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DerAuftrag
Frl.Müller führte mich den bekannten Weg direkt zum Büro desInnenministers und öffnete nach kurzem Anklopfen, jedoch ohne ein„Herein" abzuwarten die Tür. Horst Seehofer saß hinter seinemSchreibtisch und erhob sich, um mich mit Handschlag zu begrüßen.
Ichschaute mich kurz um. Hier hatte sich viel verändert, seit Lothar deMaiziere dieses Amt noch innehatte. Damals war das Büro noch sehrmodern eingerichtet: Bilder von Kandinsky und Kirchner hingen an denWänden und neben dem Schreibtisch fand man eine Skulptur von JosephBeuys. Die Besucher durften auf einem bequemen Ledersofa Platznehmen. Ich erkannte all diese Kunstwerke mit geschultem Blick.Immerhin hatte ich eine meiner vielen Diplomarbeiten auch inKunstgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts absolviert.
Jetzthing über dem Schreibtisch ein gigantisches Bild, welches einenHirschen im Alpenraum darstellte und eine Madonnenfigur hatte denPlatz von Joseph Beuys eingenommen. Mein Hintern fand sich bald aufeiner Couch wieder, welche mein Vater wohl schon vor Jahrzehnten alsvöllig unmodern dem Sperrmüll übergeben hätte. Auf dem Tischlagen mehrere Exemplare der Zeitschrift „Modelleisenbahn –heute".
„Wiegeht es Ihnen, Agent 015?" eröffnete der Innenminister dasGespräch.
„Bisauf meine Wadenkrämpfe recht gut" murrte ich, während ich mirdemonstrativ die Unterschenkel massierte.
„Hierhat es auch mal moderner ausgeschaut" bemerkte ich mit leichtemVorwurf in der Stimme, während ich mit dem Kopf auf dieMadonnenfigur deutete.
Frl.Müller stieß mir mit ihrem Schuh an die Wade, um mich auf meinFehlverhalten aufmerksam zu machen.
„Wirmüssen wieder mehr Heimatgefühl zeigen" wurde ich belehrt.
„SparenSie sich dies doch bitte für Ihre Wähler".
Wiedererreichte mich ein Tritt am Bein.
„Wirsind eine Demokratie" wurde mir mit dem Gesichtsausdruck einesOberstudienrates beigebracht „Das deutsche Volk hat mich und meineGesinnung im Jahr 2017 auch wegen meines Sozialverhaltens gewählt".
„Dasdeutsche Volk hat die damalige CDU/CSU und SPD abgewählt". Langsamfuhr mir die Zornesröte ins Gesicht „Und trotzdem sitzen Siehier".
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Derdritte Tritt mit dem Schuh fiel diesmal eindeutig heftiger aus.
Dochich sprach mich in Rage:
„WissenSie was Sozialverhalten ist?" Ich schaute Horst Seehofer insGesicht und fuhr fort:
„Wennin einem Pornokino zwei Menschen auf der Leinwand kopulieren und einDritter sitzt onanierend im Publikum, so ist dies dersozialpädagogische Beweis, dass die Mehrheit der Bevölkerung demEinzelnen bei seinen Bedürfnissen zur Seite steht. Dies ist wahresoziale Demokratie".
Derdiesmalige Tritt von Frl. Müller fiel extrem schmerzhaft aus.
DerInnenminister schaute etwas betreten zur Seite, weidete sich anseinem wohl in der Brunftzeit befindlichen Hirschen an der Wand undwechselte das Thema.
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Karl Marx, Horst Seehofer und das wahre Leben des Jesus Christus
HumorBei dem Roman „Karl Marx, Horst Seehofer und das wahre Leben von Jesus Christus" handelt es sich um die erste zur Veröffentlichung anstehende Satire des Hobbyschriftsteller Bernd Carbon. Der Autor hat dieses fiktionale satirische Werk im Jahr 2023...