Wann ist eigentlich Frühling? Wenn die ersten Frühblüher sich zeigen? Oder doch erst mit dem offiziellen Frühlingsanfang? Wenn die Luft sich verändert? Wenn man die Wärme und den Duft von Blume riecht? Wenn die Menschen wieder gut gelaunt sind?
Er lächelt dem Licht entgegen, welches sich den Weg durch die kleinen Löcher in seiner Jalousie gebahnt hat. Das helle Leuchten verspricht, dass es endlich warm ist, dort draußen vor dem Fenster, welches noch vor kurzem nachts geschlossen bleiben musste, weil es so kalt war. Schon nahezu beschwingt steht er auf. Heute wird ein guter Tag, sagt er zu sich. Es wird ein guter Tag, weil er so gut gelaunt ist. Er fährt sich durch die kurzen Haare. Noch immer fühlt sich das seltsam an, denn vor kurzem waren sie noch länger. Aber heute stören ihn solche Details nicht, denn heute ist er gut gelaunt.
Beim Frühstück, was er wie immer alleine zu sich nehmen muss, will er fast singen, weil er heute so glücklich ist. Wer wäre das heute auch nicht? Es ist doch wunderbar, wenn man die Glastüre zum Garten hin weit offen stehen lassen kann, um jederzeit den wunderbaren Duft des Frühlings in der Nase haben zu können. So vergeht der Rest des Vormittags und nach dem Läuten der Glocken um zwölf Uhr mittags beschließt er, sich nun für die restlichen Sonnenstunden des Tages, welche ja leider limitiert sind, draußen aufzuhalten.
Der kleine Bach, sein persönliches Bildnis für Entspannung und im Reinen mit sich selber sein, plätschert wie immer vor sich hin. Er hat den Damm aus Stöcken, den die kleinen Kinder heute früh schon gebaut haben, bereits weggespült, nur ein kleiner Zweig klemmt noch zwischen den Steinen, fast losgelöst, aber nicht ganz, in der leichten Strömung schwankend. Der Junge beugt sich vor und löst den dünnen Stock mit Leichtigkeit.
Im Wasser sieht er flüchtig sein Abbild und beugt sich vorsichtig weiter vor. Er weicht seinem Aussehen nicht mehr aus, wie noch vor einem Jahr, trotzdem ist es manchmal schwer, dieses Gesicht länger als drei Sekunden zu betrachten. Aber heute ist ein guter Tag, deshalb ist es ihm egal, was andere von ihm halten. Für heute bleibt er dabei, dass er zufrieden mit sich ist und er wird nicht versuchen etwas zu ändern.
Nach kurzer Zeit löst er sich auch wieder von seinem eigenen Abbild, welches durch fallende Regentropfen nur noch unscharf zu sehen ist. Sein Blick wandert nach oben, wo sich inzwischen ein paar kleine Wolken angesammelt haben. Doch es riecht zum ersten mal in diesem Jahr nicht kalt und nass, sondern nach Sommerregen. Die schwere Luft ist warm und riecht noch immer nach den Blüten, welche er auf seinem Rückweg am Wegesrand und in Gärten betrachten kann. Und er hat sich an seine Gedanken gehalten, denn der Tag war schön. Jeder einzelne Moment von ihm war wunderbar und entspannend.
Als er im Dunkeln in seinem Bett liegt, denkt er noch einmal darüber nach. Frühling ist nichts Äußeres, es ist eine Einstellung. Es ist die Art, mit der der Mensch die Welt sieht, wenn sie wieder wärmer wird. Er nimmt die Farben wieder mehr wahr und er freut sich darüber. Das ist Frühling.