Samstagmorgen. The aftermath

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"Autsch", mit zusammengebissenen Zähnen zog Jess das kleine bunte Pflaster, dass sie am Abend zuvor über die kleine Wunde, die ihr die Fänge eine vorbeifliegenden Fledermaus in die Wange gerissen hatten, geklebt hatte.
"Selber Schuld", Su saß mit angezogenen Knien auf ihrem Bett und rührte in ihrem Kaffee, "hättest du dich geduckt als der Schwarm auseinander gestoben ist, wie Duke gesagt hatte, wärst du komplett ohne Pflaster durch die Nacht gekommen"
"Mh", brummte Jess.
Die Nacht war eigentlich ein Erfolg gewesen.
Der Vampir war tot. Kate hatte ihn erledigt. Mit einem Messer im Rücken.
Die Fledermäuse hatten sich zerstreut, und eine von ihnen war dabei mit ihrer Kralle am Jess Haut hängen geblieben.
Su war ohne Verletzungen davon gekommen.
"Wir haben uns trotzdem gut geschlagen", wechselte Jess das Thema.
"Vermutlich", Su nippte an ihrer Tasse.
Was hieß hier vermutlich?
Der Vampir war zu Boden gegangen, und zwar - unter anderem, natürlich - aufgrund des Einsatzes, den sie beide gezeigt hatte. Kate wäre sicherlich nicht so nahe an ihn herangekommen, wenn die Fledermäuse die Befehle ihres Herrn hätten verstehen können.
Ein Schauder lief Jess über den Rücken, als sie an die hohen, knarzigen Töne dachte, die der Vampir ausgestoßen hatte. "Batsong". "Fingernägel-auf-Tafel-song" traf es wohl besser.
"Ich kann das nächste Wochenende kaum abwarten", wechselte sie das Thema, "Natürlich, wir werden nicht viel mehr zu tun haben als diese Woche, leider, aber immerhin..."
"Bist du sicher, das du das willst?", erkundigte Su sich skeptisch.
"Was?", irritiert drehte Jess sich zu ihrer Freundin um.
"Bist du sicher, das du da nächstes Wochenede wieder hin willst", Su streckte ihre Beine über die Bettkante und rutschte aus ihrer kauernden Pose in den Stand, "wir haben es jetzt mal ausprobiert. Hatten ein wenig Nervenkitzel und es war ganz nett, aber willst du wirklich jedes Wochenende über den feuchten Rasen in irgendeinem Park kriechen?"
Sie zog ihre Nase kraus und reichte Jess eine Tasse, in der dunkler Kaffee auf und ab schwappte.
Jess ließ ihre Arme sinken.
"Was hast du gerade gesagt?"
Bedeutete das Su wirklich so wenig? Verstand sie denn nicht, was das alles hier bedeutete?
"Su, das hier ist unser Ding. Unsere Chance", enttäuscht schleuderte sie ihre Arme in die Luft, ohne auf den Kaffee zu achten, den Su ihr immer noch hin hielt, "Sei ganz ehrlich", sie packte ihre Freundin an den Schultern und blickte ihr beschwörend in die Augen, "Hast du nicht auch immer davon geträumt, ein Geheimnis zu haben? Etwas, von dem niemand sonst etwas weiß? Etwas übernatürliches, dass deinem Leben einen geheimen Sinn gibt, von dem keiner etwas ahnt?"
Su blinzelte unter ihrem dichtem Pony.
"Nein, kann ich eigentlich nicht sagen", erwiderte sie dann unbeeindruckt und machte sich los, um die Tasse wieder auf dem Schreibtisch hinter sich abzustellen, "Ich nehme an, das willst du gerade nicht?"
Ich mag keinen Kaffee. Er ist viel zu bitter.
"Doch... doch. Lass ihn einfach da stehen."
"Ich glaube, ich tue noch etwas Zucker und Milch rein", Su rieb sich ihr Kinn.
"Nein, lass nur, ich trinke ihn besser so, das geht wohl, bin ich gewohnt..."
"Natürlich", ein beinahe unsichtbares Lächeln spielte um Sus Mundwinkel, "aber bei dieser Sorte bringt es einfach das Aroma stärker heraus... du solltest es ausprobieren."
Innerlich atmete Jess auf, als Su die mildere Milch in ihre Tasse goss.
Ein Glück, dass Su so selten auffiel, wenn Jess versuchte, ihr Gesicht zu wahren.
Eine toughe Vampirjägerin, die keinen Kaffee schwarz trinken mochte...
Lächerlich.
Trotz der Süße spürte sie den schwerem Geschmack der Bohnen an ihrem Gaumen sägen. Sie versuchte, nicht an den Nachgeschmack zu denken und überlegte, es mit einer Cola herunter zu spülen. Vielleicht würde das auch die Enttäuschung über Sus fehlende Begeisterung aus ihrer Kehle waschen.
Vielleicht.

"Bei dieser Sorte?", Quinns Lachen klang wie eine kleine Glocke dicht neben ihrem Ohr, "sammelst du Kaffeesorten im Küchenschrank?"
"Nein, aber das weiß sie doch nicht."
Su lächelte müde in die Richtung, in der sie ihn vermutete. Der Zuckertopf war leer, also war sie in die Küche verschwunden, um ihn aufzufüllen.
"Du siehst erschöpft aus", seine Stimme hatte einen besorgten Touch und sie spürte ein leichtes Kribbeln auf ihrer Wange, so als würde eine sanfte Brise an ihrer Haut entlang streichen.
"Es geht schon", sagte sie leise und ließ sich auf einen der Stühle sinken.
Tatsächlich fühlte sie sich wie ein angeknackstes Streichholzmännchen.
"Angeknackstes Streichholzmännchen".
Innerlich musste sie schmunzeln. Sie hatte diese Formulierung einmal in einem ihrer Lieblingsbücher gefunden und nutzte sie seitdem immer wieder als kleinen Witz, den nur sie verstand.
Die letzte Nacht war nicht direkt anstrengend gewesen. Sie hatten nichts weiter getan, als ein paar Fledermäuse zu verscheuchen und in einem Auto durch die Gegend zu fahren.
Es war der Gedanke, dasselbe in der nächsten Woche wieder zu tun, der sie ermüdete. Und in der Woche danach, und der Woche danach, immer weiter, so lange, bis Jess genug davon hatte.
Seuftzend vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen.
"Sag nichts!", sprach sie in Richtung von Quinn, "sag einfach nichts dazu."
"Hatte ich nicht vor", bemerkte er, aber der Tonfall seiner Stimme schrie deutlich genug, dass er sich wünschte, sie würde es dieses Mal einfach bleiben lassen.

BatsongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt