Als Liz an diesem Morgen erwachte fand sie sich auf der Seite liegend neben Jo wieder, die einen Arm um ihre Taille gelegt hatte. Liz blinzelte in das morgendliche Sonnenlicht, das schräg durch das kleine Fenster fiel und so Streifen quer durch den kleinen Raum warf. Sie richtete sich etwas auf und schaute sich um. Sie war bei Jo. Das war eindeutig ihr Zimmer direkt unterm Reetdach. In einer Ecke stand ein Stapel Schallplatten, allesamt von Bands und Sängern, die Jo in keinem Gespräch unerwähnt ließ, die sich aber meistens schon längst aufgelöst hatten. Eine Sammlung von Kassetten in einem staubigen Karton befand sich direkt neben den Schallplatten. Liz konnte die Cover und Namen der Alben zwar nicht lesen, aber sie wusste genau, welche Namen sie finden würde: David Bowie, Queen, The Beatles, Dire Straights, Guns'n'Roses, The Police - um nur die zu nennen, an deren Namen Liz sich erinnerte. Typisch Jo eben. In ihrer Denkweise modern und aufgeklärt, wenn auch rational - in ihrem Musikgeschmack nostalgisch und old school. Liz ließ ihren Blick weiter wandern. Ein unordentlicher Schreibtisch war fast das einzige, was in diesem Raum nicht sortiert war. Alles andere war nach verschiedenen Systemen angeordnet: Die Bücher in dem großen hölzernen Regal waren alphabetisch sortiert, die Kassetten- und Schallplattensammlung nach Erscheinungsjahr der Alben - sogar die Klamotten in ihrem Kleiderschrank, dem eine Tür fehlte, waren nach Farben sortiert. Alles folgte bestimmten Richtlinien, alles außer die im gesamten Raum verteilten Kleider, die Liz gerade erblickte. Erst da bemerkte sie, dass sie nackt unter der weichen Decke lag. Ihre Klamotten hatten gestern Abend, als die beiden heim kamen, recht schnell ihren Weg zu dem weichen Teppich gefunden, der sich fast über den gesamten Boden erstreckte. Instinktiv rutsche Liz weiter unter die Decke und döste für ein paar Minuten wieder ein.
Eine halbe Stunde später wachte Liz wieder auf und drehte sich vorsichtig zu Jo um. Diese lag immer noch schlafend da und schnarchte leise vor sich hin. Liz lächelte bei diesem Anblick und strich eine dunkle Strähne aus Josies Gesicht. Sie begann, mit den Fingern durch die langen Haare ihrer Freundin zu streichen bis sie irgendwann ihre Hand an Jos Schläfe verweilen ließ. Erst da hörte sie auf zu schnarchen. „Morgen.", nuschelte sie und gähnte herzhaft, wärend sie die Augen ein Stück öffnete, nur um sie gleich darauf wieder zusammen zu kneifen. „Fuck... is' das hell.", mit einem gequälten Stöhnen drehte Jo ihr verschlafenes Gesicht in das Kissen um sich wie en Vampir vor dem anbrechenden Tag zu schützen. „Ist doch schön.", meinte Liz nur und grinste. Verpennt hob Jo den Kopf - ihr gesucht sah nach der innigen Begegnung mit dem Kissen recht zerknittert aus - und schaute ihre Freundin fassungslos an. „Alter. Du bist echt durchgeknallt, oder?", „Aber du nicht?", „Ich? Nein. Warum?", „Naja, ich hab nicht meine Bücher alphabetisch geordnet.", „Jaha, aber ich sitz auch nicht mitten in der Nacht auf meinem Dach und freu mich über nen verdammt frühen Morgen.", „Es ist fast halb elf!", entgegnete Liz voller Empörung und richtete sich auf. „Jaha...", sagte Jo langsam. „Das heißt...Schlafenszeit.", „Oh nein, ganz sicher nicht.". Liz lächelte und beugte sich zu Jo herunter. Diese öffnete jetzt tatsächlich vollständig die Augen und drehte sich zu Liz um, deren Gesicht über ihr schwebte. „Ach nein?", fragte sie dann mit leiser Stimme und blickte Liz tief in die Augen. „Nein.", Liz Stimme war nur noch ein Flüstern, nahe an Jos Lippen. Bevor eine der beiden noch etwas sagen konnte vereinten sie ihre Lippen und gaben sich einem langen Kuss hin. „Sag mal", begann Liz und löste sich dafür kaum von Jo, „ist die Tür eigentlich abgesperrt?". Die Brünette nickte grinsend und legte eine Hand in Liz Nacken.
„Jo? Ich fahre einkaufen, soll ich dir was mitbringen?", Liz hielt inne, dann ließ sie sich leise kichernd zurück ins Bett fallen. Jo fand die Situation nicht ganz so lustig. Genervt ließ sie ihren Kopf in ihr Kopfkissen sinken und stöhnte auf. „Jo? Bist du wach?", die tiefe brummende Stimme klang nun viel näher als zuvor, kurz darauf klopfte es an die alte Holztür und Liz konnte den grauen Haarschopf von Pitt Engel durch ein kleines Fenster in der Tür erkennen. Der Mann wartete kurz lauschend, dann schob er langsam die doch nicht abgeschlossene Tür auf. Als er in den Raum schaute, erwartete er scheinbar, weder Jo im Vollbesitzt ihrer geistigen Fähigkeiten, noch die daneben liegende, grinsende Liz zu finden. „Moin, Paps", murmelte Jo und richtete sich auf, um ihren Vater anzusehen, der leicht überrascht im Türrahmen stand. „Morgen Herr Engel", sagte Liz höflich wie sie war und hob den Kopf. Der Seebär stand da und sagte zuerst nichts. Einen Moment lang dachte Liz, er würde gleich losbrüllen. Dann schien er sich zu besinnen, atmete kurz durch und lächelte. „Hallo.", sagte er simpel und wirkte dabei freundlicher als je zuvor. „du bist Liz, richtig? Hab schon von dir gehört. Du hast damals meine Tochter entführt, nicht?", der grinsende Mann erwartete offensichtlich eine Antwort von Liz, doch die war mit der Situation absolut überfordert und starrte ihn nur ungläubig an. Aus dem grauen Rauschebart drang ein rasselndes Lachen, „Schon gut, hätt' ich in deinem Alter vermutlich auch gemacht. Also dann...", er schaute belustigt in die Runde , „Soll ich euch was mitbringen? Vom Bäcker oder so?". Jo schaute zu Liz, die gab ihr wortlos zu verstehen, dass sie schon Lust auf Frühstück hätte, und Jo trug ihrem Vater auf, zwei Croissants und zwei Brötchen mitzubringen. Der großgewachsene Mann nickte und schloss die Tür hinter sich, bevor er langsam die Treppen runterstapfte.
Jo richtete sich hingegen auf und schaute Lis ungläubig an. „Hast du das gemerkt? Er versucht gerade ernsthaft sein Leben gereiht zu kriegen." Sie schüttelte den Kopf und stand nur unmittelbar nachdem die Haustür unten zuschlug auf. „Es geschehen noch Zeichen und Wunder.", murmelte Liz und stand auch auf, um sich Klamotten von Jo überzuziehen, in denen sie zugegeben etwas unterging. „Denkst du, es ist okay für ihn, dass ich hier gepennt hab'?", fragte sie dann unsicher wärend sie die Ärmel des grauen Hoodies hochkrempelte, den Jo ihr gegeben hatte. Die Größere nickte: „Klar, er ist in letzter Zeit sowieso kaum da, hat angefangen in der Vogelkoje zu arbeiten. Ich glaub, das macht ihn richtig glücklich. Naja, wirkt jedenfalls so. Sollen wir mal Frühstück machen, wärend wir auf ihn warten?", „Ja, gern.".
Jo und Liz hatten gerade fertig den Tisch gedeckt als Pitt Engel durch die Tür kam und seine vollen Einkaufstaschen im Esszimmer abstellte. Keine Minute zu spät, dachte Liz, deren Magen gerade nicht zum ersten Mal grummelte. Also setzten sie sich alle, frühstückten gemütlich und unterhielten sich über alles Mögliche. Umso trauriger fand Liz, dass sie sich schon relativ früh auf den Heimweg machen musste. Sie und Jo machten aus, dass sie sich nachmittags nochmal bei Liz treffen würden und das gute Wetter nutzen würden, um irgendetwas zu unternehmen. Jo gab Liz zum Abschied noch einen Kuss und ließ ihre grinsende Freundin gehen.
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You're my star (girlxgirl)
RomanceDie Flucht vor ihrem Vater verlangt von Liz und ihrer Mutter ein großes Opfer: Sie müssen zu ihrem eigenen Schutz ihre Heimat verlassen, ihre Freunde zurücklassen und auf eine kleine Insel mitten in der Nordsee ziehen. Obwohl Amrum anfangs sehr verl...