Am nächsten Tag lässt sich Liz von Jo ein Bandfoto schicken, und wie sie sich's gedacht hat, ist der Alexander von gestern Nacht der Alex, der in der Band spielt. „Okay, ich hab ihn gestern kennengelernt", schreibt sie Jo zurück und sofort klingelt ihr Handy. „Du hast WAS?" – „Naja, er wollte mich gestern abschleppen" – „Uuuund?" – „Bist du doof? Du kennst mich doch, ich bin keine Frau für eine Nacht" – „Wart mal kurz". Sie hört Hintergrundgeräusche und eine Tür, die sich schließt. „Weißt du, wer grad hier vor der Tür stand?" – „Nein, sag's mir" – „Naja, Alex. Er will proben – freiwillig, ohne dass wir was ausgemacht hätten. Er ist schon im Probenraum" – „Na dann, viel Spaß", lächelt Liz und will auflegen. „Stopp, Kleines. Was hast du mit ihm gemacht?" – „Nichts?" – „Er ist anders, nachdenklich, so kenn ich ihn nicht" – „Wahrscheinlich kommt er nicht damit klar, dass es auch Frauen gibt, die ihm widerstehen können", lacht Liz auf. „Soll ich am Montag trotzdem kommen?" – „Ja klar, wer weiß, wofür es gut ist. Wir sehen uns dann, okay?" – „Japp. Bis Montag, Jonas".
Jonas gibt noch kurz Sam Bescheid, dann geht er zu Alex in den Probenraum. Der sitzt hinter seinem Schlagzeug und schlägt leise Töne an, während er grübelnd zu Boden blickt. Jo nimmt sich seine Gitarre und stellt sich hinter das Keyboard. „Also, was willst du spielen?". Überrascht hebt Alex den Kopf. „Keine Ahnung", murmelt er, „ich brauch Ablenkung" – „Suchst du die nicht normalerweise im Bett mit Frauen?", feixt Jo und erntet einen finsteren Blick. „Sorry, ich wollte dir nicht zu nahe treten", meint Jo und hebt abwehrend die Hände. „Schon gut, du kannst ja auch nix dafür", meint Alex leise und beginnt wieder, auf seinem Schlagzeug zu spielen. Jo sieht ihn noch etwas an, dann steigt er mit ein. Als Sam dazukommt, legen die drei richtig los und sie üben so viel wie schon lange nicht mehr. Sam und Jo tauschen öfter mal Blicke, Alex ist so still und in sich gekehrt wie selten. Am frühen Abend verschwindet er und die beiden reden noch eine Weile miteinander. Jo erzählt Sam, dass Liz Alex am Abend vorher kennengelernt hat und ihn abblitzen hat lassen. „Meinst du, unser Plan funktioniert noch?", fragt Sam. „Ich weiß nicht, ich hab keine Ahnung, wie er reagiert, wenn er merkt, dass wir uns kennen. Aber er war komisch heute, oder?" – „Ja, definitiv, so ernst, das war total ungewohnt. Hast du noch Bock um die Häuser zu ziehen?" – „Jo Bro, das machen wir. Ich hol dich in ner Stunde ab" – „Gut, bis nachher!"
Alex ist in der Zwischenzeit zu sich gefahren, hat geduscht und ist mittlerweile unterwegs zu dem kleinen Café, vor dem er Lisa gestern getroffen hat. Er will das nicht auf sich sitzen lassen, erstens meint sie, er ist ein Arsch – okay, ja, ist er, zumindest war er zu Frauen nie sonderlich nett, sie waren immer gut für Spaß und Sex, aber mehr war da nie. Und zweitens will er sich wirklich bei ihr entschuldigen. Sie hat irgendwie ganz tief drin in ihm etwas berührt, was er noch nicht einordnen kann. Sie ist anders als die Frauen bisher und er will herausfinden, was das zwischen ihnen beiden ist. Er bleibt einen Moment vor der Tür stehen, dann öffnet er sie und geht in das Café, wo er sich kurz umsieht und dann zu dem Bücherregal geht. „Ich schließe gleich", kommt es aus dem Bereich hinter dem Tresen, doch er bleibt vor dem Regal stehen und mustert die Bücher und nimmt eines heraus. „Hey Mister, ich schließe jetzt", sagt Liz jetzt hinter ihm und er dreht sich um. „Hey, Lisa" – „Alexander?". Die beiden sehen sich an und ihr Blick geht auf das Buch in seiner Hand. „Tolstoi?" – „Ist das so abwegig? Krieg und Frieden ist ein Klassiker", meint er, dreht sich wieder zum Regal und stellt das Buch zurück. Sein Blick gleitet weiter über die Bücher, während sie ihn beobachtet. „Alexander, ich möchte jetzt Feierabend machen. Geh bitte", sagt sie nach einer Weile leise. Er schaut sie an und nickt. „Darf ich dich begleiten?" – „Ich denke, das ist keine gute Idee" – „Ich halte Abstand, versprochen", zwinkert er ihr zu. „Das mit gestern tut mir leid, Lisa. Ich möchte nochmal von vorne anfangen, weil ich dich gern näher kennenlernen würde". Neugierig mustert sie ihn. „Ist das dann die nächste Masche, nachdem die erste nicht zog?" – „Nein, in der Regel brauch ich keine zweite mehr", grinst er sie an, wird aber gleich wieder ernst. „Aber du bist anders, da zieht sowieso keine Masche". Liz seufzt und sie legt ihre Tasche aufs Sofa. „Was willst du trinken?" – „Ne, komm, ich lad dich irgendwo anders ein. Du sollst deinen Feierabend doch genießen". Er nimmt ihre Tasche und geht zur Tür. Liz sieht sich nochmal kurz um und macht das Licht aus, dann gehen sie nach draußen und Liz schließt alles ab. „Und wo willst du jetzt hin?" – „Vertraust du mir?". Lange schaut sie ihn an, dann nickt sie. Ein Lächeln gleitet über sein Gesicht, dann streckt er ihr eine Hand entgegen, die sie zögernd nimmt. „Mein Auto steht da vorne". Er zieht sie mit sich und öffnet ihr die Beifahrertüre, doch sie bleibt noch vor dem Wagen stehen. „Wozu brauchst du so ein Riesen Auto?", fragt sie ihn erstaunt. „Du weißt doch selber, wie viel Platz ein Schlagzeug braucht" – „Ja, aber doch nicht sooo viel, dass man einen Dogde Ram braucht" – „Oh, du kennst dich aus?", schmunzelt er. „Na komm, steig ein". Liz lässt sich in die Sitze fallen und atmet tief den Geruch ein – es ist eine angenehme Mischung aus Auto, Leder und dem Parfum des Mannes, der jetzt neben ihr Platz nimmt. „Alles klar?", fragt er und Liz nickt. Er startet den Motor und lenkt den Wagen einmal quer durch die Stadt in einen Vorort, wo er vor einem kleinen Pub anhält. Liz lächelt – sie kennt dieses Pub, dort sitzt sie öfter mal mit den Jungs, aber Alexander hat sie dort noch nie gesehen. Die beiden steigen aus und er geht voraus, um ihr die Tür aufzuhalten. „Lizzy!", stürmt da schon ein Mann auf sie zu und umarmt sie stürmisch. „Du warst ja schon ewig nicht mehr da!" – „Uff, Pablo, ich würde sagen, DU warst nie da wenn ich hier war". Alexander beobachtet die Szene stirnrunzelnd. „Ich dachte, das wär mein Geheimtipp, aber das sieht jetzt nicht so aus", raunt er ihr ins Ohr und sie lacht ihn an. „Ne, kein Geheimtipp". Pablo mustert die beiden, dann sieht er Liz fragend an, die winkt jedoch ab. „Ich erklärs dir unter vier Augen, aber bis dahin ... pssst", sagt sie leise zu ihm und legt einen Finger auf die Lippen. Pablo nickt und verschließt seine Lippen mit einem imaginären Reißverschluss. „Du hast Glück, Jo und Sam sind grade bei der Tür raus", flüstert er ihr noch zu, bevor er sich wieder hinter seinen Tresen stellt. Alexander zieht sie in den hinteren Bereich an einen etwas abgelegen Tisch. „Was willst du trinken?" – „Ich nehm einen Targa 911". Alexander grinst sie an. „Alkoholfrei? Du musst doch nicht fahren" – „Ich trinke grundsätzlich nur alkoholfrei". Überrascht sieht er sie an. „Echt?" – „Ja, das hat ... private Gründe" – „Du willst nicht darüber reden?" – „Nein!". Alexander zuckt ein wenig zusammen bei der harschen Art, die sie gerade anschlägt. Pablo bringt ihre Getränke und nimmt die Spannung etwas heraus. „Na dann, auf einen angenehmen Abend", meint Lisa und trinkt einen Schluck. Sie unterhalten sich gut, erfahren einiges vom anderen und tauschen auch ihre Handynummern aus. Nach einer Weile merkt Lisa, dass sie von drei jungen Männern beobachtet werden, von denen sie zwei aus ihrem Café kennt. Alex folgt ihrem Blick und sein Körper spannt sich an. „Kennst du die?", fragt sie ihn und er nickt abwesend. „Bin gleich wieder da", sagt er und steht auf und auf deren Tisch zu. Die vier führen ein hitziges Gespräch, und als Alexander wieder zu ihr kommt, grinsen die drei ihr hinter ihrem Rücken zu. Fragend schaut sie Alex an, doch der sieht nur auf sein Glas, das er in den Händen dreht. Lisa kommt mit dem Stimmungswechsel überhaupt nicht klar und steht auf, um sich kurz frisch zu machen. Als sie wieder aus der Toilette kommt, lehnt einer der drei Männer gegenüber an der Mauer und mustert sie von oben bis unten. Sie wirft ihm nur einen kurzen Blick zu und will dann wieder nach draußen gehen, wird jedoch zurückgezogen und an die Mauer gedrückt. „Was willst du mit Alex? Du könntest jeden hier drin haben" – „Was soll das? Was geht's dich an, mit wem ich was trinken gehe. Ich kenne dich ja nicht mal" – „Aber ich kenne ihn. Du bist doch nur eine weitere Kerbe in seinem Bettpfosten, eine weitere Nummer bei seinen Wetten, wer die nächste Frau im Bett hat von uns und wer sie als zweiter fickt". Das war ein verbaler Schlag in die Bauchgrube, aber Lisa lässt sich nichts anmerken. „Du wirst jedenfalls nie eine Nummer bei mir sein", lächelt sie ihn liebenswürdig an und schlüpft dann an ihm vorbei. Da sie ihre Handtasche dabei hat, verlässt sie das Pub durch den Hinterausgang, ohne sich von Alexander verabschiedet zu haben – auch wenn sie hofft, dass das eben Gehörte nicht stimmt, macht es ihr doch zu schaffen. Sie ruft sich ein Taxi und bestellt es zu einem Treffpunkt ein paar Straßen weiter. Sie geht langsam dorthin und denkt über Alexander nach. Eigentlich war er ganz anders heute, doch wenn sie so an das denkt, was Jo ihr erzählt hat, kann das mit der Wette durchaus stimmen – und das tut ihr einerseits im Herzen weh, andererseits macht es sie sehr wütend. Sie nimmt ihr Handy, das ununterbrochen in der Tasche vibriert, heraus. Sie schluckt, als sie sieht, dass Alexander dauernd versucht sie zu erreichen, dann drückt sie ihn weg und macht es aus und steigt in das Taxi ein, das gerade neben ihr anhält.
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Love - The melody of our hearts
Roman d'amourWas passiert, wenn der Drummer einer Band - ein Mann, der nichts anbrennen lässt , auf seine Vorgängerin trifft - eine Frau, die von Männern immer nur enttäuscht wurde. Begleitet Alex und Lisa durch eine turbulente Zeit, mit Höhen und Tiefen, Liebe...