Normal sein heißt der Norm entsprechend oder meistens einfach: das tun, was alle tun, das haben was alle haben und so sein wie alle sind. Unser Gespür für Normalität setzt bei Vertrautheit ein, das, was wir kennen gilt als normal und alles andere erst einmal als fremd. Niemand will normal sein, aber alle doch dazugehören. Denn jeder möchte irgendwie den Erwartungen entsprechen und gleichzeitig nicht langweilig werden.
Aber was ist wirklich normal? Der Normalenvektor verläuft senkrecht zur Ebene, genauso wie ich zur Erde, in einem Winkel von 90 Grad, das ist für ihn normal.
Aber für mich ist nichts mehr normal seit ich die Welt gesehen habe.
Ich dachte immer, es sei normal zur Schule zu gehen, eine Familie zu haben, ein Dach über dem Kopf, eine Oma, die drei Stunden Autofahrt entfernt wohnt, aber abends Gutenachtgeschichten erfindet bis sie selbst einschläft, ich dachte immer, es sei normal gute Noten in der Schule zu schreiben, Bücher zu lesen und Freunde zu haben.
Aber ich dachte auch das Leben wäre einfach, Eltern könnten nicht weinen und Träume nicht zerplatzen.
Ich denke immer, es sei nicht normal traurig zu sein, wenn es regnet, wenig zu sprechen und viel zu denken, vor Veränderungen Angst zu haben, Selbstansprüche beiseite zu legen und Texte zu schreiben. Aber das mit den Texten, das war irgendwie noch nie normal. Ich denke immer, es sei nicht normal sich ständig zu verlaufen, vor jedem kleinen Test aufgeregt zu sein, unmusikalisch, so grundlegend unsicher und sowieso total verklemmt.
Ich denke immer, es sei nicht normal zu sein wie ich bin. Aber was ist schon normal? Ist es normal der Durchschnitt aller Werte zu sein oder das moralische Vorbild einer Gesellschaft? Ist normal, was wir uns wünschen zu sein oder schon längst sind und wer bestimmt ab wann ich dem nicht mehr entspreche?
Wäre ich der neue Maßstab aller Dinge, wären alle anderen plötzlich anders und ich, ich wäre ganz normal. Normale Frisur, normale Klamotten, normales Lächeln, normale Figur, normales Mädchen, normaler Charakter, normaler Lebensweg, normaler Tod, normaler Schmerz, normale Gefühle, normale Erfolge, normale Niederlagen, normales Verhalten, normale Wünsche, Hoffnungen, Träume, normale Leistung, normale Freunde, normale Hochzeit, normale Kinder, normales Bett, in dem ich schlafe, normales Brot, das ich mir morgens mache, normales Foto von dem Baum vor meinem Haus in der Kamera, normal, normal, normal, normal.
Normale Psyche, die mir sagt, das etwas mit mir nicht stimmt - und plötzlich das Anderssein normal macht.
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Mein Gedankenchaos
PoetryPoesie ist schwarzweiß. Manchmal aber auch bunt gestreift mit infraroten Punkten, von Knöpfen zusammen gehalten mit Tüll umwickelt und Seide verkleidet, als Seele beschrieben und als Worte gedacht. - Was als kleine Sammlung von Gedanken, in einem S...