Am nächsten Morgen, als ich in der Halle ankomme, wartet schon jemand auf mich. Ich habe mir schon die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht, wer es sein könnte. Wer ist mein neuer Ersatztrainer? Vielleicht ist es Conor oder irgendein anderer Soldat, der ebenfalls eine seltsame, aber trotzdem interessante Vergangenheit hat und ziemlich mysteriös auf mich wirkt?
Als ich die Person aber von hinten erblicke, stelle ich fest, dass es meine Vorstellungen übertroffen hat.
Rumlow dreht sich zu mir um, als er bemerkt, dass ich angekommen bin. Mit einem schnellen Schritt kommt er auf mich zu und verpasst mir als erstes eine Ohrfeige.
„Du bist zu spät. "
Ich halte vor Schreck meine Wange fest, die etwas brennt und runzele die Stirn.
„T-tut mir leid, ich..."
Er unterbricht mich. „Ich habe jetzt keine Zeit für deine Entschuldigungen."
Das soll doch wohl ein Witz sein?
Beim Winter Soldier kam ich sicher bereits mehr als drei Mal zu spät, aber verpasst er mir gleich eine Ohrfeige? Nein. Rumlows Stimme geht mir jetzt schon auf den Wecker, auch, wenn er nur zwei Sätze gesagt hat. Bei der Stimme des Winter Soldiers ist es genau umgekehrt. Ich vermisse seine Stimme und das schmerzt am meisten, vor allem, wenn man nichts über ihn weiß oder wo er überhaupt gerade ist.
Rumlow geht zu den Computern und bereitet die Glaszelle für mich vor. Er wirft mir ein kleines Messer zu und lässt die Luke für mich offen.
„Schwierigkeitsgrad auf 'Extrem' eingestuft."
Mein Atem stockt. Ich habe noch nie auf ‚Extrem' gekämpft und gerade er sollte wissen, dass ich noch nicht bereit dafür bin. Mein anderer Trainer hat mich von ganz unten bis nach oben trainiert, aber Rumlow tut es gerade andersrum.
Unwillig gehe ich in die Glaszelle und als ich nicht mehr die Trainingshalle erblicke, stehe ich plötzlich inmitten eines Dschungels, der mich augenblicklich zum Schwitzen bringt. Der Feuchtigkeitsgrad ist gleich hundert und die Sonne ekelt mich an.
„Feinde hinzufügen."
Dann erstellen sich in der Luft vor mir über zwei Dutzend Soldaten, die in unmittelbarer Höhe auf drei Helikopters verteilt sind, welche mich auch sofort angriffen. Sie haben alle Schwerter mit Kanten, Granaten, die von oben aus den Bäumen herunterfielen und sogar Bazukas, die den Regenwald sofort beim ersten Schuss in Feuer setzen. Es wird noch heißer, als es schon ist, sodass ich kaum Luft bekomme, aber ich versuche mein Bestes zu geben.
Mir wird schnell klar, dass ich nicht kämpfe kann und ergreife die Flucht. Ich weiche den Granaten und den Schüssen der Bazuka aus, töte ich mit meinem kleinen Messer zwei feindliche Soldaten, die vom Helikopter abgesprungen sind und mich verfolgt haben. Ich muss fliehen, denn für mich alleine sind es einfach zu viele.
Als vor mir wieder eine ganze Bande von Soldaten mich angreifen und mit Messern auf mich schießen, denen ich ausweiche, merke ich, dass es einfach zu schwer für mich wird. Ich töte wieder zwei, bis mir jemand in den Kopf schießt und alles um mich herum dunkel wird. Ich höre ein Piepsen im Echo, meine Augen lassen mich nichts mehr sehen und ich kann meinen ganzen Körper nicht mehr spüren.
Ich weiß nicht für wie lange ich weg war, aber als ich meine Augen wieder langsam öffne, liege ich in der Glaszelle und versuche aufzustehen. Ich halte mich an meinem Hinterkopf fest, wo man mich glatt angeschossen hat, aber es ist ja keine Wunde zu spüren. Aber das Phantomgefühl ist immer noch da.
Als ich die Glaszelle verlasse, guckt Rumlow mich zornig an. „Du bist ja noch schlechter, als ich erwartet habe. Er hat dich zu leicht trainiert."
Die Wut in mir brodelt sich langsam auf und ich weiß nicht, ob ich ihr Stand halten kann. Wie kann er es wagen, so über meine Taktik zu reden, die mir der Winter Soldier lernt. Es ist ja nicht so, dass ich erst seit fast einem Monat hier bin und versuche mich zu bessern, aber wenn er es anders sieht, dann könnte er es wenigstens in einem anderen Ton reden und mich nicht verprügeln.
„Aber er hat bessere Methoden, als du.", stoße ich hervor und sofort bereue ich es etwas gesagt zu haben.
Denn erneut bekomme ich eine Ohrfeige zu spüren – diesmal eine schmerzhaftere. Es hätte so weiter gehen können: ich wiederspreche ihm und er schlägt mich, aber damit wird es auch nicht besser.
„Komm.", sagt er laut und steigt auf den Boxring.
Als ich mich vor ihn stelle, atme ich unregelmäßig und beginne zu schwitzen, bevor es überhaupt richtig losgeht. Er macht sich für den Kampf bereit, geht etwas auf die Knie und ballt seine Hände zur Faust.
„Jetzt schauen wir mal, ob du Recht hast."
Du hättest die Klappe halten sollen, Skye. Ich schlucke ängstlich und stelle mich in der gleichen Stellung hin, wie er. Es ist eine Zeit lang ruhig und wir starren uns nur an.
Als er dann seinen Arm ausholt, um mir ins Gesicht zu schlagen, erschrecke ich mich etwas, kann aber noch rechtzeitig ausweichen und schlage ihm in den Bauch. Und dann kommt es zu einem richtigen Kampf, als wäre er der richtige Feind, der dort draußen lauert. Ich halte es überraschend lange aus, was ihn selbst sicher etwas wundert, aber als ich nicht richtig aufpasse und aus irgendeinem Grund auch immer aus der Fassung komme, spüre ich seine harte, starke Faust, die mein linkes Auge trifft und Falle wie ein Bett zu Boden.
Es ist kurz alles Schwarz vor meinen Augen und erst nach wenigen Sekunden tritt der Schmerz ein, der sich immer weiter ausbreitet. Der Schmerz ist ähnlich, wie der von vorhin in der Glaszelle, nur, dass ich nicht gelähmt bin, sondern nichts mehr sehen kann.
Rumlow sagt nichts, steigt vom Boxring herunter und lässt mich einfach dort liegen.
Arschloch.

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The Assassin: Oblivion
БоевикNach einem tragischen Unfall verlor die damals sechszehn jährige Skye Sherman ihre Eltern. Neun Jahre später ist sie zu einer erbitterte, einsame Frau geworden, die mit ihrer Vergangenheit abschließen will. Unter Nick Furys Dach der Organisation S.H...