Viel zu früh stand Liz mit ihrem Fahrrad an der Bäckerei und trat nervös von einem Bein aufs andere, als endlich Jo auftauchte, auf die sie so sehnsüchtig gewartet hatte. Kaum hatte Liz sie entdeckt, rannte sie auf sie zu und schlang ihre Arme um Josies Hals. Diese war erst komplett überfordert und fiel fast von ihren Rad, konnte sich aber gerade noch retten indem sie sich an Liz festklammerte, die darauf hin auch etwas aus dem Gleichgewicht geriet.
"Äh... Morgen!", nuschelte Jo irritiert in Liz Halsbeuge und hatte die größte Mühe damit, sich aus der Umarmung zu lösen. "Morgen!", sagte Liz und schaute ihre Freundin strahlend an. "Wow, du bist zu motiviert für so nen frühen Montagmorgen.", murmelte Liz und ihre Stimme hörte sich an, als wäre sie gerade erst aufgestanden. "Freust du dich nicht, mich zu sehen?", fragte Liz, meinte es aber ganz und gar nicht böse. "Natürlich freu ich mich.", antwortete Jo schnell und lächelte nun auch, bevor sie ihre Lippen vereinte und ihre Hand in Liz Haare verschwinden ließ.
Die beiden Mädchen machten sich schließlich auf den Weg und fuhren zuerst mit den Rädern zur Fähre, mit der Fähre nach Föhr und dann nochmal mit den Rädern zur Schule. Das übliche Ritual nunmal, aber heute morgen hatten sie besonders viel Spaß dran, bis sie in der Schule ankamen und vom bitteren Schulalltag eingeholt wurden.
"Also ihr zwei...", sagte Alli, die die beiden Mädchen in der Pause auf dem Schulhof traf, "So wie ihr aneinander klebt, ist das echt nicht unauffällig mit euch aber ganz abgesehen davon-", "Ja, ich weiß.", fiel Jo ihrer Freundin ins Wort. Liz schaute sie nur verwundert an, die Beiden mussten das Gespräch schon öfter geführt haben. Jo bemerkte das Gesicht ihrer Freundin und zwang sich ein halbherziges Lächeln auf die Lippen. "Wir sollten es den anderen sagen.". Es gab wohl etwas wie eine oder sogar mehrere ungeschriebene Regeln unter den alt eingesessenen Freunden, zu denen Liz erst dazu gestoßen war. Alli erklärte überflüssiger weise: "Es wäre sonst unfair, wenn nur ich es weiß und die anderen nicht.". Das verstand Liz natürlich und sie würde es auch unfair finden, also nickte sie langsam und als sie etwas weiter gedacht hatte sagte sie voller Entschlossenheit: "Und ich bin bereit dafür. Wir können es ihnen sagen.". Und Liz war sich tatsächlich komplett sicher, dass sie das einfach so machen würde, es würde ein Klacks sein, nachdem sie das mit ihrer Mutter schon geschafft hatte. "Liz, bist du-", begann Alli in einem überaus einfühlsamen Tonfall aber Liz dachte nicht lange nach. "Ja, bin ich. Ich bin bereit und ganz sicher. Ich schaff das schon.", sagte sie und lächelte, wenn auch etwas unsicher. "Wir schaffen das.", fügte Jo hinzu, griff vorsichtig nach ihrer Hand und drückte sie. Und tatsächlich, Liz fühlte sich in diesem Moment stark und voller Selbstvertrauen und sie war so stolz, dass sie jemanden wie Jo als Freundin hatte.
Nachdem die Woche weitestgehend ruhig verlaufen war, trafen sich die Freunde nochmal traditionsgemäß Freitagabends zu sechst in der Blauen Maus. Liz, die sich sonst immer auf ihre Treffen freute, hatte heute eher gemischte Gefühle, als sie das uhrig Pub betrat. Schon den gesamten Tag plagte sie die Aufregung doch in dem Moment, wo sie den Stammtisch der Runde mit Oscar daran sitzen sah, verspührte sie nur noch Ekel. Jo, die hinter ihr aufgetauchte, drückte ihre Hand und flüsterte: "Ich weiß, aber lass dir den Abend nicht verderben von so nem Arschloch.". Auch wenn Liz wusste, dass Jo zumindest das mit dem Arschloch nicht ernst meinte, versuchte sie es ernst zu nehmen und den Rat ihrer Freundin zu befolgen. Also atmete sie tief durch, drückte Jos Hand fester und machte sich mit weichen Knien aber gleichzeitig entschlossenen Schritten auf den Weg zum Tisch und ließ sich dort neben ihrer Freundin nieder.
Kaum saß sie auf dem alten Stuhl, fühlte sie sich plötzlich ganz klein und verloren. Am liebsten wäre sie im Erdboden verschwunden. Sie hatte sich das alles so anders, so einfach vorgestellt, dass sie dachte, sie könne das jetzt so einfach gerade raus sagen. Aber es ging nicht so einfach. Im Gegenteil: Es gab in dem Moment sicherlich keinen schlechteren Gespräch-Starter, als dieses Thema, da war Liz sich komplett sicher.
Sie spürte eine warme Hand auf ihrem Knie und schenkte Jo ein gezwungenes Lächeln. "Bereit?", Liz wollte als Antwort nicken, aber sie konnte es nicht. "Kannst du anfangen?", fragte sie dann unsicher doch Jo schüttelte mild lächelnd den Kopf, "Das ist dein Outing, du musst das machen, auch wenn ich dir gerne helfen würde.". Liz sah weg, sie hatte es gewusst. Sowohl, dass sie es selbst machen musste und zwar komplett, als auch, dass Jo genau das jetzt sagen würde. Sie fühlte sich trotz dieser Tatsache nicht alleine gelassen. Sie musste es selbst veröffentlichen, aber nicht alleine. Denn sie war nicht alleine.
Immer wieder sagte sie sich das, versuchte, sich selbst Mut zu machen und hoffte einfach, dass dieser Gedanke auch den gewünschten Effekt haben würde. Also straffte sie den Rücken, atmete noch einmal tief durch und schaute ihren Freunden - so schwer es ihr fiel - direkt in die Augen. "Leute? Jo und ich, wir sind zusammen. Ich bin Bi.".
Jetzt war es raus. Unwiederruflich und eindeutig. Jeder wusste es jetzt, zumindest jeder, der ihr wichtig war. Liz hatte plötzlich nichts außer gähnender Leere in sich und dachte, wenn sie nicht kerzengerade sitzen blieb, würde ihr Körper in sich zusammenfallen. All ihr Mut war wie weggeblasen. Sie hatte erwartet, sie würde sich befreit fühlen und viel besser als vorher, doch so war es nicht. Nein, sie schaute sogar an sich hinunter, um sicher zu gehen, dass da nicht ein schweres Schild um ihren Hals hing mit der Aufschrift 'ICH BIN BISEXUEL!', dessen Kette sich kalt und unbarherzig um ihren Hals geschlungen hatte und ihr die Luft abrückte.
Für einen Moment hing die Blondiene ihren Gedanken hinterher bis sie plötzlich aufsah, wie aus einem Traum gerissen. Sie versuchte das Bild, das sich ihr bot, zu stoppen, um Zeit zu haben, jeden einzelnen Gesichtsausdruck ihrer Freunde zu deuten. Aus Reflex schaute sie zuerst zu Oscar. Man konnte nicht sagen was er dachte, nicht bestimmen, was er fühlte. Sein Gesicht war einfach leer. Sprachlos. Den Mund halb offen und die Augen starr geradeaus gerichtet. Liz wollte sich damit aber nicht länger aufhalten und ließ ihren Blick weiter wandern. Alli war ganz offensichtlich glücklich und auch ein bisschen stolz, Fabi sah völlig entspannt aus - fast schon gelangweilt - als würde man ihm das jeden Tag mindestens ein Mal aufs Brot schmieren, ganz anders als Marie. Das sonst so stille Mädchen sagte in dieser durchaus wortkargen Situation, "Na das nenn ich mal n Outing!", und hob erstaunt die Augenbrauen. Fabi, der mal wieder nur an Alkohol dachte, strich sich durch die roten Haare und hob die andere Hand in die Luft, indem er sich zur Wirtin umdrehte, "Eine Runde für uns alle, bitte! Wir haben was zu feiern.", rief er der mittelalten Frau hinterm Tresen zu, die er schon kannte, seit er als kleiner Junge seinen Vater samt Kollegen in die Bar begleitet hatte. Die Dame nickte und wusste auch offensichtlich sofort, für welchen Schnapps jetzt die richtige Zeit war, denn sie griff zielstrebig nach einer staubigen Flasche im Regal, wärend Fabi sich mit einem verschmitzten Grinsen die Hände rieb.
Es hat etwas gedauert aber finally.... der 21. Teil :) ich hoffe er gefällt euch, ist dieses mal etwas länger ausgefallen
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You're my star (girlxgirl)
RomanceDie Flucht vor ihrem Vater verlangt von Liz und ihrer Mutter ein großes Opfer: Sie müssen zu ihrem eigenen Schutz ihre Heimat verlassen, ihre Freunde zurücklassen und auf eine kleine Insel mitten in der Nordsee ziehen. Obwohl Amrum anfangs sehr verl...