~7~ Anruf

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Die Nacht hatte Ellie kein Auge zu getan. Tausende und abertausende Gedanken sind ihr durch den Kopf gegangen, haben sie wach gehalten, daran gehindert zu schlafen.
Sie hatte Alec gestern indirekt gestanden, dass sie ein Geheimnis hatte. Und sie glaubte kaum, dass der Cowboy so dumm war, um das nicht erkennen zu können. Ellie wusste, er würde sich Gedanken darüber machen, würde überlegen, was sie wohl meinte.
Aber sie wusste auch, dass Alec sie zu nichts drängen würde. Er würde sie nie dazu zwingen, etwas zu machen, was sie nicht wollte. Und das wusste sie zu schätzen.

Eine Sache war der Teenagerin aber auch bewusst. Und zwar die Tatsache, dass sie es ihnen, den Männern, aber vor allem Alec, sagen wollte. Unbedingt! Ja, sie kannte die beiden Liedsänger erst eine Woche, dennoch vertraute sie ihnen. Ihr Kopf machte ihr da jedoch noch einen kleinen Strich durch die Rechnung, durch all diese Fragen, die auf das Schlimmste hinaus liefen.
Doch ihr Herz war sich schon sicher, wollte es unbedingt tun. Nach sechszehn Jahren wusste es, es war an der Zeit, die Wahrheit zu sprechen. Für Ellie! Für ihren Daddy! Für ihren Dad!
Und als die Klingel der Haustür erklang, war die Entscheidung gefallen. Sie würde es machen! Definitiv!
Sicheren Schrittes ging sie zur Tür und öffnete sie schwungvoll.
,,Morgen Girl!" grinste Alec sein Gegenüber breit an, seine braunen Augen glänzten glücklich an diesem Morgen.
,,Morgen Cowboy! Komm rein." lächelte Ellie glücklich zurück, innerlich war sie unfassbar aufgeregt.
,,Setz dich doch." meinte sie und deutete anbietend auf das Sofa. Er kam der Bitte nach und schaute gespannt zu Ellie auf, welche jedoch nicht weiter sprach. Zu bedeutend war der folgende Schritt, als dass sie etwas falsches sagen könnte.
,,Und?" hakte Alec abwartend nach.
Nevös strich sie mit ihren leicht schwitzigen Händen über ihre Oberschenkel, biss sich leicht auf ihre Unterlippe. Die glückliche Seite an Ellie wich der nervösen, unbehaglichen Seite. Doch sie hatte es sich vorgenommen und sie würde es auch durch ziehen!

,,Phu... Also, wie soll ich anfangen?" sprach Ellie die Frage an sich selbst laut aus, schritt, wie ein nervöser Tiger im Käfig, vor Alec auf und ab.
Dieser merkte sofort, dass sie nun das Geheimnis lüften wollte, dass es ihr unfassbar wichtig war und doch schwer zu fallen schien.
,,Okay. Du hast wahrscheinlich bemerkt, dass die Frage nach dem Verbergen eines Geheimnisses eher auf mich bezogen war, richtig?" Sie hielt inne, wandte sich nervös dem Cowboy zu.
,,Ja." antwortete er knapp und ehrlich.
,,Es geht um Folgendes:" Ellie begann wieder auf und ab zu schreiten, ihr Hände aneinander reibend. Dann blieb sie wieder stehen, und was nun in ihren Augen lag, vermochte Alec nicht zu deuten. Es war eine Mischung aus positiver Aufregung, Nervosität, Angst, Zweifel, Vertrauen, Trauer und Glück.
,,Weißt du noch, als Sascha gestern..."
begann sie, wurde jedoch von dem Klingeln ihres Handys unterbrochen.
Genervt stöhnte sie, zog es aus ihrer Hosentasche und drückte den Anrufer einfach weg.
,,Was ich sagen wollte. Sascha meinte doch gestern zu..." Es klingelte erneut. Verzweifelt nahm sie es erneut und war überrascht, als sie Rog als Anrufer erkannte. Sonst rief immer Brian an. Doch es war ihr egal und so drückte sie ihn erneut weg.
,,Er sagte, ich..." Und schon wieder klingelte es.
,,Geh doch ran, Ellie. Es scheint wichtig zu sein." lächelte Alec die Teenagerin ermutigend an, auch wenn er gerne direkt gewusst hätte, was sie sagen wollte.
Sie nickte und hob ab.

,,Endlich! Ellie, warum hast du mich weg gedrückt?!" rief Roger aufgewühlt in den Hörer.
,,Sorry, ich war gerade dabei..."
,,Wie auch immer. Ellie, es geht um Brian." Sie hörte sofort die Ernsthaftigkeit und Verzweiflung in der Stimme ihres Freundes. Und sie wusste, dass etwas geschehen war.
Aufgewühlt schaute sie zu Alec, Panik lag in ihren Augen.
,,Was ist passiert?" hauchte sie, wollte die Antwort am liebsten gar nicht erst hören.
,,Er hatte einen schweren Autounfall. Ellie, Biran liegt im Koma." Trauer lag in seiner brüchigen Stimme.
,,Nein. Nein, das kann nicht sein. Du..." Ellie konnte es nicht glauben, wollte es nicht.
,,Tut mir Leid, Honey. Aber es ist so. Leider..."
Das Gesicht der Teenagerin wurde auf einen Schlag blass wie eine Leiche.
Ohne noch etwas zu sagen legte sie auf, stand einfach nur da und starrte ins Nicht.

,,Ellie?" besorgt musterte Alec sein Gegenüber. Doch sie regierte nicht.
,,Ellie?" wiederholte er sich, noch besorgter als vorher, erhob sich und stellte sich vor sie.
,,Girl?" sachte berührte er sie am Arm, was sie zusammenzucken ließ.
Sie war wieder im hier und jetzt. Spürte die Verzweiflung und unendliche Trauer in ihr aufkochen.
,,Al..." hauchte sie traurig, konnte sich nicht mehr halten.
Hemmungslos fing sie an zu weinen, bekam sich gar nicht mehr ein.
Alec drückte sie trösten an sich, streichelte ihr behutsam über den Rücken. Sie lehnte sich stützend gegen seine Brust, weinte.
,,Scht, alles wird wieder gut, Ellie. Du brauchst nicht zu weinen." sprach er leise, beruhigend.
,,Aber... Aber er liegt im Koma, Alec! Brian liegt im Koma!" schniefte sie und löste sich aus Alecs schützender Umarmung. Ihre Augen waren rot angelaufen und nach wie vor mit Tränen gefüllt.
,,Das tut mir so Leid, Ellie. Er bedeutet dir viel, oder?" Bitter lächelte Al Ellie an. Er wusste, wie es war, jemanden den man liebte, leiden zu sehen.
,,Ja. Er ist alles für mich, nachdem meine Väter gestorben sind. Und jetzt... Jetzt liegt er im Koma." Traurig schaute sie den Boden an, schüttelte verzweifelt den Kopf.
,,Ich muss zu ihm." nuschelte sie kaum hörbar und verschwand, ohne ein weiteres Wort, im Flur. Dort packte sie alles Wichtige in ihre Handtasche und riss förmlich die Tür auf.
,,Warte, Ellie! Ich fahr dich zum Flughafen." Alec wusste, er würde sie nicht aufhalten können und er wollte es auch gar nicht. Nein, er wollte seiner Freundin helfen.
,,Danke, Al."

,,Ich weiß nicht, wann ich wieder komme. Ich, ich muss mal gucken." lächelte Ellie traurig, als sie am Flughafen angekommen waren.
,,Kein Problem, bleib so lange wie du willst. Viel Glück und ich hoffe, Biran geht es schnell wieder gut." verabschiedete er sich, schaute Ellie betrübt hinterher.
,,Ich auch. Danke nochmal, fürs fahren." rief sie noch, bevor sie vollends im Eingang verschwand.
,,Arme Frau." Traurig schüttelte Alec den Kopf, wünschte Ellie still schweigend alles Gute.

Zaghaft klopfte Ellie mit den schlimmsten Befürchtungen an die Tür des Krankenzimmers.
,,Herein." drang es kaum wahr zu nehmen von innen.
Vorsicht öffnete sie die Tür und trat schüchtern ein.
Sofort fand sie sich in Rogers Armen wieder.
,,Ellie, du bist hier." murmlete er in ihr Haar.
,,Natürlich. Sag..." Sie löste sich von ihm und schaute traurig zu Brian, welcher regungslos in dem Bett lag.
,,Was ist genau los?" wagte sie zu fragen.
,,Ein LKW hat ihm die Vorfahrt genommen. Wäre er nur etwas später auf die Kreuzung gefahren, hätte ihm das sein Leben kosten können...
Laut dem Arzt ist ein Bein gebrochen, mehrere Rippen geprällt und er hat eine Gehirnerschütterung." Schwer zeufzte Roger.
,,Wird, wird er denn wieder wach?"
Ellie wandte nicht ihren Blick von ihrem Freund, hoffte sehnlichst darauf, dass er seine Augen auf machen und alles wieder gut sein würde.
,,Das kann man noch nicht sagen. Ich hoffe es so sehr." hauchte Rog niedergeschlagen.
,,Ich auch." ertönte plötzlich Johns brüchige Stimme hinter ihnen.
,,Hey Honey. Ich wünschte, wir würden uns bei besseren Umständen sehen." lachte dieser traurig.
,,Hey John. Ja, das wünschte ich mir auch..."

Break free?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt