Aut u mn Boy

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Es nieselte.

Die Nacht vom 29. Oktober auf den 30. fielen die nassen, tauben Tränen der Engel auf die grausame Erde.

Sie weinten über die Garstigkeit und all das Grausame, das passierte.

Ich würde auch weinen, wenn ich noch die Kraft dazu haben würde.

Es ist manchmal ganz befreiend zu weinen. Ich weine gerne auf diesem Berg und spucke auf die Stadt hinab und wünsche mir woanders zu sein.

Ich habe oft das Gefühl, nicht hier her zu gehören.

An den falschen Ort, in das falsche Jahrhundert, in den falschen Körper geboren zu sein.

Aber ich weiß, dass es alles nur eine riesige Probe ist.

Wie viel kann ein Mensch ertragen?

Wie viel kann ein Mensch aushalten?

Wo liegt die Schmerzgrenze?

An welchem Punkt läuft das Fass über?

Das ist bei jedem Anders, oder?

Aber letztendlich springen sie doch alle runter in den Himmel...

Kann das wirklich das Ziel sein?

Menschen durch ihre eigenen, wüsten Gedanken dazu zu bringen, zu springen. Zu fliehen?

Aufzugeben?

Oder hat Gott entschieden, dass diese Menschen es verdient haben, zu ihm zu steigen?

Ist es bei ihm... liebevoll? Warm? Angenehm?

Liegt der Himmel oben oder unten?

Das ist alles eine Ansichtssache.

Meine Welt steht Kopf, der Himmel ist unter mir.

Dennoch lassen mich die Sterne über mir grenzenlose Freiheit und zudem auch Sicherheit fühlen.

Und noch dazu kommt, dass Gott wohl kaum im Universum hockt.

Er sitzt im metaphorischen Himmel, oder das, was die allgemeine Menschheit oder zuerst irgendwelche Wissenschaftler Himmel genannt haben.

Es ist alles eine Frage der persönlichen Wahrnehmung und Interpretation.

Der Eine glaubt an Gott, der Andere nicht.

Manche glauben an das Leben nach dem Tod, Andere sind sich sicher, dass die Seele zu Gott kommt.

Was ist überhaupt die Seele?

Angeblich sind die Menschen nach dem Tod leichter als davor.

Die Seele soll nur wenige Gramm wiegen.

Unterscheidet sich das? Stimmt das?

Ist die Seele von gutherzigen Menschen schwerer als von denen, die Böses getan haben.

Aber jeder hat Vergebung verdient?

All diese unbeantworteten Fragen, machen mich so verrückt.

Ich rutsche in Existenzkrisen.

Wieso lebe ich?

Wieso bin ich ich?

Wieso lebe ich jetzt, um bald zu sterben?

Was passiert mit mir nach dem mein Körper nicht mehr lebt?

Wer bin ich??

Du kamst.

Und ich war froh.

Weil ich nicht weiter allein sein wollte.

Ich saß zwar hier, um die Ruhe und Einsamkeit zu genießen.

Doch deine Anwesenheit hat mir gezeigt wie es ist, wenn jemand da ist, mit dem es vielleicht auf dieser Welt aushalten kann.

Mit dir zusammen fühlte sich die Freiheit auf diesem Berg noch viel grenzenloser an.

Es klingt vielleicht verrückt, aber es ist die Wahrheit gewesen.

Wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich kein wirkliches Gespräch geführt.

Ich kann es schwer beschreiben -- und vielleicht ist es Naivität hoch zehn --, aber ich vertraue dir.

Oder ich will es gerne.

Ich wäre bereit gewesen, dir mein ganzes Leben anzuvertrauen.

Du kamst und hast dich neben mich gesetzt.

Und anschließend hast du dich für entschuldigt, obwohl du gar nichts getan hast.

Du hast also auch jemanden gebraucht.

Sonst hättest du nicht bei dir selbst dir Schuld gesucht.

Die Menschheit ist verlogen, aber sie finden niemals den Fehler bei sich selbst.

Sie halten sich für vollkommen.

Und ich halte mich für sowas von unvollkommen, fehl und falsch...

Ich habe dich in diesem Moment gemocht.

Du warst so wie ich.

Du hast auch Fehler nur bei dir gefunden.

Du hast gedacht, dass es deine Schuld gewesen sei.

Durch dich hatte ich immer noch Hoffnung.

Die Wahrheit ist eine einzige Lüge.

War sie das?

Alles im Leben ist eine Lüge. Oder?

Deine Worte haben mich zum Nachdenken gebracht.

Wenn die Wahrheit eine Lüge sein sollte, dann musste auch das Leben eine sein.

Alles, jeder...

Zusammenfassend gebe ich zu, dass du schlau bist und dass du nachdenkst.

Dass du nicht mit geschlossenen Augen nach dem perfekten Leben lechsend durch deine Lebensjahre wanderst.

Endlich jemand, der so denkt wie ich.

Dafür danke ich Gott.

Er muss mich wohl doch sehen.

Glücklicherweise warst du nicht so nah an der Klippe wie ich.

Du kanntest den Unterscheid zwischen Alleinsein und Einsamkeit nicht.

Ich wusste in dieser Sekunde nicht wirklich, ob das gut oder schlecht war.

Zum einen war das super, weil du damit in der Lage wärst, mir deine Hand zu reichen und mich aus dem immer kälter werdenden Wasser herauszuziehen.

Irgendwann wird es zufrieren und ich werde nicht mehr die Chance haben aufzutauchen.

Und mit gefrorenen Wasser in der Lunge einschlafen.

Und dann kam die schlechte Seite an der ganzen Sache.

Da war die hochprozentige Gefahr, dass deine Hand ebenfalls einfrieren würde.

Oder dass du kurz davor deine Hand rausziehst, weil dir das Wasser zu kalt werden würde.

Ich glaube, wir kommen besser davon, wenn du mich in Frieden untergehen lässt.

Dann überlebst wenigstens du.

Du bist ein guter Mensch.

Du hast es verdient.

Ich wollte dich wegstoßen.

Aber dann kam wieder deine unglaublich unschuldige, süße Art.

Dein Humor und wie du mich fragtst mit dem süffisanten Grinsen.

Findest du?

Was sollte ich groß darauf antworten.

Finde ich.

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