Kapitel 17

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"Solltest du nicht bereits schlafen..?" Amüsiert über das Bild, das ihm gerade geboten wurde, blickte J-Hope zur Wendeltreppe. Am Fuße dieser stand eine schmollende Casey, eingepackt in ihrer Kuscheldecke. Sie schien da schon eine Zeit lang zu stehen und ihn zu beobachten. "Das könnte ich dich genauso fragen", konterte das Mädchen und entlockte dem Jungen ein leichtes Lachen.

Sanft tapste sie zum großen schwarzen Ledersofa und ließ sich neben dem tätowierten Jugen auf das Sofa fallen. Ihre Beine zog sie auf das Sofa, sodass sie im Schneidersitz neben ihm saß. Sie hatte ihn tatsächlich schon eine Zeit lang beobachtet und konnte wieder einmal diesen leeren Blick in seinen Augen erkennen. Ihre Augen glitten über die Tattoos an seinem Hals und sie konnte erkennen, wie schön und detailliert doch die Sonnenblume an seinem Hals war.

Vorsichtig strich sie mit dem Finger über die schwarze Farbe an seinem Hals. Seit sie die Jungen kannte faszinierte sie die Körperkunst, die sie auf ihrer Haut trugen. Es schien, als würden die Tattoos, die ihre Haut schmückten eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die nur sie kannten und niemand anderes. "Diese Sonnenblume ist wirklich wunderschön"

"Kennst du denn die Bedeutung der Sonnenblume?" Nachdenklich blickte sie J-Hope an und schüttelte etwas den Kopf. Dieser hatte seinen Kopf zur gegenüberliegenden Wand gedreht und musterte diese etwas "Bei der Sonnenblume entsteht der Eindruck, als würde sie den ganzen Tag lang lächeln. Findest du nicht? Als wäre sie die pure Fröhlichkeit, Spaß und menschliche Wärme." "Ja, da hast du wohl recht" J-Hope nickte etwas, ehe er seine Stimme wieder fand. "Meine Mutter war so ein Mensch. Zumindest dachte ich das als Kind. Vielleicht war es eine Illusion, ein Trugbild meiner Fantasie. Doch ich sah meine Mutter immer als fröhlichen, spaßigen und warmen Menschen." Leicht lachte er auf, als schien er sich an etwas zu erinnern. "Einmal hatte sie mir einen rießigen Lollipop gekauft, nur damit ich wieder lächelte und nicht mehr traurig war, weil mein Lieblingsauto verschwunden war. Sie war immer ein Herzensguter Mensch und bis heute verstehe ich nicht, wie alles so enden musste"

"An meinem 9. Geburtstag ging sie zusammen mit mir auf den Jahrmarkt, welcher gerade in Seoul statt fand. Ich hatte mich bereits den ganzen Tag darauf gefreut und konnte es kaum erwarten mit ihr dort hinzugehen. Die anderen Kinder aus meiner Klasse hatten mir immer wieder erzählt, wie schön und spaßig es doch dort war. Ich konnte nur nie hingehen, da wir nicht viel Geld hatten. Du musst wissen, meine Mutter war fast noch ein Teenager als sie mich bekam und zog mich alleine auf. Meinen Vater hatte ich nie kennengelernt, er hatte sie sitzen lassen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger sei. Deshalb war das für mich ein ganz besonderer Tag. Endlich dürfte ich einmal den Jahrmarkt besuchen. Vor dem Karussel blieben wir stehen. Sie meinte, wenn ich die Augen schließen würde und bis auf 100 zählen würde, dann bekäme ich mein Geschenk. Also hob ich mir mit den Händen die Augen zu und zählte brav auf 100, so wie sie es mir gesagt hatte. Als ich meine Augen wieder öffnete war meine Mutter verschwunden. Zunächst dachte ich, dass ich vielleicht zu schnell gezählt hatte, weshalb ich mich auf die Bank in der Nähe setzte und auf sie wartete. Doch sie kam nicht. Also beschloss ich nach stundenlangem Warten Nachhause zugehen. Vielleicht hatte sie mich aus den Augen verloren und war nachhause gegangen, da sie wusste, dass ich alleine Nachhause finden würde. Zu der Zeit besaß ich noch keinen Haustürschlüssel, weswegen ich einige Male klingelte, doch sie öffnete nicht. Die ganze Nacht saß ich im Regen auf der Treppenstufe und wartete vergeblich auf meine Mutter. Doch sie tauchte nicht auf. Irgendwann schien ich zu realisieren, dass sie nicht mehr zurückkommen würde. Also fing ich an in Supermärkten und Kiosken zuklauen, um etwas Essen aufzugabeln. In die Schule ging ich zur der Zeit auch nicht mehr. Irgendwann erwischte mich ein älterer Mann mit ziemlich vielen Tattoos auf den Armen. Er hatte mich wohl schon seit einigen Wochen beobachtet und wollte wissen wieso ich das alles tat. Also erzählte ich ihm mit meinen neun Jahren, dass meine Mutter verschwunden war und ich nun etwas zu essen brauchte, da ich weder Geld besaß, noch ein Dach über dem Kopf hatte. Er nahm mich mit zu sich und seinen Freunden. Zu meiner Überraschung lebte bei ihnen ebenfalls ein kleiner Junge. Wir waren im selben Alter und freundeten uns schnell an."

Für einen Moment blieb J-Hope still, ehe er das stumme Mädchen neben sich anblickte. "Seit dem sind RM und ich befreundet"

Casey wusste nicht was sie sagen soll. Niemals hätte sie gedacht, dass sich hinter so einer schönen Sonnenblume, eine so traurige Geschichte verbergen konnte. Nun verstand sie was er nachts immer auf dem Sofa tat. Er wartete insgeheim immer noch auf seine Mutter, so wie er es als kleiner Junge getan hatte. Sanft schmiegte sich das Mädchen an den Jungen und legte ihren Kopf auf seiner Schulter ab. "Das tut mir alles so leid J-Hope..." Die Mundwinkel des Jungen zogen sich etwas nach oben und er schüttelte den Kopf. "Ach was, dafür kannst du ja nichts. Manchmal ist es für mich nur schwer zu verstehen, wie du deine Mutter nicht vermissen kannst, ich vermisse sie bis heute"

Sanfte küsste sie seine Wange und zog ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln. "Das ist nunmal ein Unterschied zwischen dir und deiner Mutter und mir und meiner" Nickend blickte J-Hope zu dem Mädchen und ließ den Blick über ihre perfekte Haut schweifen.

Langsam löste sich das Mädchen von den Jungen, stand etwas auf und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Ihre Hände vergruben sich in seinen Haaren und liebevoll blickte sie ihn an, ehe sie ihm gegen die Lippen hauchte:

"Du brauchst etwas Ablenkung..."

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