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Kurz vor seinem Dienstbeginn sieht Alex nochmal nach Lisa, der es inzwischen schon etwas besser geht. "Warum seid ihr mir eigentlich nachgegangen?" - "Wir hatten ein schlechtes Gefühl, Fabian hat dich den ganzen Abend schon beobachtet" - "Habt ihr uns deshalb auf die Bühne geholt?" Alex nickt und Lisa legt ihre Hand auf seine. "Danke", sagt sie leise. "Nicht dafür", antwortet Alex und streicht sanft mit seinem Daumen über ihren Handrücken. "Lisa ... wir müssen reden". Sie schaut ihn kurz an und senkt dann den Kopf. "Ich hab gehört, du darfst morgen heim?" - "Soso, hast du gehört?", schmunzelt Lisa und auch Alex lächelt. "Ja, ich hab nette Kollegen hier" - "... die das eigentlich gar nicht sagen dürften?" - "Ich kann auch jederzeit selber nachgucken. Aber ich hab mir Sorgen gemacht und ..." - "Schon okay, Alex. Ja, ich denke auch, dass wir reden sollten. Kommst du morgen spätnachmittags zu mir?" Erleichtert sieht er sie an und nickt. Dann wirft er einen Blick auf seine Uhr. "Ich muss" - "Ja, geh und kümmer dich um deine kleinen Patienten. Die brauchen dich" - "Und ich brauche dich", flüstert Alex, legt eine Hand an ihre Wange und steht dann auf. An der Tür dreht er sich nochmal um und sieht, dass Lisa sich grade über die Backe wischt und er läuft zurück, um sie in seine Arme zu ziehen. "Bitte, Sonnenschein, wein nicht wegen mir", haucht er fast tonlos in ihr Haar, aber Lisa hat ihn verstanden und erwidert seine Umarmung.

Am nächsten Tag steht er nervös vor ihrer Haustür. Er klingelt und Lisa öffnet ihm die Tür. Abwartend mustern sie sich, bis Lisas Blick auf seine Hände fällt. "Ist der für mich?". Alex hat einen kleinen Strauß in der Hand, in dessen Mitte eine Sonnenblume ist. Er nickt und Lisa nimmt ihm die Blumen ab. "Jetzt komm schon rein", sagt sie und geht voran in die Küche, sucht eine Vase und stellt den Strauß auf den Tisch. "Willst du was trinken?" - "Nein, danke", antwortet er leise. Lisa setzt sich ihm gegenüber und lange sehen sie sich schweigend an. "Lisa, es tut mir leid", bricht Alex irgendwann das Schweigen und sieht ihr fest in die Augen. "Das war eine Scheiß Reaktion von mir, mich mit einer anderen Frau ablenken zu wollen, was aber eh nicht funktioniert hat, meine Gedanken waren immer bei dir" - "Wie weit wärst du gegangen?" - "Ich weiß nicht ... aber ich hätte nie mit ihr geschlafen, Lisa. Ich weiß, wie verdammt weh es tut betrogen zu werden ..." - "Auch ein Kuss ist schon fremdgehen, Alex", sagt Lisa mit Tränen in den Augen. Er springt auf, setzt sich neben sie und zieht sie vorsichtig in seine Arme. "Es tut mir so wahnsinnig leid, Lisa", flüstert er ihr wieder und wieder zu, während er sie festhält und sie ihre Tränen laufen lässt. Nach einer Weile löst sich Lisa von ihm. "Alex ... ich weiß nicht ..." - "Gib uns noch eine Chance, bitte" - "Wir haben doch total unterschiedliche Pläne, was unsere Zukunft angeht. Vielleicht ist es besser, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen, bevor es noch mehr weh tut" - "Was meinst du?" - "In meiner Zukunft seh ich ganz klar Kinder" - "Lisa ..." - "Sag jetzt nichts, du hast deinen Standpunkt klar gemacht und ..." - "Stopp! Jetzt lass mich halt auch was sagen. Es stimmt, bisher hab ich immer gedacht, dass ein Kind keinen Platz in meinem Leben hat. Aber bisher hatte ich auch keine Frau, mit der ich mir eine Familie vorstellen konnte. Ich schließe Kinder nicht mehr kategorisch aus, seit ich dich kenne, aber ich finde, es ist noch viel zu früh, um sich darüber Gedanken zu machen" - "Das finde ich nicht - wenn die Planungen fürs Leben so weit auseinanderklaffen, ist es doch besser, sich vorher zu trennen, als alles in eine Beziehung zu stecken und hinterher vielleicht Jahre verloren zu haben" - "Das sind doch keine verlorenen Jahre, wenn man sich liebt, Lisa" - "Find ich schon. Du bist ein Mann, du kannst auch mit fünfzig noch Kinder zeugen. Aber ich bin fast dreißig, für mich beginnt die Uhr schon jetzt leise zu ticken", sagt Lisa. Alex nimmt ihre Hand und beginnt mit ihren Fingern zu spielen. "Lisa, du bist das Beste, was mir seit langem passiert ist, ich will dich nicht verlieren. Als ich dich mit an meinen Platz am See genommen habe, ist meine Welt stehengeblieben. Und seitdem dreht sie sich nur noch um dich. Als du mich diese zwei Wochen ignoriert hast ... Gott, ich war so frustriert und wütend auf mich. Ich war so sauer, als dich Fabian weggetragen hat und als er dich fallenließ, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Da ist mir noch mehr bewusst geworden, wie viel Platz du in meinem Herz einnimmst, Liebes. Bitte, gib mir, gib uns noch eine Chance. Schieb das Thema Kinder einfach mal ein bisschen nach hinten und lass uns erst mal miteinander leben, uns noch besser kennenlernen, sehen, ob wir unsere Macken akzeptieren können, ob unsere Lebenseinstellungen zusammen passen. Lisa, ich brauche dich". Alex ist am Schluss immer leiser geworden und schaut sie liebevoll an, aber auch ein Hauch Schmerz und Angst liegt in seinem Blick. Lisa sieht auf ihre Hände, er hält sie immer noch fest, und überlegt lange. So lange, dass Alex schon fast die Hoffnung verliert - doch schliesslich nickt sie kaum sichtbar. "Okay", flüstert sie. "Okay?" - "Ja, okay, ich geb uns eine Chance". Alex legt seine Hände an ihre Wangen und gibt ihr einen sanften Kuss, dann zieht er sie in eine innige Umarmung und vergräbt sein Gesicht in ihren Haaren. "Alex?" - "Hmmm?" - "Kannst du bitte etwas locker lassen, das tut weh" - "Entschuldige ... besser?" - "Ja", schmunzelt Lisa, die immer noch leicht an seine Brust gedrückt wird.
"Ich muss mich hinlegen, Alex", sagt Lisa nach einer Weile. "Klar, drüben oder oben?" - "Wohnzimmer". Alex hilft ihr auf und stützt sie leicht, weil sie schwankt. "Ist dir schwindlig?" - "Geht schon" - "Lisa, lüg mich nicht an" - "Ja, immer wenn ich aufstehe". Besorgt sieht er sie an und lässt sie allein, als sie auf dem Sofa sitzt. Als er wiederkommt, beendet er gerade ein Telefongespräch. "Danke, Tim. Ja, ich geb ihr gleich was. Wir sehn uns morgen. Tschüß". Er bleibt vor ihr stehen. "Lisa?" - "Hm?" - "Hast du die Tabletten genommen, die dir verschrieben wurden?" - "Nein, wozu, mir geht's gut" - "Dir gehts überhaupt nicht gut! Wo sind sie?" - "In der Apotheke" - "Du hast sie noch nicht mal geholt? Lisa, meinst du, die werden einfach so verschrieben? Wo ist das Rezept?" - "Alex ... " - "Komm mir jetzt nicht so, wo ist es?" - "Handtasche, im Gang". Alex geht aus dem Zimmer, kommt mit ihrer Tasche wieder und gibt sie ihr. Lisa sucht das Rezept und er nimmt es ihr aus der Hand. "Ich hol das jetzt und du rührst dich nicht vom Fleck. Und danach nimmst du die Tabletten" - "Aye aye, Doc". Erschöpft schliesst sie ihre Augen und Alex nimmt noch den Schlüssel vom Schlüsselbrett, bevor er das Haus verlässt. Leise betritt er kurze Zeit später wieder das Wohnzimmer, ein Glas Wasser und zwei Medikamentenpackungen in der Hand. Er setzt sich Lisa gegenüber in einen Sessel und betrachtet sie mit sorgenvollem Blick, da sie sehr blass ist und auch nicht sehr entspannt aussieht, obwohl sie schläft. "Ach Liebes", seufzt er. "Du bist schon wieder da?", murmelt Lisa und setzt sich vorsichtig auf. "Ich versteh dich nicht, warum nimmst du die Schmerzmittel nicht? Du hast doch offensichtlich starke Schmerzen, Lisa", sagt Alex und reicht ihr die Tabletten. "Weil es auch so wieder vergeht" - "Aber warum quälen? Der Körper merkt sich die Schmerzen, je länger du sie zulässt, desto länger dauern sie auch. Sei doch froh, dass die Medizin Schmerzen nehmen kann" - "Oje" - "Was?" - "Ein Arzt als Freund ist anstrengend, stell ich grad fest" - "Ich bin nicht anstrengend, wenn du einfach tust, was dir die Ärzte sagen, Lisa" - "Kommst du mit hoch?" Überrascht schaut er sie an. "Sicher?" - "Ja, ich will nicht allein sein". Alex steht auf und geht Lisa nach, die langsam die Treppe nach oben geht.

Love - The melody of our heartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt