꧁Marinette꧂

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Die ersten Bomben explodierten bereits, als ich an dem Anwesen ankam. Mir kamen viele Menschen entgegen, ihre panischen und blutverschmierten Gesichter sahen mich mit reinem Entsetzen an. Ladybug, die sich seit einem Jahrzehnt endlich wieder zeigt! Ladybug, die größte Feindin des Staates Paris führt einen Anschlag auf das Anwesen an, um Cat Noir's Miraculous zu holen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich einmal einen solchen Plan durchziehe. Allerdings hätte ich auch niemals gedacht, dass solch ein Akt nötig ist, um Paris zu retten.  

,,Marinette, ist alles in Ordnung?", Luka legte behutsam seine Hand auf meine Schulter. Lächelnd sah ich ihn an, richtete meinen Blick dann wieder auf den enormen Eingang des Hauses. Die Scheiben waren eingeschlagen worden, damit daraus Menschen fliehen konnten.
Ich führte eine Gruppe von Befreiten an. Wir hatten die Mission, den Miraculous zu nehmen und dann wieder zu verschwinden. Ich sollte an der vorderen Front kämpfen, die anderen würden mir den Rücken freihalten. In der Zwischenzeit würden die restlichen Befreiten, angeführt von Caline, die Bewohner allesamt evakuieren und in unserem Versteck unterbringen. Die Bomben waren schon gezündet worden, um die meisten aus dem Gebäude zu treiben. So hatten wir die Möglichkeit, relativ unbemerkt einzutreten. Allerdings glaubte ich nicht, dass sie uns nicht entdecken würden. Ich hatte das mulmige Gefühl, dass Gabriel und Adrien genau wussten was zu tun war.

,,Ich habe Sorge, dass alles schiefgeht. Ich denke ich nicht, dass wir ohne Probleme da hoch kommen. Sie erwarten uns bestimmt."
Ich hatte mich geweigert, diese Truppe anzuführen, vor allem weil Luka in meinem Team war. Ich wollte nicht verantwortlich für seinen Tod sein, wenn es passieren sollte. Doch Caline ließ nicht mit sich reden und forderte mich auf zu trainieren. Ich gab schließlich nach und folgte ihrem Befehl.
Allerdings frischte ich nur den Nahkampf. Mit meinem Jo-Jo zu trainieren brachte ich nicht übers Herz, alleine wegen Tikki. Zu viel hätte ich meinem kleinen Kwami erklären müssen. Daher hatte ich mich vorhin auch sehr schnell verwandelt. Ich seufzte, nahm mir mein rotes Jo-Jo mit den schwarzen Punkten und bewegte es wie damals, drehte es und warf es einmal.  

Luka beobachtete mich dabei lächelnd.
,,Es fühlt sich an wie früher."
Da kam Kathleen zu mir, sah mich mit ernster Miene an und richtete ihren Waffengürtel. 
,,Ladybug, es wird Zeit. Wir müssen anfangen, ansonsten können Gabriel und Adrien fliehen", sie drehte sich wieder weg und sprach mit der restlichen Truppe. Luka nahm seine Hand von meiner Schulter und ging zum restlichen Team, um dem Teenager zuzuhören. Nun stand ich alleine hinten, musste ein Team anführen, wo ich wusste, dass nicht alle überleben würden. Doch ich hatte Hoffnung, dass es nicht passieren würde, auch, wenn mich die Hoffnung gerne im Stich gelassen hatte. 
,,Ich gehe vor, ihr haltet mir den Rücken frei. Schießt auf keine Anwohner, sondern nur auf Soldaten, Gabriel und ", ich stockte, atmete einmal tief ein und aus, ,,auf Adrien Agreste!"

Ich ging durch die Tür, meine Waffe, das Jo-Jo fest in der rechten Hand. Im Erdgeschoss kam uns kein einziger Soldaten entgegen, nur ängstliche Bewohner. Teils hatten sie Verletzte in ihren Armen.
Ich sah weg, konzentrierte mich auf den Weg vor mir. Wir mussten in die 73. Etage. Dort waren die Räumlichkeiten von Gabriel und Adrien, damals auch von Kathleen. Die Treppen konnten wir nicht nehmen, da wir diese für die fliehenden Bewohner lassen wollten. Es wird sowieso schon ein enormes Chaos herrschen, da musste mein Trupp nicht noch entgegen gehen. Wir würden einen der zwei Notfallaufzüge nutzen. In Etage 22, wo auch die Trainingshallen laut Kathleen sind, würden wir uns dann weiter durchkämpfen. Wir hatten Glück, dass wir einen Hacker im Team hatten. Dieser sperrte den anderen funktionsfähigen Aufzug, damit wir nicht unangenehm überrascht werden konnten. 
 

,,Läuft doch alles gut bisher", Kathleen nahm ihre Waffe in die Hand, entsicherte sie und lächelte mich an.
,,Bist doch keine schlechte Anführerin."
Schief lächelte ich und sah dem jungen Mann zu, wie er sich in das Sicherheitssystem des Anwesens einloggte und den Aufzug nur für uns verfügbar machte. Wieder machte sich mein mulmiges Gefühl bemerkbar. Nicht ohne Grund ging es so einfach. Ich wusste von Caline, dass er gut in dem war was er tat, doch Gabriel war da um einiges besser. Es ging einfach viel zu leicht. Es sind uns noch nicht mal Soldaten entgegengekommen. Hier stimmte etwas nicht.

 Plötzlich öffnete sich die Tür des Aufzuges. Hastig stiegen alle ein, ich als letzte, um dann auch gleich wieder ganz vorne stehen zu können. Es herrschte Stille. Ich sah auf die Anzeige des Aufzuges: 9. Etage.
,,Passt auf, nehmt alle eure Waffen in die Hand und macht euch bereit. Wir kommen nur so leicht durch, weil sie wissen, dass wir da sind", meine Hand fing an zu zittern, mein Atem ging schneller und mein Herz pochte in meiner Brust. Unauffällig sah ich zu Luka, der dem Hacker half, seine Waffe richtig zu halten und das Magazin zu wechseln.
Warum hat Caline Luka in mein Team gesteckt?, fragte ich mich.
Seinen Tod könnte ich am wenigsten verkraften. Sie wusste, dass ich ihn nicht sterben lassen würde, daher diente er zugleich als Motivation. 

Plötzlich hielt der Aufzug an. Ich wendete mich von der Menge, sah erneut zu der Anzeige des Aufzuges: Etage 22.
Jetzt fing es an.
Langsam, fast schon in Zeitlupe, öffneten sich die schweren silbernen Türen. Ich stieg als erste aus dem Lift und sah mich um. Alles war totenstill, die Halle war schlecht beleuchtet, aber trotzdem konnte  man erkennen, dass sie riesig war. Ich konnte Umrisse erkennen von Trainingspuppen und Matten, Klettergeräten und Schwebebalken. Hier waren vor kurzem noch Menschen gewesen, wahrscheinlich aber alle schon verschreckt worden durch die Bomben.
Ich hob meine linke Hand, gab somit das Zeichen, dass es sicher war. Mit einem Schlag rannten alle raus, verteilten sich links und rechts von mir und durchsuchten die Halle. Ich traute der Sache nicht, dafür waren wir zu leicht durchgekommen. Bisher war uns niemand von Adriens Lakaien entgegengekommen. Inzwischen mussten sie bemerkt haben, dass es sich um einen Angriff der Befreiten hielt. 

Ich ging auf eine der Puppen zu, die lieblos auf dem kühlen Boden lag. Sie stellte einen Mann dar, alle Schwachstellen waren durch einen roten Punkt gekennzeichnet. Sie war durchlöchert von Kugeln. Wäre dies ein echter Mensch gewesen, wäre er tot.
Ich kniete mich runter zu der Puppe und strich vorsichtig ich über das matte Gesicht.
,,Marinette?"
Luka kam zu mir und beobachtete mich, wie ich dieses Trainingsobjekt fixierte. 
,,Es läuft zu gut", wisperte ich der männlichen Figur zu, meinte jedoch den blauhaarigen Jungen.
,,Marinette, wir haben einfach Glück", er nahm meine Hand und legte sie auf sein Gesicht. Jedoch zog ich sie zurück, stand auf und sah mich um. Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubender Schuss, darauf folgte der Aufprall eines Körpers, der zu Boden fiel. 

Erschrocken zuckte ich zusammen, fasste mich aber schnell wieder. Innerhalb einer Sekunde stand ich vor dem Blauhaarigen, drehte mein Jo-Jo blitzschnell und blockte somit die Schüsse, die auf uns fielen. Überrumpelt blieb Luka auf dem Boden sitzen und sah mich an. Ich schielte in die Dunkelheit hinein und erkannte, dass an der gegenüberliegenden Wand bewaffnete Männer standen. Sie hatten sich anscheinend in den Aufbewahrungsräumen der Materialien versteckt, weshalb wir sie nicht sehen konnten. Ich atmete tief durch und rannte zu den Soldaten. Mit meinem drehenden Jo-Jo parierte ich alle Schüsse, die auf mich abgefeuert wurden. 

Als die Schüsse weniger wurden, sprang ich hoch, machte einen Salto und schlug den ersten Soldaten mit meinem Bein zu Boden. Mit meinem Jo-Jo zog ich einen jungen Mann zu mehr, entwaffnete ihn und schlug ihn mit der Waffe zu Boden. Ich warf die Waffe weg und ging auf den nächsten Mann zu. Dieser war größer und kräftiger gebaut, jedoch war auch er kein Problem. Da ich so klein und leicht war, konnte ich ohne Probleme auf seine Schulter springen und ihn mit meinen Beinen die Luft abschnüren. Mit aller Kraft schlug ich ihm auf den Nacken, genau dort, wo eine Nervenbahn herging. Sofort fiel er zu Boden und blieb auch liegen.
Als nächstes kamen zwei Frauen auf mich zu, schossen ihr ganzes Magazin auf mich. Geschickt wich ich aus, schleuderte die Schüsse an die Wand. Als sie nachladen mussten, brachte ich sie mit meinem Jo-Jo zum Stolpern. Dabei krachten ihre Köpfe ungeschickterweise aneinander, weshalb beide auch liegen blieben.
Es tat mit so in der Seele weh, diese Menschen zu verletzten. Sie konnten nichts dafür, dass sie so erzogen wurden. Als ich auch mit den anderen Soldaten fertig war, hängte ich mein Jo-Jo wieder an meine Hüfte und rannte zu den anderen, die sich in der Mitte versammelt hatten. 

Traurig sahen sie zu Boden. Ich konnte mir denken was passiert war. Umso trauriger war ich, als sich meine Befürchtung bestätigte. Sechs Leute von uns, darunter auch der Hacker, dem Luka im Aufzug noch geholfen hatte, waren tödlich angeschossen worden. Alle in den Kopf. Luka wurde auch verletzte, allerdings war es nur ein Streifschuss. Erleichtert atmete ich auf, sah dann aber wieder auf die leblosen Körper.

Schweren Herzens drehte ich mich weg, raufte mir die Haare. Heiße Tränen flossen über mein Gesicht. Ich wusste, dass ich nichts dafür konnte, doch es tat trotzdem so weh. Ich war ihre Anführerin gewesen. Ich trug die Verantwortung dafür, dass sie gestorben waren!
Sie waren noch so jung, hatten ihr ganzes Leben noch vor sich. Nun aber war es beendet, als wäre es nichts wert gewesen. 
,,Marinette, wir müssen weiter", Kathleen stand hinter mir. Ich wandte mich zu ihr, nickte stumm und wollte mich der Truppe wieder anschließen. 

Plötzlich aber ertönte ein ohrenbetäubender Knall. Alles wackelte, Staub fiel von der Decke und ein verbrannter Geruch folgte. Ich sah nach hinten in die Ecke. Entsetzt riss ich die Augen auf, schritt langsam nach hinten. 
,,Bring sie hier raus!", schrie Kathleen zu Luka. Dieser nickte sofort, packte mich beim Arm und zog mich zum Aufzug. Kurz darauf explodierten die nächsten Bomben. Die gesamte Etage erzitterte, noch mehr staub regnete von der Decke und fiel mir in Augen und Mund. Ich hustete, meine Sicht verschwamm durch meine tränenden Augen.
Wieder wackelte alles, ich stolperte zu Boden und schrie Luka an. Er ignorierte mich aber, zog mich auf die Beine, schmiss mich in den Aufzug und betätigte den Knopf für das Erdgeschoss. Unsanft fiel ich auf die Seite, konnte mich aufgrund des Schocks nicht rühren. Ich sah nur in seine Augen. Seine Augen, die meine Welt waren. 

,,Luka!", brüllte ich sie an, doch er ignorierte mich. Tränen flossen über sein Gesicht. Er wollte nicht sterben. Plötzlich aber kam er auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Ich erwiderte den Kuss, vergrub meine Hand in seinen Haaren. Wie lange hatte ich mir diesen Kuss in meinem tiefsten Gedanken gewünscht? Jedoch hatte ich nie gedacht, dass es unter solchen Umständen passieren würde. Es war ein leidenschaftlicher Kuss. So viele Gefühle waren in diesen Sekunden zu spüren. 
 Dieser Kuss war aber auch ein Abschied.

Er nahm meine Hand, strich sie über sein Gesicht und trat nach hinten.
,,Ich liebe dich, Marinette", flüsterte er unter Tränen, als sich die Fahrstuhltür schloss. Kurz darauf hörte ich einen letzten lauten Knall, spürte eine Hitze, die mich ohne meinen Anzug getötet hätte und die vergehende Schwerelosigkeit, als der Lift in die Tiefe fiel. 


Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien Agreste IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt