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Noch immer zitternd lasse ich mich mit meinem Kakao auf die Couch fallen. Ich versuche mir nun seit bestimmt einer halben Stunde einzureden, dass Liam mir niemals etwas antun würde, aber ich kann es nicht. Natürlich hasst er mich, er war drei Jahre im Gefängnis wegen mir, darf seinen Traumberuf nicht mehr ausüben und hat wahrscheinlich niemanden mehr. Ich kann nur hoffen, dass ihm dieser Hass nicht genug wert ist, um sich an mir zu rächen, so wie in meinem Traum. Anfangs dachte ich immer wir würden wieder ein Paar werden, wenn er frei kommt, aber nachdem er mich nicht einmal sehen wollte, als ich versucht habe ihn zu besuchen, hat sich dieser Gedanke in Luft aufgelöst. Es ist wahrscheinlich am besten, wenn wir uns nie wieder begegnen.
Um mich von den Gedanken über Liam abzulenken hole ich mein Handy aus meiner Tasche. Mir fällt auf, dass ich Rosie noch nicht geantwortet habe. Ich schreibe ihr also dass ich mich auf sie freue und sehe dann, dass Max mir geschrieben hat.

Mir ist langweilig, kann ich vorbeikommen?

Ich bringe auch Chips und Filme mit.
Und Schokolade wenn du willst?

Pizza? Bier?

Ich fange automatisch an zu grinsen. Ihm ist wohl wirklich ziemlich langweilig, da er nicht einmal auf meine Antwort warten konnte. Eine Ablenkung schadet mit sicher auch nicht, weshalb ich beschließe, ihm zu antworten.

Bier, Pizza, Filme, Popcorn. Du hast 20 Minuten.

Nur wenige Sekunden später schickt Max mir einen Daumen hoch und ich laufe ins Badezimmer, um mich fertig zu machen. Nachdem also meine Zähne geputzt und meine Haare zu einem Dutt gedreht sind, ziehe ich mir eine Leggings und ein gemütliches Shirt an. Dann schalte ich schon einmal Fernseher und DVD-Player an, klappe die Couch aus und mache sie mit Kissen und Decken so bequem wie möglich. Als ich gerade wieder ins Bad husche, um Deo zu benutzen, klingelt Max auch schon an der Tür und ich betätige den Öffner, um in der Wohnungstür auf ihn zu warten. "Hey du." Meint er nur, als er sich vollbepackt an mir vorbei zwängt. "Kannst alles ins Wohnzimmer bringen." Teile ich meinem Besuch mit und folge ihm dann dorthin. Max stellt die Pizzakartons auf dem Sofa ab und die Tüten daneben. "Sieht gemütlich aus." Lobt er mich, während er sich halbwegs zu mir umdreht. Ich grinse nur, nehme mir eine der Pizzen und mache es mir auf der Couch bequem. Max tut es mir gleich und reicht mir eine Flasche Bier. "Ich habe Margherita genommen, hatte keine Ahnung was du magst." Ich nicke nur, öffne den Karton und beiße in das erste Stück. Wie lange habe ich schon nichts mehr gegessen? Irgendwie vergesse ich das in letzter Zeit manchmal. Während ich genüsslich auf meiner Pizza kaue, holt Max einige DVDs aus einer der Tüten und legt sie neben mich. Ich gehe sie alle einmal durch und entscheide mich dann für "Der König der Löwen". Max kichert, als ich im die DVD zuwerfe und schaltet sie dann an. "Ich hatte es im Gefühl, dass du ein Disney-Girl bist." Grinst er selbstsicher, als er sich wieder neben mich auf die Couch fallen lässt. Ich grinse nur kurz, denn er hat Recht. Ich bin tatsächlich ein 'Disney-Girl'.

Verzweifelt versuche ich, mein tränenüberströmtes Gesicht zu verdecken, als der Abspann läuft und Max sich zu mir dreht. Jedoch scheine ich nicht sehr erfolgreich dabei zu sein, denn er zieht mich in seine Arme, streicht mir sanft über meine Haare und flüstert, dass es nur ein Film ist, und Simba ohne seinen Vater glücklich ist. Ich nicke nur, da der Film für mich eine ganz andere Bedeutung hat als für ihn. Ich habe so lange nichts von meinem Vater gehört und ich wünschte ich wäre so wie Simba glücklich ohne ihn. Aber mein Leben verwandelt sich immer mehr ins Chaos und immer wieder schleicht sich der Gedanke bei mir ein, dass alles mehr Ordnung hätte, wenn er hier wäre. Mit einem tiefen Atemzug verbanne ich die Gedanken über ihn aus meinem Kopf und löse mich von Max. Ich lächle kurz, bevor ich mich entschuldige und mich auf den Weg ins Badezimmer mache. Dort wasche ich mein Gesicht, entferne Makeup-Reste und atme noch ein paar Mal tief durch. Zurück im Wohnzimmer frage ich Max, ob er noch ein Bier möchte und er stimmt zu. Also hole ich zwei Flaschen aus dem Kühlschrank und lasse mich neben ihn fallen. "Auf einen guten Abend." Prosten wir uns zu. Und den werden wir auch haben.

Teacher 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt