꧁Marinette꧂

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Ich spürte eine streichelnde Bewegung auf meiner Stirn. Die Hände waren weich, behutsam und vorsichtig. Ich wagte es mich nicht die Augen zu öffnen. Zu viel Angst hatte ich, dass es aufhören würde. Es war einer der schönsten Sachen, die ich seit langer Zeit spürte. Keine schmerzenden Wunden, keine krampfenden Beine. Keine bevorstehenden Hinrichtungen oder nervenaufreibende Befreiungen.

,,Ich weiß, dass du wach bist, Marinette", meinte Luka mit einer Belustigung in der Stimme, dass ich leicht grinsen musste. Schon damals konnte er gut die Gefühle seiner Mitmenschen erforschen. Mit seiner Musik erweichte er ihr Herz noch mehr und gab ihnen den Mut, darüber zu sprechen. Damals, als ich immer traurig wegen Adrien und meinen Gefühlen gegenüber ihm war, konnte Luka mich mit seiner Musik wieder aufmuntern. Sie drang bis zum Herzen, gab mir ein neues Gefühl. Für mich war es immer, als würde er mit der Musik meinen Kummer mit einem Strich seiner Saiten wegwischen.

In meiner Jugend entwickelte ich für ihn auch leichte Gefühle, sie waren aber nie so stark wie bei Adrien. Luka gab mir zumindest das Gefühl, dass meine Gefühle erwidert werden konnten. Er war für mich da, wenn ich ihn brauchte und ging sogar mit mir Eiskunstlaufen, obwohl ich eigentlich mit Adrien gehen wollte. Auch akzeptierte er, dass ich immer noch mehr Gefühle für Adrien hatte als für ihn. Er wies mich aber dann nicht ab. Er war trotzdem als Freund für mich da, half mir immer noch und kümmerte sich um mich, wenn andere es nicht konnten.

,,War ich so offensichtlich oder woran hast du es erkannt?", fragte ich nun und setzte mich auf. Ich lag auf einem Bett in einem blauen Zimmer. An der Wand hingen viele Gitarren und Poster von bekannten Musikern, wie Jagged Stone. Ich erkannte schnell, dass dies wohl das Zimmer von Luka sein musste.

,,Du hast mit den Augen gezuckt. Unauffällig, aber das aufmerksame Auge meinerseits hat es gesehen. Wie geht es dir?", fragte er nun besorgt. Ich zuckte mit den Schultern. Es war eine gute Frage, ob es mir gut ging. Körperlich würde ich sagen ja, psychisch eher weniger. Meine Gefühle waren wie ein wildes Durcheinander. Die Freude, Luka zu sehen, die Besorgnis, ihn wieder zu verlieren.

Wusste er, was mit seiner jüngeren Schwester Juleka geschehen war? Ich legte meinen Kopf in den Nacken und seufzte tief.

,,Ich weiß es nicht. Irgendwie geht es mir gut, dann auch wieder nicht. Ich bin einfach nur erschöpft von den ganzen Jahren, denke ich."

Er nickte verständnisvoll und stand auf. Von einem Tisch in der Ecke holte er eine dampfende Tasse. Vorsichtig reichte er sie mir. Die Flüssigkeit war braun und die Tasse war heiß. Als ich daran roch erkannte ich, dass es Tee war. Pfefferminztee.

,,Danke", sagte ich, nippte am Tee und reichte die Tasse wieder Luka. Er behielt sie noch in der Hand und sah mich mit schräg liegenden Kopf an. Verwundert zog ich eine Augenbraue hoch.

,,Ist was?"

,,Nein, es ist nichts. Du hast dich kaum verändert. Deine Haare sind etwas länger als damals. Ansonsten siehst du aus wie vor zehn Jahren."

,,Du hast dich auch kaum verändert. Du hast noch dieselben Haare. Ich glaube, du bist noch ein bisschen gewachsen." Luka lachte herzlich, dann wurde es still. Es war eine angenehme Stille. Nur das Atmen von uns war zu hören, selten mal das Schlucken von mir, wenn ich den inzwischen abgekühlten Tee trank.

Wann hatte ich das letzte Mal Zeit gehabt, mich so zu entspannen? Ich wusste es nicht mehr. Es war schon so lange her. Ich glaubte, in meiner Jugend hatte ich mir jeden Abend eine Stunde Zeit genommen und über alles nachgedacht. Über das Leben, über meine Schwärmerei und über Ladybug. Ich hatte oft überlegt gehabt, einfach aufzuhören. Mein so kompliziertes Leben konnte wieder normal werden, hatte ich mir immer gedacht. Aber ich konnte nie. Bis heute wusste ich nicht, warum ich nie aufhören konnte. Vielleicht war es meine Bestimmung, alles wieder ins Reine zu bringen.

,,Es tut mir leid", meinte ich plötzlich. Luka, der in Gedanken versunken war, sah mich fragend an.

,,Es tut mir leid, was mit Juleka passiert ist."

Der junge Mann nahm mir die Tasse aus der Hand und rückte ein Stück näher zu mir. Nun konnte ich seinen Atem an meiner Wange spüren. Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper.

,,Du kannst nichts dafür, Marinette. Adrien ist der, der sich entschuldigen müsste. Er hat alles zu verantworten", vorsichtig wischte er einer meiner Tränen aus meinen Augenwinkeln. Zögerlich sah ich ihn an. Sein Blick war ehrlich und voller Gutherzigkeit.

Plötzlich wurde mit einem lauten Krachen die Tür geöffnet. Erschrocken schrie ich kurz auf, als ich jedoch sah, dass Kathleen dort stand, beruhigte ich mich wieder. Kurz sah sie zwischen mir und Luka hin und her, als sie dann den Mund öffnete: ,,Ihr beide sollt zum Boss. Später könnt ihr dann weiter machen, wo ich gerade gestört habe."

Sie rannte weg, ließ die Tür jedoch geöffnet. Luka nickte langsam und stand auf. Er reichte mir seine Hand. Behutsam legte ich meine Hand in seine und stand ebenso auf.

Ich war überwältigt, wie schnell Luka wieder Kontakt aufgebaut hatte. Es fühlte sich so an wie damals, nur, dass wir nun um Jahre gealtert waren. Mein Inneres sagte mir, ich solle ihm misstrauen. Mein Herz sagte, ich solle ihm vertrauen. Mein Verstand sagte nichts dazu. Er ließ mich in Stich, wie eigentlich fast immer.

Aber wollte ich in einer Gruppe wie dieser sein, musste ich vertrauen. Misstrauen unter Teammitglieder war mehr als gefährlich. Dieses Gefühl konnte jemanden das Leben kosten, eine ganze Planung ruinieren oder die gesamte Gruppe verfeinden. Ich musste mich zusammenreißen und Vertrauen lernen.

Wir betraten den großen Raum, wo Kathleen und ich vor Stunden angekommen waren. Viele unbekannte Gesichter waren um einen großen Tisch versammelt und unterhielten sich. Einige Male fiel das Wort Adrien oder Ladybug.

,,Ah, Marinette! Schön, dass du den Weg zu uns gefunden hast", sagte eine ältere Frau mit einem strahlenden Lächeln. Ich wusste nicht warum, doch ich hatte das Gefühl, als würde ich sie kennen. Da war etwas Vertrautes, was ich nicht zuordnen konnte. Zögerlich sah ich zu ihr und nickte, während Luka mich zu einem freien Platz führte und mich bat, mich zu setzten. Ich tat es, hoffte jedoch, dass Luka sich zu mir gesellen würde. Er ging zu einem anderen Platz weiter vorne neben der alten Frau.

,,Marinette, erinnerst du dich noch an mich?", meinte sie weiter und lächelte.

,,Es ist schon eine Weile her. Ich bin es, Caline."

Ungläubig öffnete ich den Mund, riss meine Augen weit auf.

,,Madame Bustier?"

Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien Agreste IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt