Wir trainieren über den ganzen Mittag hindurch, ohne auch nur eine einzige Pause zu nehmen. Es ist hart, aber ich darf nicht lahm werden.
Am Nachmittag merkt der Winter Soldier, dass ich ziemlich erschöpft bin und meine Power von heute Morgen hat mich endgültig verlassen. Dieser eine Schmerz, den ich in der Glaszelle verspürt habe, ist irgendwie immer noch nicht verschwunden. Es ist so wie ein Phantom-Gefühl, das sehr lange bleibt.
Erst am frühen Abend lässt er mich gehen. Zurück in meinem Zimmer trinke ich nach Herzenslust aus dem Wasserhahn. Als ich fertig bin, wird meine Tür aufgerissen und ein Soldat steht mit einer Waffe in der Hand an der Türschwelle und guckt ins Badezimmer zu mir.
„Sie werden im Labor gefragt."
Ich schaue etwas erstarrt zu ihm hinüber und nicke ihm schließlich zu.
Im Labor angekommen starren mich die Ärzte an und beten mich auf der Liege Platz zu nehmen. Als ich mich entspanne und tief ein- und ausatmete, kommt ein Arzt, den ich bei meiner Erwachung hier bereits gesehen habe, mit einer Spritzte auf mich zu.
„Was ist das?", frage ich ihn sofort.
„Es bewirkt, dass du vier Mal langsamer müde wirst, als natürliche Menschen. Außerdem verringert es um wenige Prozente den Schmerz und erhöht die Geschwindigkeit."
Seine Erklärung ist nicht so schlecht, wie ich gedacht habe und wenn es wirklich so ist, dann nur her damit. Ich versuche mich zu entspannen und lasse die Spritze über mich ergehen. Als er fertig ist, kann ich auch schon wieder gehen. Ich scheine ihnen wirklich misstrauisch zu sein, aber sie müssen mich auch verstehen, wenn jemand mit einer Spritze auf mich zukommt. Aber ich sehe, dass sie mir helfen wollen. Aber ich weiß nicht, wie sie es herausgefunden haben, dass ich nach dem Training so todmüde bin. Jetzt bin ich wieder topfit und mir wird auch wieder kühler. Hat der Winter Soldier ihnen über mich erzählt? Vielleicht ja, denn sonst wäre das womöglich nicht passiert.
Ich gehe den Flur entlang und, als ich auf meiner rechten Seite ein neuer Flur komme, entdecke ich erneut die große Tür. Ich erinnere mich, wie ich mich vorstellte, was sich dahinter wohl befinden könnte. Ich fühle etwas in mir, das mir sagt, ich solle da nicht hingehen, aber meine Füße führen mich immer näher dorthin. Als ich am Ende des Flures ankomme und somit vor der Tür stehe, will ich den Griff nehmen und die Tür öffnen, als jemand mehrere Meter hinter mir aufschreit: „HALT!"
Ich drehe mich erschrocken um. Rumlow kommt schnell und mit einem verzerrtem Gesicht auf mich zu. Als er vor mir stehen bleibt, schaut er mich stur an.
„Was hast du hier verloren?"
Ich stottere mir irgendetwas zusammen, doch es bildet sich keinen wirklichen Satz, sondern eh ein Durcheinander von Worten.
„Verschwinde von hier.", sagt er schroff und ich gehe sofort ohne zu zögern an ihm vorbei. „Wenn ich dich nochmal hier erwische..."
Er kann seine Drohung nicht weiterhin mir hinterherrufen, da ich schon um die Ecke biege und in seinen Augen verschwunden bin. Dieser Ort ist für mich also tabu. Wieso sagt mir das keiner? Wie soll ich sowas denn nur ahnen? Was hat dieser Rumlow eigentlich für ein Problem? Ich fühle irgendwie, dass er mich nicht leiden kann und das muss er auch nicht. Ich zwinge ihn zu nichts, also soll er tun und lassen, was er will. Trotzdem – ich habe Angst vor ihm.
Ich verschwinde im Essaal, der so gut wie leer ist. Die meisten sind bereits gegangen und ich komme etwas spät, aber es sitzen noch einige und unterhalten sich. Ich nehme mir diesmal nicht viel zu Essen und setze mich wieder alleine auf einen Tisch. Und zu meinen Gunsten, schlendert Conor Jenkin zu mir herüber und setzt sich wieder zu mir.
„Und?"
Ich zucke mit den Schultern und beginne wortlos zu essen.
„Dass ich dich nur hier erblicke, ist etwas seltsam."
Ich runzele die Stirn und muss dabei kurz lächeln. „Was kann ich dafür, wenn du nur ans Essen denkst."
Er muss laut loslachen, bis er sich dann beruhigt und mir tief in die Augen schaut. „Skye... Ein schöner Name."
„Danke.", brumme ich und stochere in meinem Essen herum.
Conor jedenfalls starrt mir weiterhin beim Essen zu. „Sag mal, wie ist er so? Der Winter Soldier?"
Ich nehme mir Zeit bei meiner Antwort und denke einmal gründlich nach, wie ich ihn überhaupt beschreiben soll, denn viele Charakterzüge hat er gegenüber von mir noch nicht offenbart.
„Er sagt überhaupt nicht viel."
„Ist er streng?"
„Nein."
„Hm." Conor wird nachdenklich.
„Wieso? Wie hast du ihn dir vorgestellt? Laut und voller Hass?"
Conor schaut verwundert hoch. „Ja! Irgendwie schon. Es wundert mich, dass er so still bei dir ist. Gestern Nacht habe ich ihn Schreien gehört."
Ich stocke, lasse die Gabel fallen und starre ihn fragend an.
„W-wie meinst du das?"
„Ich habe mein Zimmer drei Räume neben seinem. Keine Ahnung, vielleicht hat er bloß schlecht geträumt, oder so."
Ich schaue zu meinem Essen herunter und fühle, wie der Appetit mir augenblicklich vergeht.
„I-ich muss gehen.", sage ich, nahm mein Tablett und stellte es zurück zu den anderen.
Ich husche schnell aus dem Essaal, als Conor mir jedoch folgt.
„Glaubst du, es ist deine Schuld?"
Ich bleibe im Flur sofort stehen und drehe mich zu ihm um. Er schaut mich kurz an und schlendert langsam zu mir hinüber.
„N-nein, nein. Es ist nur, dass ich so wenig über ihn weiß."
Conor grinst. „Ich könnte dir mehr erzählen."
Ich schaue ihn wütend an. Ich weiß, dass er mehr weiß, als ich vielleicht jemals wissen werde, aber irgendetwas ist doch faul an ihm. Ich hasse mein Misstrauen an so an Menschen, denn ich weiß, dass ich so nie irgendwie Freundschaften schließen kann. Von wo kommt das denn nur?
„Nein, danke.", sage ich und verschwinde um die Ecke.
Sofort gehe ich in mein Zimmer, knalle die Tür hinter mir und hoffe bloß, dass er mir nicht gefolgt ist.
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The Assassin: Oblivion
ActionNach einem tragischen Unfall verlor die damals sechszehn jährige Skye Sherman ihre Eltern. Neun Jahre später ist sie zu einer erbitterte, einsame Frau geworden, die mit ihrer Vergangenheit abschließen will. Unter Nick Furys Dach der Organisation S.H...