenheiten. Wir beide litten immer noch unter diesem Gefühl, Marc hatte sogar Dortmund verlassen um nicht mehr darüber nachzudenken. Das Dosen gegen den Bus flogen, war mir nicht ganz geheuer, doch es steigerte nur die Lust, den Königsblauen den Hintern zu versohlen. Jacob drehte sich um. „Na das ist mal ein Einstand für Luna, oder?" Fragte er mich. „Ich bereue es, dass wir sie damit reinziehen!" Sagte ich klipp und klar zu ihm. „Ach quatsch, die mag so was!" Lächelte der Däne. Jacob hatte immer noch diese Leichtigkeit, die mir in letzter Zeit fehlte. Als wir unmittelbar am Stadion rausfuhren, war das Pfeifkonzert Ohrenbetäubend. Luna stieg als erstes aus, die halbe Mannschaft sah ihr hinterher. Ehe wir ruhig und kontrolliert aussteigen konnten. Wir liefen durch die Katakomben, begleitet von einigen Ordnern hinein in die Garderoben, dabei lief ich an Luna vorbei und unsere Blicken streiften sich erneut. Über ihr ernstes Gesicht huschte ein kurzes Lächeln, dass scheinbar nur ich bemerkte. Meine Hände fingen an zu schwitzen und ich sah geschmeichelt zu Boden. Sie schaffte es mich verlegen zu machen und ich schenkte ihr ein kurzes Lächeln. Wir schauten uns tief in die Augen und ich zwinkerte ihr schließlich aufmunternd zu. In der Garderobe erwartete uns das übliche Procedere. Unser Trainer impfte uns die Taktik ein und unsere Physios kümmerten sich um unsere Blessuren. Langsam rutschte ich in meinen Tunnel. Es waren immer die gleichen Abläufe, die gleichen Gedanken, die gleiche Motivation. In letzter Zeit gelang es mir, dass ich mich nicht mehr so schnell ablenken ließ. Ich war ganz bei mir, fokussiert und das gab mir Sicherheit. Als wir das Stadion und den Rasen betraten, hatte ich gleich Lust auf ein gutes Fußballspiel. Zusammen mit Jadon machte ich mich warm, als ich bemerkte dass ich die falschen Schuhe anhatte. Ich rutschte über den feuchten Boden und wollte mir neue holen gehen. Doch Herr Schwarz von der Polizei war gar nicht angetan mich alleine in die Katakomben zu schicken. Also orderte er Luna, mich zu begleiten. Ich zog im Flur meine Fußballschuhe aus und lief in meinen dicken Socken neben der jungen Frau her. Als ich mich unbeobachtet fühlte lächelte ich sie herzlich an. „Alles klar bei dir?" Fragte ich sie. „Man, ziemlich anstrengend heute!" Gab sie zu und lief schnellen Schrittes neben mir her. „Tut mir leid, dass wir das zu muten..." Sagte ich leise zu ihr. Sie lächelte mich über die Schulter hinweg an. „Sag bloß, du bist Schuld dran das ich hier bin?" Sagte sie mit einem breiten Grinsen, als wüsste sie das schon längst. „Nun wir haben es einfach nur so gesagt, wir wussten nicht, dass sie dich gleich einfordern." Gab ich kleinlaut zu. „Auch wenn es nicht so aussieht, ich habe Spaß!" Lächelte sie mich freundlich an und legte mir kurz ihre Hand auf meinen Oberarm. Ich sah zu ihr hinab und war erneut verloren. Mein Herz schlug bis zum Hals und mir war alles andere in diesem einem Augenblick egal. Meine Hände schwitzten schon wieder und in diesem Moment konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. „Spielst du heute?" Fragte sie mich. „Sieht so aus." Lächelte ich sie an und kratzte mich verlegen am Kopf. Ich fühlte mich ertappt und vor lauter Anspannung biss ich mir auf die Unterlippe. Luna starrte mich mit großen grünen Augen an und einen Moment hatte ich den Drang sie zu küssen. Worüber dachte ich hier nur nach?

Neighbours  // Christian Pulisic & Jacob Bruun LarsenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt