12. Kapitel

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Stille.
Espasa hatte genau das ausgesprochen, was ich und vermutlich auch Doom die ganze Zeit vermutet, aber niemals zu denken gewagt hatten.
Im nächsten Moment fiel mir allerdings ein, das eine Horde von Pokémon hinter mir darauf wartete, an den Ort geführt zu werden, an dem ich meine Tochter verloren hatte.
"Wenn es das ist", erwiderte ich mit einer Stimme, die so fest war, dass ich mich selbst überraschte, "Dann werden wir sie aufhalten, hier und jetzt." Mit diesen Worten drehte ich mich herum und stürmte los, aus der Höhle hinaus, unter den dämmernden Himmel. Ich hatte keine Ahnung, woher ich diese Zuversicht nahm. Eigentlich war ich von mir selbst gewöhnt, in solchen Situationen den Schwanz einzuziehen, das Beste zu hoffen und darauf zu warten, dass irgendjemand anderes mit einem Plan um die Ecke kam, um uns allen das Leben zu retten.
Strenggenommen war das zwar auch der Fall, schließlich handelte ich nur auf Dooms Befehl hin, aber ich hatte immerhin den Mut gefunden, um zu Hoffen. Und das war etwas, was ich das letzte mal, als ich mit Dakrai und seinen Schergen konfrontiert gewesen war, nicht gefühlt hatte. Damals war Espasa aber noch nicht an meiner Seite gewesen, sondern hatte mir als Feind gegenübergestanden. 
Während ich eilig durch das Unterholz am Ufer des leeren Flussbettes pirschte, das Tappen von unzähligen Füßen verriet mir, das Dooms Anhänger mir dicht auf den Fersen waren, warf ich einen Seitenblick zu dem Psiana. Ihr aktueller Zustand gefiel mir nicht. Auch, wenn sie offensichtlich versuchte, es zu überspielen, war mir klar, dass sie nicht mehr den Kampfgeist besaß, den sie früher einmal in sich getragen hatte. Sie wirkte so ermüdet. So hoffnungslos. Als gäbe es nichts mehr, das sie irgendwie vom unweigerlichen Tod oder schlimmerem abhalten wurde. 
Wenn selbst Espasa, der Inbegriff einer Kämpfernatur, in diesem Moment die Hoffnung verloren hatte - wie sollte ich, ein schwächliches Nachtara ohne Kampferfahrung, es schaffen, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken?
Kleine Tränen schossen mir in die Augenwinkel, doch ich blinzelte sie weg, so gut es mir möglich war, und beschleunigte meinen Schritt noch einmal. 
Wir hasteten durch dichtes Unterholz, übersprangen ein paar umgestürzte Bäume und herumliegende Felsen, bis wir in einen Bereich des Waldes kamen, der mir bekannt vorkam. Hier war ich gewesen, als ich Samira mir Jolt gesehen hatte. Noch einmal das letzte aus mir herausholend preschte ich los, den Weg entlang, den das Blitza geflohen war, bis ich schließlich wieder an der Stelle war, an der ich es verloren hatte.
"Hier", keuchte ich, als würde mir irgendwer zuhören, "Hier habe ich Jolt und Samira das letzte Mal gesehen."
"Alles klar." Scheinbar hatte Doom mich tatsächlich gehört, denn in der nächsten Sekunde erschallte seine Stimme von irgendwo hinter mir. "Dann legen wir los. Wir suchen nach einem weiblichen Evoli, das in Begleitung von einem männlichen Bitza unterwegs ist."
Keine zwei Sekunden später setzte das Hundemon auch schon neben mich und stupste mir in die Seite. 
"Kaito", murmelte er, erstaunlich ruhig, "Ich habe eine Idee. Weißt du, wo wir hier sind?"
Stumm schüttelte ich den Kopf, woraufhin er fortfuhr.
"Wir sind ganz in der Nähe von dem Ort, an dem Devoira sich niedergelassen hat. Es müsste von hier aus nicht einmal eine Minute zu ihr sein. Ich dachte... wir könnten vielleicht zu ihr gehen." Sein Ohr zuckte nervös, als ich perplex zurückblinzelte. Doom war der Anführer. Er entschied, was wir als nächstes taten und es war so gar nicht seines, offenbar auf meine Zustimmung zu warten.
"Ähm... wenn sie uns helfen kann." Ich ließ einen unruhigen Blick durch die Gegend schweifen. Die mich begleitenden Pokémon waren in alle Richtungen davongeschwirrt, manche von ihnen suchten nach Fußspuren, abgebrochenen Zweigen oder zertretenem Gras, andere schnupperten eifrig auf der Suche nach frischen Gerüchen. 
Ich konnte diesen Pokémon nicht beistehen. Es war niemals meine Absicht gewesen, irgendwen zu verfolgen, weshalb meine Fähigkeiten im Spurenlesen gelinde gesagt nicht sonderlich ausgeprägt waren. Alles, was ich nun tun konnte, war darauf zu warten, dass andere meine Tochter fanden, damit wir sie beschützen konnten - was eigentlich meine Aufgabe gewesen wäre, auch, wenn ich nicht ihr leiblicher Vater war. Ich hatte mich an den Gedanken immer noch nicht gewöhnt. 
"Ich hoffe es. Sie... sie muss uns einfach helfen können!" 
Mit diesen Worten wandte Doom sich herum und sprintete los. Ich nahm das als stumme Einladung, ihm zu folgen.

Rise of Darkness (Pokémon FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt