Kapitel 18

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Ich bin allein und es ist dunkel. Keine gute Kombination, wie mir scheint, aber darauf kann ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Auf der Hälfte des Weges fällt mir auf, dass ich den Zeichenblock nicht mitgenommen habe. Er muss noch auf meinem Schoß gelegen haben, als ich aufgestanden bin. Wahrscheinlich liegt er jetzt irgendwo im Gras. Ich bleibe stehen und drücke den Knopf an der Ampel. Eigentlich müsste ab hier die Straße beleuchtet sein, aber die Straßenlaternen sind schon seit Ewigkeiten kaputt. Im Dunkeln warten zu müssen, ist in einer Gegend wie dieser ziemlich unangenehm. Ständig fühlt man sich beobachtet, sieht sich nervös um und zuckt beim kleinsten Geräusch zusammen, weil man hinter dem nächsten Busch einen Verbrecher erwartet. Die Ampel wird Grün. Auf der anderen Straßenseite tauchen ein paar Kerle auf, die mir entgegenkommen. An ihrem lauten Gelächter kann man deutlich erkennen, das sie betrunken sind. Ich versuche, sie zu ignorieren und einfach an ihnen vorbei zu gehen. Doch in der Mitte der Straße rempelt mich einer von ihnen an.

»He, kannst de nich aufpassn?«, grölt er. Die anderen lachen.

»Kannst du nicht geradeaus laufen?«, murmle ich und gehe schnell weiter. Jetzt lachen die anderen ihren Kumpel aus, der offenbar mitten auf der Straße stehen geblieben ist.

»Was hat die gesagt?«

Das Gelächter wird leiser und verebbt. Ich stehe bereits vor unserem Wohnblock und schließe die Tür auf. Die Treppen bis in den zweiten Stock kommen mir dieses Mal unendlich lang vor. Als ich die Wohnungstür erreiche, versuche ich, leise zu sein, falls meine Mutter im Wohnzimmer eingeschlafen ist. Aber als ich vorsichtig die Tür öffne, ist das Wohnzimmer leer. Offenbar hatte sie es dieses Mal noch in ihr Schlafzimmer geschafft. Ich schließe die Tür langsam, um trotzdem keinen allzu großen Lärm zu machen, dann verschwinde ich in meinem Zimmer. Ich lasse mich auf mein Bett fallen, ich bin total erledigt, aber ich weiß, dass ich heute Nacht kein Auge zu tun werde. Ich sehe auf den Wecker neben meinem Bett. 22:30 Uhr. Ich hatte nicht bemerkt, dass seit der Ausstellung so viel Zeit vergangen war. Ich schlüpfe aus meinen Klamotten und ziehe mein Schlaf-Shirt an. Ich schalte die Nachttischlampe an und die Deckenbeleuchtung aus, dann krieche ich unter meine Decke und schalte das Licht ganz aus. Es dauert noch lange, bis die Gedanken über alles, was heute passiert ist, weniger werden, aber ganz hören sie nicht auf, sogar in meine Träume begleiten mich einige von ihnen. Aber wenigstens schlafe ich dann doch irgendwann ein.

Ich bin andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt