Freitagabend. Mögen die Spiele beginnen.

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Voller Tatendrang und ungeduldig trat Jess von einem Fuß auf den anderen. Ein Mitglied der Crew sollte sie hier abholen.
Aufgeregt warf sie einen Seitenblick aus Su. Wie konnte sie nur so regungslos da stehen, die Nase im Jackenkragen und die Hände in den Taschen vergraben.
"Du hättest wirklich die Lederjacke nehmen sollen"
"Du hättest den Mantel wirklich im Laden lassen sollen."
Jess lachte leise. Es gab keine andere Person auf diesem Planeten, da war sie sich sicher, die so bissig sein konnte ohne zu verletzen.
Das Brummen eines Automotors näherte sich.
"Da ist es!", aufgeregt deutete Jess in Richtung des herannahenden Geländewagens.
Das Fahrzeug hielt vor ihnen. Durchs Fenster konnte man den größeren der beiden Männer erkennen. Jess hatte seinen Namen vergessen.
"Ähm... wer ist das?", der Fahrer machte eine Handbewegung in Richtung von Su.
"Das ist Su. Sie möchte auch mit."
"Verd... hör mal zu, Mädchen, was auch immer ihr euch denkt, das hier ist keine Spaßveranstaltung!", ärgerlich runzelte der Vanpirjäger die Stirn.
"Ich weiß, aber..."
"Wir haben gesagt, dass du mitmachen kannst. Nicht, dass du Freunde mitbringen sollst!"
"Wenn Jess geht, komme ich mit", warf Su in einem ruhigen, aber bestimmtem Tonfall ein, "wenn ich nicht mitkommen kann, geht Jess nirgendwo hin."
Was? Irritiert drehte Jess sich zu ihrer Freundin um: "Entschuldige mal..."
Aber Su schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
Der Jäger und sie taxierten einander mit finsteren Blicken, dann, ganz plötzlich, gab der Mann nach.
"Also gut", er ließ den Motor wieder anspringen, "dann steigt ein."

Die Scheune, die den Jägern scheinbar als Hauptquartier diente, sah bei Tageslicht ganz anders aus, als bei Nacht.
Einfach wie eine normale Scheune.
"Wer ist das denn?", abschätzend begutachtete der kleinere Mann Su, als er das Tor öffnete.
"Das Extra", antwortete der, der sie abgeholt hatte.
"Extra?", auch die Frau erschien jetzt stirnruzelnd in der Tür.
"Ähm... das ist Su, eine gute Freundin von mir. Sie wollte unbedingt mitkommen", Jess setzte ein breites Lächeln auf.
Su warf ihr einen vielsagenden Seitenblick zu.
Der größere der Männer flüsterte dem kleineren etwas in Ohr.
"Also schön", seutzte der daraufhin, kommt rein.
Auch die Frau trat beiseite, blieb aber mit verschränkten Armen in der Tür stehen.
Als Jess sich an ihr vorbeizwängte, warf sie einen Blick auf Jess' düsteren Mantel und verdrehte die Augen.
Jess tat als hätte sie es nicht gesehen.

"Zu allererst einmal: Ich bin Duke", ihr Fahrer goss ihnen Tee in die geblümten Tassen, die einer von ihnen aus einem der staubigen Schränke gezogen hatte, "der Lümmel da auf der Couchlehne ist Rat", er wies auf seinen Kollegen.
"Wer um alles in der Welt nennt seine Kinder so?", naserümpfend nahm Su ihre Tasse entgegen.
"Niemand", die Frau, die es sich mit überschlagenen Beinen auf einem zerschlissenen Barhocker bequem gemacht hatte, mischte sich ein, "eigentlich heißen die beiden anders. Aber aus irgendeinem Grund waren sie der Ansicht, wenn man sich aus der Gesellschaft zurückziehe um Vampire zu jagen, bräuchte man einen besseren Namen als..."
"Schon gut, schon gut", hektisch unterbrach Duke die Jägerin, "Diese Wichtigtuerin da drüben ist übrigens Kate."
"Und das hier", Kate schlug dem alten Mann im Sessel neben sich spielerisch auf die Schulter, "das ist mein verrückter Onkel van Helsing."
Jess spürte, wie Su neben ihr stutzte: "Wie der Charakter aus 'Dracula'?"
Der Alte lachte leise auf: "Oh, da kennt sich aber jemand aus. Tatsächlich, ein hübscher kleiner Zufall."
"Van Helsink ist unser Wissenschaftler. Rat, Kate und ich machen den anstrengenden Kram. Und jetzt auch ihr. Allerdings nur, wenn ihr immernoch wollt. Immerhin, es ist nicht so, als würden wir Paintball spielen."
Ohne zu Su herüber zu schauen, wusste Jess, was sie antworten würde: "Ja, wir bleiben!"
In ihren Augenwinkeln nickte ihre Freundin.

"Vampirismus ist wie eine Krankheit. Aber nicht wie irgendeine sonst, die ihr kennt", Duke hatte sich vor einer Tafel aufgebaut und benutzte einen Pfeil als Zeigestock, um ihnen zu zeigen, auf welches der Bildchen und Diagramme darauf er sich bezog, "Es ergreift besitz von der infizierten Person, manchmal langsam, manchmal schneller, und überschreibt die Persönlichkeit und das Wesen des Menschen mit etwas anderem", er machte eine dramatische Pause, "Etwas Bösem. Der Mensch ist dann kein Mensch mehr, und alles, was ihn vorher ausgemacht hat, ist verloren. Ihr dürft euch Vampire aber nicht wie gehirnlose Zombies vorstellen. Sie besitzen einen kalten, grausamen Intellekt. Die meisten von ihnen sind sehr stark, und fast jeder von ihnen gebietet über ein Heer von Fledermäusen. Sie kontrollieren die Tiere über etwas, dass sie, und auch wir "Batsong" nennen. Sie kommunizieren wohl auf Frequenzen mit den Fledermäusen, die für das menschliche Ohr nur teilweise zu hören ist. Wenn also ein Vampir anfängt zu singen, ruft er die Luftwaffe zur Verstärkung. Außerdem  haben sie die Eigenschaft, eine, nun ja, eine Art mysteriösen Charm auszustrahlen. Auf eine bedrohliche Art und Weiße sind die meistem beinahe übernatürlich... attraktiv. Lasst euch davon nicht täuschen."
Jess schnaubte: "'übernatürlich attraktiv' ist nicht das Wort, dass ich für den Vampiren, der mich am letzten Wochenende angefallen hat, verwenden würde."
"Der Schwächling war doch beinahe verhungert", rief Kate aus der Küchenzeile herüber, wo sie gerade die Scherben der Schüssel, die Rat fallen gelassen hatte, zusammenfegte, "natürlich sah er aus wie ein wildes Biest!"
"Genau", nahm Duke den Faden wieder auf, "ausgehungerte Vampire verlieren ihre Fähigkeiten oft und versuchen dann panisch und nach Instinkt an Blut zu kommen. Abgesehen davon vertragen sie kein Knoblauch. Aber entgegen landläufiger Meinung kann man sie auch auf jede andere Art töten, die einen Menschen umbringen würde. Und es gibt noch ein kleines, aber selten zu verwendendes Extra: Vampire vertragen keine Sonne. Und sie verbrennen sich an Dingen, die für die Menschen, die sie einmal waren, einen besonders hohen Wert hatten, oder die ihnen am Herzen lagen."
"Wenn es eine Krankheit ist", wollte Su wissen, "Warum forscht niemand nach einem Heilmittel?"
Duke warf Van Helsing einen Blick zu: "Wir... wir haben daran geforscht.", begann er langsam, "Wir waren sogar recht erfolgreich. Allerdings..."
Van Helsing nahm den Faden auf: "Wir können die Erlebnisse dieser Personen nicht aus ihren Köpfen löschen. Wie können diese... diese verdrehte Zeit, die Erinnerung an die Gedanken, die sie gehabt haben, nicht ungeschehen machen. Oder die Dinge, die sie getan haben. Die meisten kommen mit diesem Erlebnis nicht klar. Viele nehmen sich das Leben. Andere verlieren den Verstand. Und niemand kann sie richtig therapieren, obwohl wir es versucht haben. Und einigen..."
"Einigen", fügte Duke düster hinzu, "Einigen hat es gefallen, so zu sein, wie Vampire sind. Und diese Leute gehen dann freiwillig zurück, und machen genau da weiter, wo sie aufgehört haben, als wir sie aus dem Verkehr gezogen haben."

BatsongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt