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Am nächsten Tag fahren sie gemeinsam ins Krankenhaus. Alex und Lisa gehen auf die Kinderstation, wo sie schon sehnsüchtig erwartet werden. Bevor sie in den Aufenthaltsraum gehen, hält Alex sie noch kurz zurück. „Lena ist nicht mehr hier, sie wurde diese Woche entlassen. Aber wir haben ein anderes Sorgenkind ... Alina, sie hat Leukämie, kommt aus Russland und ist ganz alleine hier. Sie kann kein Deutsch, die Kinder haben sie zwar gut aufgenommen und sie spielen auch miteinander, aber sie hat's nicht einfach hier" – „Russland?" Lisa schmunzelt, was Alex mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis nimmt. „Zeigst du sie mir?". Alex wirft einen Blick durch die Glastür. „Die Kleine da hinten, mit dem blauen Kopftuch" – „Ist gut, Alex, lass mich mal machen". Lisa öffnet die Tür und nach einer allgemeinen Begrüßung geht sie zu Alina. Sie geht vor ihr in dieHocke und schaut sie an. „Privet, Alina, ya Liza", sagt sie leise zu ihr. Alina sieht hoch und strahlt Lisa an. „Nakonets-to, kto-to, kto ponimayet menya" –„Da, Alina. Khochesh' chto-nibud' prochitat?". Die Kleine nickt, springt auf und holt ein Buch aus dem Regal. Alex sieht überrascht zu Lisa, die ihn nur anlächelt und sich dann vollkommen auf Alina konzentriert und ihr leise vorliest. Dieser Vormittag verfliegt wie im Nu, und als es Zeit ist zum Mittagessen, werden die Kinder von den Krankenschwestern in ihre Zimmer geschickt. „Priyezzhay ko mne yeshche raz, Liza" – „YA vernus' v sleduyushchuyusubbotu, obeshchayu. Poka-poka, Alina" – „Poka-poka, Lisa". Alina hüpft fröhlich aus dem Zimmer, während Alex Lisa völlig verwundert ansieht. „Du kannst russisch?" – „Ja. Ich hatte Russisch als Wahlfach und auch ein paar russische Freunde, da bekommt man einiges mit" – „Wow. Du bist echt eineWunderpackung, du machst mich immer wieder sprachlos, Liebes. Und jetzt lass uns was essen, ich hab einen Bärenhunger".

Er zieht sie zu seinem Auto und fährt zu seiner Wohnung. „Bleib sitzen, bin gleich wieder da". Überrascht sieht sie ihm hinterher und wundert sich, als er nach kurzer Zeit wieder da ist, in einer Hand einen Korb und in der anderen eine Decke. „Ich hoffe, du hast dir den Nachmittag frei gehalten, Lisa?" – „Ja, war ja so ausgemacht" – „Gut!". Alex strahlt sie an und fährt wieder los.

Alex fährt in eine verlassene Industriegegend, in der noch einige Gebäude stehen. Verwundert sieht Lisa ihn an. „Na komm!", Alex steht an ihrer offenen Tür und hält ihr seine Hand hin, in der anderen hat er bereits den Korb. „Darf man hier überhaupt sein?" – „Siehst du irgendwo einen Zaun oder Verbotsschilder?", fragt er zurück und Lisa steigt aus. Er nimmt ihre Hand und sie gehen zu einem Gebäude. Die Tür ist halb offen und Alex zieht sie mit hinein und drin die Treppe nach oben. Dort öffnet er eine andere Tür und sie stehen auf dem Dach. Lisa lässt ihren Blick schweifen, während Alex ein paar Schritte weiter geht und dann die Decke auf dem Boden ausbreitet. Anschließend kommt er wieder zu ihr und schließt sie in seine Arme. „Schön hier, oder?" – „Ja, das hätte ich nie gedacht. Man sieht genau, wie sich die Natur Schritt für Schritt alles wieder zurückholt" – „Mhmm ...". Die zwei stehen eine Weile so da und genießen die Aussicht über die Felder zur Stadt, die in der Ferne zu sehen ist. Schließlich schiebt Alex Lisa aber zur Decke und sie setzen sich darauf. Er hat verschiedene Häppchen zubereitet, kleine Muffins dabei und auch Obst und Gemüse. „Wann hast du das denn alles gemacht?", wundert sich Lisa. „Heute morgen, bevor ich dich geholt hab" – „Ach, deshalb wolltest du nicht bei mir schlafen". Alex grinst sie an und gibt ihr einen schnellen Kuss, bevor er ihr einen Happen in den Mund schiebt. „Boah, ich kann nicht mehr", stöhnt Lisa nach einer Weile, reibt sich ihren Bauch und lässt sich nach hinten fallen. Sie schließt die Augen und hört auf die Geräusche, die sie umgeben – das Rauschen der Autobahn in der Nähe, viele verschiedene Vögel, die pfeifen und in unregelmäßigen Abständen sogar Züge. Alex sitzt neben ihr und betrachtet sie still. Nach einiger Zeit merkt er, dass sie eingedöst ist und er legt sich seitlich neben Lisa und mustert sie weiter. Ihm gehen viele Gedanken durch den Kopf – seit er Lisa kennt, ist er ausgeglichener geworden, sie ist der Ruhepol in seiner Welt, sie ist die Frau, mit der er alt werden will und sie ist auch die Frau, mit der er sich tatsächlich Kinder vorstellen kann. Ein Lächeln gleitet ihm übers Gesicht, als er sich eine Miniaturform von Lisa vorstellt. Dieses letzte halbe Jahr hat sein Leben total auf den Kopf gestellt ...

„Lisa?", zärtlich küsst er sie wach. „Hmmm?" – „Ich denke, wir sollten wieder fahren, dir ist kalt" – „Wärm mich halt", murmelt Lisa und kuschelt sich in seine Arme. „Liebes, es wird schon dunkel" –„Was? Schon so spät?" – „Jepp. Komm!". Alex steht auf und zieht sie mit hoch, dann dreht er sie in eine bestimmte Richtung. „Ohhh – ist das schön", haucht Lisa – sie sieht genau in Richtung Sonnenuntergang, der in allen möglichen Rot- und Orangetönen strahlt. „Wie du", flüstert Alex ihr ins Ohr und legt seine Arme von hinten um sie. „Es tut mir leid, Lisa, aber wir haben noch Bandprobe" – „Ja, klar, dann fahr mich heim" – „Wir holen das am Meer nach, in Ordnung? Dann haben wir ganz viel Zeit". Lisa dreht sich zu ihm und gibt ihm einen liebevollen Kuss. „Es war ein toller Tag heute, Alex. Danke!" Er drückt sie nochmal fest an sich, dann gehen sie zum Auto. Dort schaut er kurz auf sein Handy, liest und wird blass. Er wirft Lisa einen Blick zu, die ihn sorgenvoll ansieht. „Schlechte Nachrichten?", will sie wissen. „Was? Nein ... nur ... egal". Er steigt ein und deutet ihr an, dasselbe zu tun. Schweigend fährt er Lisa nach Hause und dann sofort zu Sam. Lisa sieht ihm noch hinterher und wundert sich – die Stimmung war total gekippt nach der Nachricht und er war richtig abweisend zu ihr. Grübelnd geht sie ins Haus.

„Hey Alex, was ist denn los mit dir?". Jo ist sauer, Alex ist mit denGedanken gar nicht bei der Sache. „Ist doch alles Scheiße gerade", Alex wirft seine Sticks in eine Ecke und stützt seinen Kopf in die Hände. „Probleme?",fragt Sam vorsichtig und Alex nickt. „Ich dachte, bei euch läufts wieder ganz gut?" – „Ja, aber ich ...". Alex stockt und die beiden sehen ihn abwartend an. „Ich muss nach Afrika" –„WAS musst du?" – „Nach Afrika", sagt er leise. „Warum das denn?", will Sam wissen. „Ich bin bei Ärzte ohne Grenzen" – „Tolle Sache. Wann denn?" – „In drei Wochen" – „Wie bitte? Und wie lange?" – „Sechs Monate" – „Uff... ist das immer so kurzfristig?" – „Nein, eigentlich nicht, aber der Kollege,der eingeteilt war, hatte einen Unfall und ist nicht einsatzfähig. Und weil ich einer der wenigen ohne Familie bin ...", Alex zuckt mit den Schultern. „Weiß Liz schon Bescheid?". Alex schüttelt verneinend den Kopf. „Ich hab doch grad vorher erst die Nachricht erhalten. Ich weiß nicht, wie ich ihr das sagen soll ..." – „Liz versteht das, rede mit ihr!" – „Dann versau ich ihr den ganzen Urlaub" – „Wann ist denn Abreise?" – „Wir fahren vom Strandhaus am Samstag heim und am Montag geht's für mich dann weiter" – „Du musst es ihr sagen, Alex, unbedingt" – „Ich weiß", seufzt dieser, aber er hat keine Ahnung, wie er das machen soll.

Love - The melody of our heartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt