VI

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„So hätte ich dich nicht eingeschätzt."

Changbin Pov:

„Tja. Ich bin halt für Überraschungen gut." Mit einem Satz springe ich von der Fensterbank hinunter und strecke mich ausgiebig. Ich glaube ich komme mal etwas häufiger hierher. Felix scheint auch ganz in Ordnung zu sein und sonst ist hier ja anscheinend nie jemand. Es ist also der perfekte Ort, um seine Ruhe zu haben und um über alles nachdenken zu können. Schade das nicht jede Schule so einen Ort hat.

Ohne einen Laut von sich zu geben, rutscht Felix ebenfalls von der Fensterbank hinunter und folgt mir langsam zur Tür. Gerade als ich die Tür öffnen möchte, erklingt jedoch das Klingeln zur nächsten Stunde, weshalb ich ein genervtes Stöhnen von mir gebe.

„Der Vogel ist mir wichtiger." entschließe ich kurzerhand, weshalb Felix mich überrascht ansieht. Er scheint mich wirklich vollkommen falsch eingeschätzt zu haben. „Ich kann den Stoff sowieso schon. Meine letzte Schule war eine Qual. Also können mir diese paar Minuten auch egal sein. Wie sieht es mit dir aus? Kommst du trotzdem mit oder gehst du lieber in den Unterricht."

„Ich komme mit." Er zögert zwar für einen Moment, folgt mir dann aber langsam aus dem Gebäude hinaus. Was mir jedoch dabei auffällt ist, dass er sich ständig in der Gegend umsieht. Fast so, als würde er jeden Moment fliehen wollen, wenn Gefahr naht. Er erinnert mich ein bisschen an ein scheues Reh.

Doch gerade als ich unter dem Abdach hinweg gehen will, bleibt er auf einmal wie angewurzelt stehen, weshalb ich mich etwas verwirrt zu ihm umdrehe. Was hat er denn jetzt auf einmal? „Ist etwas?"

„Es regnet." Etwas verunsichert weicht er ein paar Schritte zurück und senkt seinen Blick ein wenig. Er hat Angst vor dem Regen? Sowas habe ich ja noch nie erlebt. „E-Es ist nur so, dass ich sehr schnell krank werde."

„Sag das doch gleich." Erneut schleicht sich ein leichtes Schmunzeln auf meine Lippen, wobei er mich nur schüchtern ansieht. Er ist zwar komisch, aber irgendwie hat er ja auch etwas süßes an sich. „Warte kurz hier. Ich bin gleich wieder da." Schnell laufe ich an ihm vorbei zurück ins Schulgebäude und sehe mich dort auf dem Gang um. Irgendwo habe ich hier doch einen Regenschirm gesehen.

Nach einem Moment des Suchens, komme ich erfolgreich mit dem Schirm in meiner Hand wieder hinaus und öffne ihn direkt über Felix' Kopf. „Tadaa~" Stolz grinse ich mein Gegenüber an, welcher mich hingegen mit großen Augen überrascht ansieht.

„Das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Ich hätte auch hier auf dich warten können." Ich sehe genau, wie sich ein verlegenes Lächeln auf seine Lippen schleicht. So ein kleiner Schlingel. Wüsste ich es nicht besser, dann könnte man fast denken er hätte das mit Absicht getan.

Mit einem Schmunzeln auf die Lippen, halte ich den Schirm weiterhin achtsam über seinen Kopf, während wir langsam zu dem toten Vogel hinüber gehen. Es ist das perfekte Beerdigungswetter. Durch die Wolken wirkt alles so düster und der Regen verstärkt die trauernde Wirkung.

Bei dem Vogel angekommen, lege ich mir den Schirm über die Schulter und beuge mich mit Felix zusammen zu Boden. Behutsam nehme ich den leblosen Körper des Tieres in meine Hände und richte mich dann langsam wieder auf. „Wir sollten ihm einen schönen Ort suchen."

„Hinter der Schule ist ein kleiner Wald. Vielleicht finden wir dort eine passende Stelle." Nickend bestätige ich seine Aussage, woraufhin wir uns langsam auf den Weg dorthin begeben. Ich kann meiner Mutter später auf keinen Fall erzählen, dass ich am ersten Tag den Unterricht geschwänzt habe, um einen Vogel zu begraben. Die wird dann nämlich garantiert total sauer.

„Können wir uns morgen wieder im Musikraum treffen?"

정신 {Jeongsin} // Changlix Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt