1mal Kaffee und einmal Tee

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Es dauerte ganze drei Tage, bis meine Eltern abreisten. Drei Tage in denen ich den Gedanken an Rue hinterherhing, während meine Mutter mich dauernd nach meinem Wohlbefinden fragte und mein Dad unsicher sein Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. Mit ihrer Offenheit war Pauline tatsächlich sowas wie ein schwarzes Schaf in unserer Familie. Dad war notorisch Nervös und Mum – ja, Mum. Sie war wie sie war. Dauernd besorgt und von Angst geplagt. Manchmal fragte ich mich, wie es den beiden überhaupt möglich gewesen war, nicht nur eins, sondern gleich zwei Kinder in die Welt zu setzen und sie auch noch zu einigermaßen überlebensfähigen Menschen zu erziehen.

Wobei man sich bei dem Punkt natürlich streiten konnte.

Trotz allem schien es Rue wenig auszumachen, meiner seltsamen Familie über den Weg gelaufen zu sein. Jedenfalls schien ihr die Tatsache weniger weltbewegend zu sein, als ich aus ihr machte – aber in meiner Familie waren wohl alle bekannt dafür, aus Mücken gewaltige Mammute zu machen. Doch Rue war wie immer vollkommen im reinen mit sich. Eine gewisse Ruhe umgab sie ununterbrochen, wofür ich sie mehr als nur beneidete. Vielleicht war das auch einer der Gründe, wieso ich mich so angezogen von ihr fühlte, wie ein Motte vom Licht – ich verzog das Gesicht bei dem Gedankengang und riss meinen Blick von ihr los, konzentrierte mich stattdessen auf das Säubern der Maschine und die restlichen Aufgaben, die am letzten Dienst hängen blieben. Rue saß in der Ecke in einem der Sessel, die Beine angewinkelt und ein Buch aufgeschlagen. Die gemeinsamen Abende erschienen mir fast wie ein kleines, verbotenes Ritual und inzwischen bat ich nur noch um die Spätschichten, damit noch viele weitere folgen konnten.

Eigentlich war ich mir gar nicht sicher, wann wir beschlossen hatten, aus dem einmaligen Beisammensitzen ein Dauerhaftes Ereignis zu machen, doch beschweren würde ich mich keinesfalls. Auch heute brühte ich mir noch einen grünen Tee auf, stellte den Timer und kassierte mir selbst zwei Dollar ab ehe ich begann die Kasse abzurechnen. Auch heute versuchte ich dabei höchstkonzentriert auf die Noten zu blicken und nicht dauernd zu Rue herüber zu schielen. Auch heute schmunzelte sie, als mein Handy klingelte und als ich ihr einen Blick zu warf, konnte ich das Grübchen in ihrer rechten Wange erkennen. Ich musste lächeln und vergaß dabei beinahe meinen Teebeutel.

Auch wenn alles darauf hindeutete, dass dieser Abend genauso werden würde, wie seine Vorfahren, lag eine gewisse Anspannung in der Luft. Rue, die sonst kaum den Blick von dem Text vor ihr abwenden konnte, sah sie immer wieder aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit; wechselte die Sitzposition. Kleinigkeiten die mir erst im Nachhinein auffallen würden. Dinge, auf die kein ein Mensch achtete.

Doch kaum hatte ich mich abgestempelt und in dem Sitz Rue gegenüber niedergelassen, hob sie erneut den Blick von ihrem Buch und verkündete: »Wir sollten etwas unternehmen.«

»Tun wir das nicht gerade?«, fragte ich und nippte an meinem Tee.

»Du lernst und ich lese – im Grunde tun wir das in jeder Vorlesung, die wir besuchen.«

»Du liest also in jeder Vorlesung?«

Sie gab mir einen Stoß mit ihrem Fuß und wir lachten. »Du weißt genau was ich meine.« Ich wagte mir im Grunde gar nicht auszumalen, was sie meinen könnte, aus Angst, meine Hoffnungen viel zu hoch anzusetzen.

Also klappte ich meine Unterlagen wieder zu und sah ihr unverwandt ins Gesicht. »Was willst du machen?« Ich während des Wartens in die Augen zu blicken, erschien mir mitunter das schwierigste zu sein, dass ich je hatte tun müssen.

Sie zuckte zunächst lediglich mit den Schultern, dann trommelte sie mit den Fingernägeln gegen ihr Buch und als sie schließlich zum Sprechen ansetzte, klappte sie den Mund hastig wieder zu und wandte den Blick wieder ab.

»Wir könnten ja sehen, was es am Samstag so zu machen gibt?«

Rues Blick wanderte vom Fenster zu mir herüber und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. »Selbe Zeit, selber Ort?«

»Ich könnte mir keinen – naja, klingt ideal, meine ich.«, krächzte ich nervös hervor und musste mich räuspern, um den nächsten Satz irgendwie vollständig und verständlich herauswürgen zu können: »Ich freue mich.«

Rue lächelte und das Grübchen tauchte wieder auf. »Ich mich auch.«

Mir fehlen noch knapp 3K Worte um die Frühlingsputzchallenge zu bestehen und statt sie zu schreiben, habe ich ein Nickerchen gehalten und gehe jetzt zur Arbeit - ob ich mich noch krank melden kann?

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