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Jo verabschiedete sich am Dienstagnachmittag von Liz und fuhr mit dem Bus nach Hause, ließ ihre Freundin jedoch nicht ohne Sorgen zurück. Und das wusste sie auch, obwohl Liz es nicht mal erwähnt hatte. Natürlich gab es mehr Gründe für Liz, Jo nicht einfach so gehen zu lassen, welche ebenfalls unausgesprochen glasklar waren. Trotz allem ließ Liz sie gehen. Ihr war bewusst, dass es für Jo vermutlich das Beste war.

Dennoch blieb Liz ein mulmiges Gefühl, das sie auch so schnell nicht loswurde. Ihre Mutter war noch auf der Arbeit und so saß sie noch bis zum frühen Abend alleine in ihrem Zimmer. Dann hörte sie endlich Schlüsse im Türschloss und sprang auf. Liz ging die knarrenden Treppenstufen nach unten und begrüßte ihre Mutter, die in der Küche stand und Pfannen aus einem Schrank holte. „Hi.", begrüßte Liz sie, woraufhin Fenja Sörens herumfuhr und sich den Kopf an der offenstehenden Schranktür stieß. Sie verzog vor Scherzen das Gesicht und brachte zwischen zusammengebissenen Zähnen ein „Hallo, Schatz." hervor. „Geht's?", fragte Liz vorsichtig mit unterdrücktem Lachen und schaute dabei zu, wie ihre Mutter sich aufrichtete und den Kopf rieb. „Lach nicht, das tut weh!", schimpfte Fenja gespielt beleidigt und deutete streng mit dem Zeigefinger auf ihre Tochter, die nur abwehrend die Hände hob. Letzten Endes mussten sie jedoch beide lachen. Liz half ihrer Mutter dabei, Kartoffeln zu schälen und in mundgerechte Stücke zu schneiden und erzählte parallel von ihrem Tag und der Verabschiedung von Jo. Es tat gut, mal wieder mit ihrer Mutter zu plaudern und endlich alles los zu werden. Es war, als hätte Frau Sörens die Wärme ins Haus zurückgetragen, die vorher mit Jo gegangen war.

Nach einem gemütlichen Abend fand Liz sich in ihrem Bett wieder, die Haare noch nass und nach Vanilleshampoo duftend und in einen frischen kuscheligen Schlafanzug gehüllt. Vor einer Stunde etwa hatte Liz noch mit Fenja zusammen den Sonnenuntergang sowie ein Glas Rotwein genossen, doch jetzt, nach einer ausgiebigen Dusche und einem kleinen Wellnessprogramm mit allem Drum und Dran, war es draußen stockdunkle Nacht. Auch wenn die Tage auf der kleinen Insel mittlerweile etwas kühler waren als noch zum Schulanfang, hing die nächtliche Luft immer noch schwer vor dem Fenster und wurde nur gelegentlich von einer trägen Windböe hineingeweht. Trotzdem kuschelte Liz sich in ihre Decke ein und verlor sich für eine Weile in alten Bildern, die sie noch auf ihrem Handy hatte. Plötzlich vibrierte ihr Handy und ihr Herz machte einen kleinen Freudensprung: Es war eine Nachricht von Jo. „Heyyy", schrieb sie. „Hi, na? Alles gut bei dir?", tippte Liz und sendete die Nachricht ab. „Ja, mach dir keine Sorgen ", antwortete Jo innerhalb von Sekunden. „Nein, mach ich schon nicht.", und doch, natürlich war sie besorgt. Mehr sogar, sie hatte fast Angst, einzuschlafen, falls heute Nacht etwas bei Jo passiere und sie nicht sofort da sein könne. „Na dann, war 'n langer Tag. Ich geh schlafen wenn's dir nix ausmacht.", lautete die Nachricht, die als nächstes von Jo kam. Ohne auf den letzten Teil der Nachricht einzugehen, schrieb Liz: „OK, halt mich auf dem Laufenden. Gute Nacht <3, hab dich lieb! ". Dann wartete sie noch die Antwort, bestehen aus „Mach ich, hab dich auch lieb. Schlaf gut! <3", ab und legte sich dann schlafen – natürlich nicht, ohne den Klingelton ihres Handys auf maximale Lautstärke zu stellen, um nichts zu verpassen.

Die auf diese Nacht folgende Woche verlief weitgehend normal. Liz ließ sich von Jo jeden Morgen in der Schule ausführlich Bericht erstatten, wie es mit ihrem Vater und seinem Entzug voran ging und auch sonst hielten sie Kontakt. Jo schrieb Liz jeden Nachmittag und jeden Abend, einfach weil sie nicht wollte, dass Liz zu besorgt war. Und ihre Taktik ging auf: Liz atmete jedes Mal auf, wenn sie den Klingelton ihres Handys hörte, der ihr sagte, dass Jo geschrieben hatte.

Am Freitagabend wurde endlich mal wieder ein Treffen mit der ganzen Truppe einberufen. Wie die Tradition es wollte trafen sie sich alle in der Blauen Maus, setzten sich an ihren Stammtisch und tranken das ein oder andere Bier. Doch dieses Mal hielten sich alle mit dem Alkohol etwas zurück. Sie hatten wohl von der Sache mit Pitt Engel gehört und wollten es vermutlich aus Anstand und Rücksicht vor Jo nicht übertreiben. Es war natürlich trotzdem schön, alle wieder zu sehen. Das letzte Mal war zwar erst eine Woche her, doch Liz kam es vor wie eine Ewigkeit. Es wurde ausgelassen gelacht und getratscht und Fabi gab sogar alte Seemannslieder zum Besten. Die aufgelockerte Stimmung hatte jedoch vor allem eines zur Folge: Oscar, der sich zwischendrin kurz verdrückte um eine Raucherpause einzulegen, und Liz, die sich zu ihm gesellte, begruben ihr Kriegsbeil. „Gibst du mir eine ab?", fragte Liz mit einem Kopfnicken in Richtung Zigarettenschachtel, kurz nachdem sie sich neben Oscar gegen die Wand gelehnt hatte. Er hielt ihr die Schachtel und ein Feuerzeug hin, mit dem sie sich eine Zigarette angesteckte. Liz nahm gerade einen tiefen Zug, als Oscar fragte: „Warm bist du hier? Hast du keine Angst, dass ich dich gleich vergewaltige." Er klang eingeschnappt, wenn nicht sogar zutiefst beleidigt. Und da war Liz kurz davor, die Fassung zu verlieren. Doch sie schaffte es, ruhig zu bleiben und schaute ihn nur lässig von der Seite her an, während sie Rauch aus ihren Lungen entließ. „Nein.", sagte sie dann langsam und drehte sich zu Oscar, „Aber du weißt genau, warum ich hier bin.". Der Junge, der die ganze Zeit an den dunklen Himmel gestarrt hatte, gab nun ein schnaubendes Geräusch von sich und ließ den Kopf hängen. „Ok", sagte er dann und schaute Liz an. „Hör zu. Du gehörst jetzt zu uns, also bist du mir auch irgendwie wichtig, obwohl ich – obwohl wir dich kaum kennen. Was da neulich passiert ist... ich kann's nicht erklären. Ja, ich hatte getrunken – zu viel getrunken – und das weiß ich auch aber das hätte mir trotzdem nie passieren dürfen. Ich kann es nicht rückgängig machen, so gern ich das auch will. Jedenfalls tut's mir aufrichtig leid und ich verspreche dir und allen anderen Frauen dieser Welt hoch und heilig, dass sowas nie wieder vorkommen wird. Und wenn du mir nicht verzeihen willst oder kannst oder wenn du Zeit brauchst, dann respektiere und versteh ich das. Weil ich fänd's auch nicht so geil im Suff von so einem Kerl geküsst zu werden, also jetzt nicht generell – ich mein – äh... also, du weißt was ich meine, oder?". Ja, diese Ansprache hatte Liz tatsächlich nicht erwartet. Oscar war wärend seiner ausführlichen Entschuldigung vor Liz getreten und gestikulierte wild umher, wärend sein Gesicht vor allem im letzten Satz ziemlich rot angelaufen war. Jetzt sah er sehr danach aus, als hätte er sich mit seiner Rede selbst überrascht. Völlig wirr stand er da und realisierte gerade erst, dass seine Zigarette zwischen seinen Fingern langsam weiter glühte und ohne ihn abbrannte. Ihm stand der Mund offen, was doch ziemlich lustig aussah, kombiniert mit dem leicht flehenden und zugleich verwirrten Gesichtsausdruck. In dem Moment öffnete sich unvermittelt die Tür und Fabi steckte den Kopf raus. „Kommt ihr zwei bald nochmal rein? Wir vermissen euch schon ganz doll.". Liz lachte und erklärte, dass sie bald kämen. „Und?", fragte Oscar nachdem Fabi verschwunden war. „Auf einer Skala von eins bis zehn? Eine gute acht, würde ich sagen.", meinte Liz mit einem Schmunzeln im Gesicht. „Nein, ich meine, ob du meine Entschuldigung annimmst.", sagte der Junge schon ganz verzweifelt, da er offensichtlich dachte, dass Liz es tatsächlich ernst meinte. „War nur Spaß. Entschuldigung angenommen.", Oscar lachte erleichtert auf und nahm Liz in den Arm. Dann beschlossen sie, nochmal zu den anderen zu gehen, die gerade ganz gespannt einer Geschichte von Alli lauschten.

So schnell geht das, wenn Ferien sind! Hier ein neuer Teil für euch, ich hoffe, er gefällt euch :)

Außerdem noch eine Frage: Ich hatte neulich die Idee, ein kleines Special zu machen, in dem jede Woche  (oder auch mehrmals die Woche) ein Teil gepostet wird, in dem die Hintergrundgeschichte eines Nebencharacters beleuchtet wird. Das ganze natürlich verpackt in eine kleine Geschichte. So könnte man etwas von den Geschehnissen wegkommen, die sich nur auf Liz und Jo beziehen und etwas mehr über den Rest der Clique erfahren.

Was haltet ihr von der Idee?

Freue mich über eure Rückmeldungen und hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen <3

You're my star (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt