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Liz und Jo schoben das Fahrrad gemütlich neben sich her wärend sie langsam zum Fähranleger spazierten. Die nächste Fähre käme sowieso erst in einer knappen Stunde und der späte Abend würde auch nicht mehr dunkler werden.

"Fühlst du dich jetzt eigentlich geehrt?", fragte Liz wie aus dem Nichts. "Warum?", fragte Jo, die keine Ahnung hatte von was ihre Freundin gerade sprach. "Dass du mich entjungfern durftest?", "Achso!", Jo ging offensichtlich ein Licht auf und sie musste lachen. „Ja klar, und das schon nach so kurzer Zeit.". Liz grinste. 'Hoffentlich endet das besser als meine letzte Beziehung', dachte Liz mit flauem Gefühl in der Magengegend. Sie lächelte dennoch in sich hinein. In diesem Moment konnte sie einfach nicht glauben, was ein Glück sie hatte. Nach all dem Scheiß durfte sie jetzt hier sein. Hier an diesem wunderschönen Ort, in dieser wunderschönen Nacht, mit diesem wunderschönen Mädchen. Es war einfach perfekt. Liz legte eine Hand auf den Lenker des Rads und verhakte ihren kleinen Finger mit dem von Jo, die das Rad schob.

Die Größere drehte den Kopf zu ihrer Freundin. Sie lächelte, doch Jo bemerkte eine Träne, die im schwachen Licht der Straßenlaternen leicht glitzerte und leise über Liz Wange glitt. Jo blieb stehen. Sie löste eine Hand vom Lenker und legte sie auf Liz schmale Schulter. „Was hast du?", Jo schaute besorgt und führsorglich zugleich. Liz hatte diesen Ausdruck heute schon mal gesehen und kannte die kleinen Fältchen auf der Stirn ihrer Freundin mittlerweile ganz gut. Sie lächelte. „Es- Es ist nur so schön mit dir.", auch Jo lächelte jetzt bevor sie Liz in einen sanften Kuss zog. Man konnte spüren, wie viel Glück in der Luft lag. Und Jo dachte genau dasselbe wie Liz. Wäre es ihnen möglich gewesen, hätten sie die Zeit angehalten. Beide packten diesen Moment in ein mentales Einmachglas, einfach um ihn niemals zu vergessen. Und beide wünschten, jeden Moment mit der jeweils anderen so festhalten zu können.

Wenig später saß Liz neben Jo auf der Fähre und ließ sich die kühle abendliche Luft um die Nase wehen. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden gerade hinter dem Horizont und tauchten alles in goldenes Licht. Die Mädchen hatten die Köpfe gegeneinander gelehnt und die Augen geschlossen, als Liz Handy plötzlich klingelte. „Scheiße, meine Mutter.", murmelte sie, kurz nachdem sie einen Blick auf den Bildschirm geworfen hatte. Sie ging ran: „Hallo, Mama? – Ja ich weiß, dass es schon halb neun ist. – Es tut mir leid. – 'tschuldigung, wir haben die Zeit vergessen, - Nein, es ist alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen – Ähm... wir sitzen schon auf der Fähre, haben gerade abgelegt. – Ja, ich denke noch so zwei Stunden. – Jaha, es ist wirklich alles gut!", Jo sah wie Liz die Augen leicht genervt verdrehte, „Ok, dann bis nachher. Tschüss, hab dich lieb!". Sie legte auf und schaute zu ihrer Freundin rüber. „Hat sie sich Sorgen gemacht?", fragte diese und bekam ein Nicken von Liz als Antwort, „Kennst sie ja.".

Josie sagte nichts mehr. Sie lehnte sich auch nicht mehr zurück zu Liz, sondern starrte nur noch stumm auf den Ozean. Liz fiel das natürlich sofort auf und sie hatte auch schon eine dunkle Vorahnung, was los war. „Dein Vater?", fragte sie unvermittelt. Jo wandte kurz den Blick vom Meer ab und schaute auf ihre Schuhe. „Er hat sich noch kein einziges Mal gemeldet. Und ich bin schon fast zwei Tage weg.", sagte sie ungewohnt kleinlaut. Liz war nicht danach, dem irgendetwas entgegenzusetzten. Sie wusste auch nicht was sie darauf antworten sollte. Auf jeden Fall wollte sie Jos Vater, Pitt Engel, nicht in Schutz nehmen. So legte sie einfach einen Arm um das Mädchen und versuchte, ihr Halt zu geben. Die Braunhaarige blickte wieder in die Ferne, wobei Liz bemerkte, dass Tränen in ihren Augen glitzerten, die sie vehement versuchte, zurückzuhalten. Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass ihre Kiefermuskulatur an den Wangen hervortrat. „Toller Vater.", meinte sie dann und schniefte, „Erst kümmert er sich nicht um seine Tochter und dann vergisst er sie. Echt super.". Natürlich verstand Liz Josies Problem. In einer anderen Situation, in der es vielleicht nicht um Pitt Engel ginge, hätte Liz etwas gesagt wie „Es ist sicher nur ein Missverständnis". Doch unter diesen Umständen blieb sie sprachlos und konnte nichts anderes tun als ihre Freundin fester in den Arm zu nehmen. Einer ihrer alten Freunde hatte mal gesagt, Liz könne gut trösten, weil sie immer einfach nur da sei ohne groß nach einer Lösung oder ähnlichem zu suchen. Sie selbst hat nie verstanden, warum ihre Rat- und Sprachlosigkeit als positiv wahrgenommen werden sollte. Jo hatte mittlerweile einen leeren glasigen Blick bekommen und starrte so einfach ein Loch in die Luft. Liz beobachtete ihre Freundin gerade sehr genau. Sie saß breitbeinig da, die Ellbogen auf die Knie gestützt. Mit einem auf und ab wippenden Bein starrte sie stumm ein Loch in die Luft, biss sich dabei krampfhaft auf die Lippe. Sie verharrte so eine ganze Weile, dann zog sie eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Hosentasche, zusammen mit einem Feuerzeug. „Auch eine?", fragte sie Liz aus Höflichkeit, die Zigarette schon im Mundwinkel steckend. „Nein danke", lehnte Liz das Angebot ab, „ ich rauche nicht.", „Ich auch nicht.", erwiderte Jo und stieß ein überspitztes Lachen aus. Sie war einfach deprimiert, völlig am Ende, das war ganz eindeutig. „Dann nehm' ich doch eine." sagte Liz schließlich und nahm sich eine Zigarette aus der noch offenen Schachtel, bevor Jo ihr das Feuerzeug reichte.

You're my star (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt