Prolog

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  • Gewidmet Lilly und Luna
                                    

Ich bin anders. Nicht besonders, sondern anders. Dieser Gedanke hat sich irgendwann in meinem Kopf festgesetzt. Das heißt …, eigentlich bin ich so wie jeder andere, aber doch irgendwie auch nicht. Es fühlt sich für mich so an, als wäre ich die einzig Normale unter tausend Verrückten. Auch wenn es in Wahrheit wahrscheinlich umgekehrt ist. Tatsache ist, dass keiner mich versteht, nicht mal meine Mutter. Egal was es ist, niemand auf der ganzen weiten Welt scheint meine Meinung zu teilen. Ich stehe also völlig alleine da, und das macht mein Leben ziemlich unerträglich. Bei normalen Menschen würde das wahrscheinlich Selbstmordgedanken auslösen, und es wäre wohl ein positiver Aspekt meiner Abnormalität, das es bei mir nicht so ist, aber ich kann nicht abstreiten, dass ich trotzdem hin und wieder ans Sterben denke. Weniger an Selbstmord als ans Sterben an sich und auch nur theoretisch, also nichts, was man ernst nehmen müsste, denn um mich tatsächlich umzubringen, bin ich viel zu feige. Ich könnte mich mühelos von einer Brücke stürzen, und da ich nicht mal schwimmen kann, würde ich selbst in stillem Wasser nach einiger Zeit ertrinken, wenn es tief genug wäre. Genau so eine Brücke liegt praktisch vor meiner Haustür, und doch habe ich noch nie einen ernsthaften Versuch unternommen, dort runter zu springen. Mein Leben bedeutet mir zwar nicht viel, aber doch genug, um mich nicht gleich umzubringen – mutig zu denken ist nämlich sehr viel leichter, als mutig zu handeln, obwohl Selbstmord alles andere als mutig ist. Eigentlich ist es nicht der Mut zu sterben, sondern die Feigheit zu leben. Und auch wenn mein Lebenswille nicht besonders groß ist, ist meine Angst vorm Sterben noch viel größer. Ich stehe morgens auf, esse, schlafe und stehe wieder auf. Nicht grade toll, aber wie gesagt immer noch besser als sterben.

Ich bin andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt