6 Maila - So vieles erinnert hier an dich

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Unausgeschlafen, mal wieder, beschloss Maila, dass der Versuch auch nur eine Minute länger zu schlafen, gescheitert war. Draußen waberte der Morgennebel im schwachen Licht des verblassenden Mondes über die Wiesen und über den Spitzen des Tannenwäldchens ließ sich die erste Erhellung der Sonne vermuten.

Grummelnd zog sie eine saubere Reithose aus dem Schrank, sammelte weitere Klamotten ein und wanderte sich anziehend über das Bad in die Küche. Einkaufen hatte doch seinen Vorteil befand sie, als der Kühlschrank von Andrés gestriger Shoppingtour gefüllt war und sie die Qual der Wahl hatte, was sie essen wollte.

Mit Kaffee und einer Brezel machte sie sich auf den Weg zum Stall. Dort fand sie Attilas Trense, und mit dem ungesattelten und ungeputzten Pferd, dessen lockiger Schweif noch vor Strohhalmen strotzte, blieb sie am Zaun stehen. Die Holzlatten nutzend, schwang sie sich auf seinen breiten Rücken und trieb den Schimmel in Richtung Strand.

Den düsteren Wald hinter sich lassend, öffnete sich vor ihnen die Weite des Sandstrandes, und das Meer, über dem die ersten Sonnenstrahlen glitzernde Reflektionen auf dem Wasser zauberten. Erste schwache Farben, ein ausgewaschenes graublau und ein leicht pinkes orange zierten den Morgenhimmel.

Hier fühlte sich Maila, als könnte sie zum ersten Mal seit Tagen wieder richtig atmen. Den Spuren der Brandung folgend, trabte sie mit ihrem langjährigen Begleiter auf dem feuchten Strand entlang, die einzigen Geräusche die brechenden Wellen, Attilas Schnauber, und das morgendliche Gezwitscher der Vögel.

Je weiter sie ritt, desto höher wurden die Klippen an der Seite, und sie wusste, dass es nicht mehr weit zu dem Engpass wurde, an dem das Meer den Strand komplett fraß, und bei dem man bei Flut herunterspringen konnte. Mit einem entsetzten Blick auf ihre Uhr, sie sollte in einer Stunde fertig auf dem Springplatz sein, und ihre erste Reitstunde geben, wendete sie Attila.

Sie ließ ihn seinen Spaß und seinen Kopf haben, und er trug sie mit seinen vertrauten, ewig langen Galoppsprüngen über den Sand hinweg. Erst als ihm die Motivation ausging, und sie feststellte, dass sie gut Zeit und Boden wett gemacht hatten, bummelten sie im Schritt weiter. Über ihnen verblasste die Morgenröte, das farbenfrohe Zuckerwattespektakel einem schimmernden blau weichend. Der Tag versprach warm zu werden, und Maila hoffte auf einen schönen Sommer. Unter dem Himmel, auf ihrem Pferd, kam sie sich mit ihren Problemen nichtig und klein vor. Im Vergleich zu Josh und Ronja hatte die Zukunft alle Möglichkeiten für sie offengelassen. Was sie daraus gemacht hatte, das war ein anderes Thema. Aber darüber würde sie sich in fünfzig Jahren vielleicht Gedanken machen, für jetzt hatte sie noch mehr als genug Zeit und offene Türen. Und für die geschlossenen? Da gab es Schlüssel, Haarklemmen und Kreditkarten um diese aufzubekommen.

Attila parkte sie auf seiner Koppel, der einzige Beweis, dass er diese heute schon einmal verlassen hatte, war der blaue Abdruck ihrer Jeansreithose, der seinen Rücken jetzt zierte. Maila warf einen prüfenden Blick auf ihren Hintern, und fand, dass die weißen Haare und der Staub bei einem Reitcamp jetzt auch nicht wirklich stören konnten.

Der Hofplatz ähnelte einem einzigen Gewusel, auf erste Pferde wurde aufgesessen, andere standen in allen möglichen Zwischenständen zwischen Schlammpackung und reitfertig an den Putzplätzen.

"Na, aufgeregt?"

Liam riss sie aus ihren Beobachtungen, als er auf einmal an ihrer Seite auftauchte. Im Gepäck hatte er einen Liegestuhl, sowie einen Becher Kaffee. Diesen begutachtete er kurz, bevor er ihn Maila überreichte.

"Du siehst aus, als brauchst du ihn dringender als ich", fand er dann.

"Nein, um deine erste Frage zu beantworten. Und danke, sehr liebenswert", ergänzte sie sehr trocken.

Hufspuren im HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt