Es war der nächste Morgen. Kleine Wolken waren am Himmel, die die Sonne nicht bedeckten, da die dann doch zu schwach dafür waren. Die Strahlen fielen auf die Straßen wie eine sanfte Flut, die langsam immer stärker wurde. Ich wandte mich vom Fenster ab und setzte mich auf einen Stuhl. Nachdenklich sah ich dennoch aus dem Fenster hinaus, betrachtete die leichten weißen Klumpen. Es war mehr als riskant diese Operation durchzuführen. Der Chip war, so hatten wir es gestern Abend noch herausgefunden, inzwischen so fest mit dem Gehirn verwachsen, dass es sehr wahrscheinlich war, wichtige Nervenstränge zu verletzen. Im schlimmsten Fall würde er sterben. Als mir Kims Freundin dies erklärte, war ich wirklich kurz am überlegen gewesen, diesen Einriff abzusagen. Er wäre mein Schüler geworden und hätte die Befreiten von innen heraus vernichtet. Außerdem war er noch ein Kind. Seine ganze Zukunft lag noch vor ihm. Er hatte eine Chance zu leben. Jedoch, etwas in mir warnte mich davor, diesen Chip in ihm zu lassen. Vielleicht war es meine Neugier, die die Informationen haben wollte, oder es war das Misstrauen in ihm. Am Abend nach den ganzen Gesprächen, hatte ich die Tomain-Akte herausgesucht und erfahren, dass seine Eltern heimlich r die Befreiten gearbeitet hatten. Die Kinder waren beide eingeweiht, wurden allerdings nicht zum Tod verurteilt, da sie nichts dafür konnten, dass sie Eltern das System verraten hatten. Nach einem langen hin und her hatte ich dann aber den Entschluss gefasst, mir diesen Chip zu nehmen. Dann ist wenigstens die Blutlinie dieser widerlichen Familie beendet.
,,Die Operation ist vollständig vorbereitet, Agreste", die Ärztin, die mich bei meinem Zusammenbruch behandelt hatte, trat aus dem Operationssaal. Ich nickte langsam.
,,Wie lange soll diese ganze Prozedur dauern?", fragte ich und trat an das Fenster. Wieder sah ich auf die Stadt Paris. Sie war so wunderschön, obwohl sie sich über das Jahrzehnt sehr stark verändert hatte. Ruinen von alten Gebäuden dekorierten die dreckigen Straßen. Für die Unterschicht, den Abschaum das perfekte Heim. Für die bessere Hälfte der Bewohner ist dieses Heim vorgesehen, das Agreste-Anwesen. Dieses sticht aus der dreckigen Umgebung heraus wie ein glänzender Diamant.,,So ungefähr vier Stunden", antwortete sie freundlich und beobachtete mich, wie ich mich vom Fenster entfernte und langsam auf sie zuging. Sie hielt ihr Lächeln, jedoch sah ich in ihren Augen, dass sie nervös wurde.
,,Wie lange dauert es, wenn man ihn dabei nicht am Leben lässt?", fragte ich ernst, verschränkte die Arme vor der Brust und durchbohrte sie mit meinem Blick. Erschrocken sah sie mich mit großen Augen an, erwiderte aber nichts. Ich konnte mir gut vorstellen was in ihr vorging. Schließlich war es kein Erwachsener von dem wir hier sprachen, es war ein Kind, ein Waise. Jedoch war es mir egal. Ich hatte viel zu lange mit der Zeit gespielt. Inzwischen ist es fast schon zu spät, um etwas zu verändern. Wenn ich aber einen enormen strategischen Vorteil kriegen kann, indem ich dieses Kind sterben lasse, ist es mir recht.Als mir die Ärztin nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch keine Antwort gegeben hatte, wiederholte mich meine Frage, diesmal nur lauter. Sie zuckte kurz, blätterte durch ihre Unterlagen und las leise etwas vor. Ich verstand es nicht, da sie es sehr schnell las, allerdings vermutete ich, dass es für mich nicht sonderlich relevant war.
,,Ungefähr zwei Stunden dann. Der Chip ist -", ich hob meine Hand, ein Zeichen dafür, dass sie schweigen sollte. Sofort verstummte sie, sah mich an. Ich brauchte keine Informationen, weshalb es doch noch 120 Minuten dauern würde. Es reichte mir zu wissen, dass es so lange dauern würde.
,,Machen Sie das so. In zwei Stunden erwarte ich den Chip in meinen Händen. Fangen Sie an, sofort!", zischte ich sie an. Hastig rannte sie in den Operationssaal, schloss die Tür und ließ mich alleine da stehen. Ich lächelte finster. Ich konnte es endlich spüren. Noch nie war ich meinen Sieg so nahe gewesen.Die Zeit zog sich, wollte nicht vergehen oder schneller gehen. Ich saß nicht nur vor dem Raum, wartete auf die Nachricht, dass ich endlich den Chip entgegen nehmen konnte. Ich wanderte durch die Gänge des Anwesens, sah mir die Apartments und verschiedenen Etagen an. In den Laboren traf ich, zu meiner Verwunderung Kim, der fröhlich mit seiner Freundin am Reden war. Ich beobachtete die beiden kurz, setzte meinen Weg dann aber fort. Ich wollte nicht erwischt werden. Hinterher ging ich in mein Büro und nahm mir meinen Miraculous mit. Ich fühlte mich mit dem Ring am Finger sicherer und mächtiger. Plagg war zwar nicht begeistert, doch wie immer ignorierte ich sein albernes Gelaber. Er war nur ein Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger.
Nachdem ich meinen Kwami geholt hatte, setzte ich mich wieder vor dem Saal. Es dürfte zwar nicht mehr viel Zeit brauchen, bis die Chirurgen fertig mit ihrer Arbeit waren, vor allem da sie nicht auf das Leben des Kindes Rücksicht nehmen sollten. Ungeduldig spielte ich mit dem Ring an meinem Finger, drehte ihn hin und her, bis ich plötzlich etwas merkwürdiges spürte. Es war, als würde die Erde beben! Ich wollte gerade aufstehen und nachsehen, als die Ärztin aus dem Saal trat, in ihrer Hand ein USB-Stick. Ich drehte wieder um, sah gierig diesen Stick an.
,,Wir haben den Chip für Sie in den USB-Stick gesteckt, Monsieur. So können die Daten besser abgelesen werden."
,,Was ist mit dem Jungen?"
,,Tod", sie sagte es so kalt, dass es schon ein bisschen traurig war, doch ich konnte mich nur auf diesen Stick konzentrieren. Endlich hatte ich eine Chance zu gewinnen. Endlich konnte ich Marinette besiegen!Doch plötzlich knallte es laut, alles wackelte um uns herum. Die Frau fiel auf die Knie, den USB-Stick in ihrer Hand. Mit dem Fall folgte eine Welle von unerträglicher Hitze, die mich an die Wand schleuderte. Das letzte was ich vernahm waren die schmerzerfüllten Hilferufe von meiner ehemaligen Ärztin, bevor ich meine Augen schloss.
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Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien Agreste II
FanfictionMarinette hat sich den Befreiten angeschlossen, in der Hoffnung, die Schreckensherrschaft von Adrien nach langer Zeit endlich beenden zu können. Doch Marinette merkt, dass die Rebellengruppe Die Befreiten andere Ziele verfolgen, die nicht nur riskan...