Mein Gedankenchaos

der kleine Zettel mit Bleistiftschrift

Eine Geschichte über die schmerzliche Erfahrung des immer weiter Erwachsenwerdens

Zuhause, 09.01.19

Ich liege krank im Wohnzimmer, mit Decken zugedeckt, einer Wärmflasche auf und einer Teekanne neben mir.

Meine Mama kommt und zeigt mir einen alten Zettel, auf dem ich mal ein Spiel für einer Hochzeit einwickelt hatte, vor etwa sieben Jahren. Ich lese mir die kleine Bleistiftschrift durch und lächle darüber wie ich ordentlich und ganz genau jedes Detail, jede Wiederholung und Veränderung aufgeschrieben hatte und als das Blatt zu Ende war unten noch ein weiteres mit Klebeband befestigt hatte und dann noch eins, anstatt die Rückseite zu beschreiben.

Ich gebe ihr den Zettel zurück und sie verstaut ihn wieder irgendwo. Wahrscheinlich dort, wo sie ihn wiedergefunden hatte, und sagt noch,

er verblasse jetzt langsam

und das ist der Punkt an dem ich plötzlich wehmütig werde. Ich wusste bis vor ein paar Minuten nicht einmal von der Existenz dieser Erinnerung, aber jetzt hängt nun mal mein Herz daran und ich will sie nicht verlieren. Das war ein Stück meiner Kindheit, meiner tollen, glücklich Kindheit, und obwohl ich diesen Zettel nicht brauche, kann ich es nicht ertragen, wenn er irgendwann vielleicht nicht mehr ist. Nur ein Stück vergänglichen Papiers, meine Güte, aber ich könnte heulen, wenn er jetzt bald nicht mehr lesbar ist, all die Mühe, die Stunden der Arbeit... die Erinnerung. Ich habe mich noch nicht von meiner Kindheit verabschiedet, ich will sie noch nicht loslassen und vor allem nicht vergessen. Dieses kleine Mädchen, das vermutlich stundenlang an diesem Plan geschrieben hat, das war mal ich. Und es kommt mir schrecklich vor, sie einfach zu vergessen... sie gehen zu lassen.

Aber dies könnte trotzdem das letzte Mal sein, dass ich diesen Zettel in meiner Hand hielt und jetzt wünsche ich mir, ich hätte ihn nicht wieder losgelassen.