2. Kapitel

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Sofort spitze ich die Ohren.

„Ein rosanes Pokemon, das mich sprechen will?", fragte ich noch einmal nach, ohne eine Antwort zu erwarten. In meinem Kopf arbeitete es. Ich ging alle rosanen Pokemon durch, die vielleicht mit mir reden wollten.

„Ja", Sakura sah mit großen Augen zu mir hoch. „Ist das schlimm?"

„Was? Nein, nein." Ich schüttelte hastig den Kopf und sah zu meinen Töchtern. „Wo finde ich dieses Pokemon?"

„Sie hockt hinter dir im Gebüsch", erklärte Samira, wie als sei das selbstverständlich, „Sie hat dich kommen hören und hat sich daraufhin versteckt, weil sie uns erst die Nachricht überbringen lassen wollte."

Wie als habe man mich von hinten attackiert fuhr ich herum und musterte das Unterholz, das den See umgab. Samira erlaubte sich zwar gerne mal einen Spaß mit mir, aber sie war auch sehr klug und musste gemerkt haben, wie nervös ich geworden war. Und unter solchen Umständen würde sie mich nicht reinlegen.

Als ich zwischen den Ästen etwas aufblitzen sah, hatte ich Gewissheit. Sie hatte die Wahrheit gesagt. Ich kniff kritisch die Augen zusammen und achtete auf jedes Zucken hinter den verworrenen Pflanzen.

Die Äste trennten sich und ein vierbeiniges Wesen trat dazwischen hervor. Ihre ausdruckslosen, lilanen Augen versuchten, meinen Blick aufzufangen, und als wir uns ansahen, erkannte ich sie sofort.

Sie war nicht mehr so dürr, wie ich sie in Erinnerung hatte – ihre Rippen waren nicht mehr zu sehen und auch allgemein sah sie viel besser genährt aus. Ihr rosanes Fell war sauber und ordentlich und ihre Beine wirkten viel trainierter und nicht nur zart. Man sah ihr an, dass sie viel gewandert sein musste.

Dennoch, die Narben an ihren Schultern und Flanken, der gesplitterte Stein auf ihrer Stirn, der Riss in ihrem Ohr und vor allem die Art, wie sie mich ansah, sprachen ihre eigene Sprache: Das war sie. Das war das Pokemon, dass mich vor fast eineinhalb Jahren überfallen und in einer Höhle voller Verrückten eingesperrt hatte. Das war das Pokemon, dass irgendwann auf meine Seite gewechselt war, nachdem ihre Freunde sie verraten hatte, und mir geholfen hatte, aus eben dieser Höhle zu entkommen. Das war das Pokemon, ohne das ich heute nicht hier wäre. Espasa. Es bestand überhaupt kein Zweifel. Das musste Espasa sein.

Das Psiana musterte mich einmal kurz, dann trat sie zögerlich einen Schritt auf mich zu.

„Shine?", fragte sie vorsichtig, während ihre Nase verdächtig zuckte.

„Espa?", antwortete ich mit einer Gegenfrage. Aus dem Augenwinkel sah ich Samira erstaunt die Augen aufreißen, es schien sie wirklich zu überraschen, dass ich dieses Wesen kannte.

Espasas Gesicht hellte sich auf. „Du bist es wirklich", hauchte sie andächtig, dann trat sie noch näher und ließ sich nieder. „Lange nicht gesehen", fügte sie lässig hinzu.

„Das kannst du laut sagen" ich zuckte mit den Ohren, „Wie lange bist du schon wieder in dieser Gegend?"

Nach unserer gemeinsamen Flucht hatte Espasa sich dazu entschieden, auf eine Reise zu gehen, um etwas von der Welt zu sehen. Sie hatte ihr Leben lang in einer dunklen Höhle gelebt und nie mehr als die nähere Umgebung kennen gelernt. Seitdem lebte sie als Reisende und hatte keinen festen Wohnort. Zumindest war es mir so erzählt worden.

„Nicht lange. Nicht einmal eine halbe Mondphase", Espasas Blick löste sich von mir und richtete sich auf Sakura und Samira, die hinter mir standen und unser Gespräch schweigend verfolgten. „Sag mal, Kaito, täusche ich mich ganz gewaltig oder sind diese beiden hinreißenden Kreaturen dort hinter dir deine Töchter?"

Rise of Darkness (Pokémon FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt