Die laue Nachtluft wehte durchs geöffnete Fenster. Diese Nacht war so still, dass jedes einzelne Geräusch laut durch das dunkle Zimmer klang, wo Liz und Jo beide wach lagen.
"Liz? Warum schläfst du nicht? Es ist doch schon spät.", "Ich weiß. Aber du schläfst ja auch nicht.". Jo nickte und schaute an die Decke, antwortete aber nicht. "Was geht dir durch den Kopf? Es ist doch irgendwas.", fragte Liz und blickte ihre Freundin an. "Ach Quatsch, ich bin einfach nicht müde.", "Mag sein aber das glaub ich dir nicht. Es war ein anstrengender Tag, wie kann man danach nicht müde sein?!".
Josie wich Liz Blick aus, sie war schon immer verschlossen und vertraute anderen Menschen nicht gerne alles an, was in ihr vorging. Und sie war Amrumerin, was hieß, dass sie kein Fan von Veränderungen war und ihre Prinzipien nicht gerne über den Haufen warf. Aber Liz würde alles daran setzen, sie doch dazu zu bringen. "Schatz, ich weiß, wir kennen uns noch nicht lange. Aber ich hab das Gefühl, als würde ich dich in und auswendig kennen. Selbst wenn's nicht so ist, ich liebe dich und ich weiß, dass du dir Gedanken über sämtliche Sachen machst. Also wenn du willst, dass ich schlafe, dann erzählst du mir jetzt, über was du dir Gedanken machst.". Jo musste schmunzeln.
"Du bist furchtbar.", auch wenn Jo gerade gar nicht dazu aufgelegt war, lachte sie und schaute Liz in die Augen. "Also?", fragte diese leiser und vorsichtiger als zuvor. Sie hatte etwas Fürsorglich in der Stimme. "Liz. Sei bitte nicht böse, ja?", "Warum sollte ich böse sein?", so allmählich bekam sie Angst. "Keine Ahnung. Ich.... Ich weiß ja auch nicht. Irgendwie - ich hab Angst, Liz.", "Angst? Aber du bist hier sicher, warum hast du da Angst?", "Es ist nur -", Jo fühlte sich, als hätte sich ihr Magen einmal umgedreht, "Ich bin in Sicherheit, oder auch nicht. Was, wenn ich dich in Gefahr bringe? Deine Mutter? Wenn mein Vater kommt? Ärger macht?".
Liz ließ ihren Blick über die feinen Sorgenfalten auf Jos Stirn wandern. "Du machst dir um uns Sorgen?". Ihre Freundin nickte nur und schluckte. "Warte... lass mich das jetzt nicht falsch verstehen. Du bist gerade deinem gewalttätigen Vater entkommen und - du machst dir Sorgen um andere Leute? Nicht eher um dich selbst?", "Ihr seid nicht einfach 'andere Leute'. Deine Mutter ist großartig und du - muss ich dazu jetzt was sagen?", Liz musste grinsen und murmelte ein "Nein.", wärend sie ihren Kopf nochmal richtig ins Kissen bettete. "Jo, mach dir keine Sorgen. Echt jetzt. Dein Vater - Ach fick doch deinen Vater. Er weiß nicht wer wir sind oder wo wir sind, ob du überhaupt bei uns bist.", "Er ist garnicht so schlimm. Als meine Mum noch da war, war er ein netter Mensch. Er hat seinen Job geliebt, er hat seine Familie geliebt aber dann... naja. Er hat Probleme mit Alkohol bekommen und ist da erst vor kurzem wieder raus gekommen. Er ist gestresst, alleine und... Ich weiß, dass er nicht absichtlich so scheiße zu mir ist. Und es tut mir leid für ihn.".
Liz wusste ziemlich gut, wovon ihre Freundin sprach. "Komm mit!", sagte sie dann ganz plötzlich voller Tatendrang. "Was?", "Na los, komm schon! Ich zeig dir was.". Ohne eine Antwort abzuwarten sprang Liz auf, zog sich einen Pulli von Jo über und warf dieser eine Jacke und eine Wolldecke zu. Einen prüfenden Blick über die Schulter werfend stellte sich Liz an ihr Fenster und atmete die kühlende Luft ein.
"Fertig?", fragte sie schließlich als Jo hinter ihr auftauchte , die gar keine Gelegenheit hatte, zu fragen, was Liz vor hatte, denn sogleich war die Blonde aus dem Fenster geklettert und erklärte Jo, wie sie wohin treten müsste, um nicht vom Dach zu fallen. Liz ging an ihrer Fensterbank entlang, zog sich geübt an dem Giebel über ihrem Fester hoch, balancierte auf der schmalen Kante aus Reet bis zum höchten Punkt des Daches, um sich dort niederzulassen. Jo, etwas wackliger auf den Beinen, folgte ihr und setzte sich direkt neben sie. "Und jetzt?", "Guck...", murmelte Liz und schaute wie hypnotisiert in den Himmel. "Siehst du dieses helle Ding da? Rechts unterm Mond? Das ist der Mars. Der is nur halb so groß wie die Erde und da is es echt arschkalt. Man hat bis jetzt keine Ahnung, was es da oben alles gibt. Generell, dort ist so viel mehr, das alles ist einfach unendlich, du würdest hier losfahren und einfach kein Ende finden. Allein schon wenn du überlegst, dass unsre eigene kleine Galaxi so winzig ist im Vergleich zum restlichen Universum. Und wenn du n Bild von der Milchstraße siehst, kannst du die Erde nicht sehen, weil sie so klein ist, und trotzdem ist sie für uns schon unvorstellbar groß.", völlig verträumt schaute Liz in die unendlichen Weiten vor ihr, die für sie schon immer mehr, als nur Inspiration war. Es war wie ein Haufen voller Träume.
Jo schaute zu Liz, sie konnte das Funkeln in ihren blauen Augen sehen. "Du bist süß.", flüsterte sie schließlich und legte einen Arm um ihre Freundin. "Weißt du, es ist scheißegal, was wir hier machen, was hier passiert oder was schief läuft. Es ist nicht so wichtig wie wir denken. Wir sind doch nur die winzigen Bewohner eines kleinen Planeten, in einem armeisengroßen Sonnensystem, das in einer unwichtigen Milchstraße zwischen tausend anderen Sonnensystemen rumschwirrt. Für das alles sind wir nur Bakterien. Und unsere Probleme nur Atome. Wir können alles irgendwie schaffen, und wenn wir es nicht schaffen - wen stört das schon? Alles was vor uns liegt, was wir bewältigen müssen, das sind eigentlich nur Mückenfürze. Es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht schaffen können.". Liz wandte ihren Kopf zu Jo um und schaute ihr in die Augen, wo sie tatsächlich einen kleinen Schimmer Hoffnung fand. "Na dann...", sagte Jo, "Dann bist du mein Lieblings-Bakterium.". Beide lächelten und küssten sich kurz und sanft, bevor sie die Decke über sich ausbreiteten und sich aneinander kuschelten. Leise wünschte sich Liz, dass sie diesen Moment einfangen, festhalten und nie wieder loslassen könnte. Diese Nacht sollte nie zu Ende gehen.
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You're my star (girlxgirl)
RomanceDie Flucht vor ihrem Vater verlangt von Liz und ihrer Mutter ein großes Opfer: Sie müssen zu ihrem eigenen Schutz ihre Heimat verlassen, ihre Freunde zurücklassen und auf eine kleine Insel mitten in der Nordsee ziehen. Obwohl Amrum anfangs sehr verl...