꧁Marinette꧂

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Stumm betrachtete ich das Bild. Es war das einzige Bild, was ich von meinen Freunden besaß. Wir alle waren so glücklich und unbeschwert. Ich erinnerte mich kaum noch an diese Zeit. Ich hatte in den Jahren so viel mit dem ‚,Am Leben"— bleiben zu tun, dass ich es mir nicht leisten konnte, an die Vergangenheit zu denken. Ich musste mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Jetzt aber, wo ich hier so saß, konnte ich an die Vergangenheit denken. Ich war in Sicherheit, wenn auch nur vorübergehend. Hier konnte ich etwas bewirken, was den Bewohnern wirklich half. Ich hatte eine Gruppe, die dafür bekannt war, den Menschen helfen zu wollen. Sie hatten die nötigen Ressourcen.

Da fiel mir auf einmal auf, dass ich seit meiner Ankunft meinen Miraculous nicht gesehen habe. Ich wusste zwar, dass er hier war, aber als ich Caline gefragt hatte, wo er denn sei, hatte sie nicht reagiert gehabt. Ich wusste, dass er in guten Händen war, gerne würde ich aber meinen kleinen Kwami wiedersehen.

,,Ach Tikki", sagte ich leise, legte das Bild beiseite und stand auf. Es war noch relativ früh, daher glaubte ich nicht, dass irgendjemand mich sehen sollte. Selbst wenn, ich tat nichts verbotenes. Ich suchte nur nach meinem Eigentum.

Leise schlich ich aus dem Zimmer und blickte wieder in den Flur. Noch immer war es der riesige Monitor, der alles beleuchtete. Ich schloss vorsichtig die Tür und sah in den Flur.
Es gab viele verschiedene Türen, aber eine stach besonders hervor. Sie war aus massivem Holz und auf ihr waren mir unbekannte Muster. Nur selten ging jemand in diese Tür, außer eine Person. Es war die Tür zu Calines Büro und zugleich zu ihren Schlafzimmer. Ich hatte es einfach im Gefühl. dass Tikki da drin war. Ich konnte aber nicht einfach in ein anderes Zimmer eindringen. Es war ihre Privatsphäre, die ich auch respektieren musste. Etwas in mir weigerte sich aber, diese wertvolle Privatsphäre zu respektieren.
,,Nein, Marinette!", sagte ich mir und drehte mich um.

,,Aber ein kurzer Blick schadet ja nicht."

Schnell drehte ich mich um, riss die Tür auf und verschwand im Büro meiner ehemaligen Klassenlehrerin. Ich presste mich gegen die Tür und atmete unerklärlicher Weise schneller. Es war, als ich von den Soldaten verfolgt worden war. Diesmal endete es aber nicht mit einer Schusswunde, sondern wenn ich Pech hätte mit der Beschuldigung zum Verrat und rausschmiss der Befreiten. Ich durfte mich unter keinen Umständen erwischen lassen!

Ich hörte nichts, außer meinen eigenen Atem und das Surren von dem Computer, der zwar angeschalteten war, der Bildschirm war aber trotzdem dunkel. Leise schlich ich mich voran. Ihr Zimmer war auf den ersten Blick nicht viel größer als das von Luka. Es war einfach gehalten, hatte einen kleinen Schreibtisch, einen Sessel und an der hinteren Wand ein riesiges Regal mit dicken Ordnern, Kisten und losen Papieren. Wie hypnotisiert ging ich auf da Regal zu und zog die erste Akte hervor. Sie war prall gefüllt, schwer und an einigen Stellen hingen schon Blätter und Bilder heraus. Auf der Vorderseite stand in fett ein Name: Gabriel Agreste.

Ich setzte mich auf den Boden und legte die Mappe vor meine Knie. Würde ich diese Mappe jetzt öffnen, könnte ich des Verrats bezichtigt werden. Dennoch wollte ich wissen, was darin stand. Ich fuhr mir nachdenklich durch die Haare und legte die Hände auf die Oberschenkel.

Hätte man mich von der Ferne beobachtet, hätte man meinen können, ich würde beten. Kennt man mich aber weiß man, dass ich nachdenke. Diese Aktion kann schiefgehen. Es musste mich nur einer gesehen haben, wie ich einfach in ihr Zimmer gegangen bin. Meine Hände begannen zu zittern. Ich durfte das nicht lesen! Ich missbrauchte damit das Vertrauen der Befreiten maßlos.
Hatte ich nicht irgendwie ein Recht darauf, auch in alles eingeweiht zu werden? Ich war ein Teil desselben Teams, ich wollte dasselbe und verfolgte dieselben Ziele. Es sollte nichts dabei sein, auch in gewisse Sachen eingeweiht zu werden.

Ich öffnete langsam die Mappe. Das erste Blatt war ein Bild von Gabriel, neben ihm sein Sohn Adrien. Traurig guckte er in die Kamera, während sein Vater seine ernste Miene aufrechterhielt. Ich blätterte um. Diesmal war es ein Steckbrief mit allen bekannten Daten. Sein Geburtstag und eine Geburtsurkunde befanden sich auf der nächsten Seite. Dahinter war sein Familienstammbaum. Er war nicht vollständig, nur wenige Vorfahren waren eingetragen.

Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien Agreste IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt