Als Maila wach wurde war die Welt gefangen in dieser blauen Stunde, diesem letzten Moment bevor sich die Sonne dazu entschied, den Tag mit ihrem Licht zu begrüßen. Stille herrschte in ihrem Zimmer, und sie fühlte sich das erste Mal seit Ewigkeiten wieder ruhig. Sie musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, woran es lag. An gleichmäßigen Atemzügen, die in ihrem Nacken kitzelten und einer wohligen Wärme, die sie fest umschlungen hielt. Sein Arm, der schwer auf ihrer Hüfte lag und sie dicht an sich gezogen hielt.
Maila seufzte leise, als sie sich vorsichtig drehte, um einen Blick auf den schlafenden Mann zu erhaschen. Ein Vogelnest an verwuschelten Haaren, Wimpern die leicht über seinen Wangen flatterten und ein Bartschatten, aus dem sie jetzt vorsichtig eines ihrer Haare zog. Sie unterdrückte den Drang mit einem Finger den Linien seines Gesichtes zu folgen, und nahm die Eisdusche hin, die ihre Gedanken tränkte, als ihr klar wurde, dass diese Arme nicht mehr die ihrigen waren, um darin zu liegen. Sie gehörten einer anderen.
Jess. Ein Wort, wie ein kleiner Dolch, der sich tief und tiefer bohrte, bis der Stachel sich in ihrem Fleisch verankert hatte. Dieser Funken Eifersucht gepaart mit der Hoffnung, dass etwas, das sich so richtig anfühlte, doch eigentlich gar nicht so falsch sein konnte.
Sie konnte das Teufelchen und das Engelchen auf jeweils einer Schulter gerade zu fühlen, der Engel, der wisperte, dass ihr das nicht zustand. Dass sie das ihm nicht antun konnte, an noch einem Scheitern von seinen Beziehungen schuld zu sein. Und dass, wenn Jess ihn so zum Lächeln brachte, dieses unbekannte Mädchen ja wohl auch kein schlechter Mensch war. Noch dazu schien sie ihm wichtig zu sein, und welches Recht hatte Maila denn schon, ihm das zu nehmen.
Das Teufelchen zischte derweil sehr vergnügt, dass er doch derjenige gewesen war, der in ihr Bett gekrochen war, und unterschlug derweil den Fakt, dass er das nur gemacht hatte, um sie zu trösten. Fleißig heizte das kleine rote Wesen weiter die Flammen an, malte ihr Bilder aus vergangenen Momenten, die von so vielen solcher Morgen erzählten, tanzte um das Feuer und krakeelte, dass das hier zuhause sei. Er. Und sie. Dass das schon so gehörte.
Das war jetzt auch wieder dem Engel zu viel, der ein bisschen Wasser ins Feuerchen kippte, mit der sehr wahren Aussage, dass Maila ihn vielleicht glücklich machte. Und unglücklich zugleich. Dass das eine nie ohne das andere einherging.
Bevor sie noch völlig verblödete, fand Maila, beendete sie besser diese Konversation mit ihrer sehr gespaltenen inneren Stimme. Einen letzten Blick nach hinten werfend, gewann die Vernunft über die Versuchung und sie begann sich vorsichtig aus seiner Umklammerung zu lösen.
Bewegte sich ganz langsam, damit er ja nicht aufwachte, und manövrierte sich Zentimeter für Zentimeter aus der Umarmung. Er schlief aber wie immer wie ein Toter und rührte sich kein bisschen, als sie sein Bein auf seine Seite zurückschob. Fast an der Bettkante angekommen, spürte sie dann, wie sich hinter ihr Gewicht auf der Matratze verlagerte, als er der Wärme ihres Körpers zu folgen schien. Die Fingerspitzen, die sie gerade noch so berührten, zogen sie wieder nach hinten. Maila hielt kurz die Luft an, aber seine Atemzüge blieben gleichmäßig ruhig.
Sie wurde wieder von knapp zwei Metern Mann umschlungen, und unterdrückte ein Kichern, als sie die Bartstoppeln am Hals kitzelten, an dem er jetzt sein Gesicht vergrub.
Als sie ihn jetzt im Halbschlaf ihren Namen murmeln hörte, war es vorbei mit ihrer Entschlossenheit. Sie kuschelte sich noch ein Stückchen näher an ihn, fand eine bequeme Position und schloss die Augen. Konnte die Welt auch ohne ihr Zutun den Tag begrüßen werden, fand sie.
Als sie das nächste Mal wach wurde, war die Sonne schon einmal über den halben Himmel gewandert. Sie lag quer in ihrem Bett, die Decke ordentlich um sie herum festgesteckt. Der Duft nach Essen stieg ihr in die Nase und sie hob vorsichtig den Kopf. Schob erstmal verzottelte Haarsträhnen auf die Seite, und entdeckte dann das Tablett mit Frühstück auf ihrem Nachttisch.
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Hufspuren im Herz
Teen FictionEs wird Sommer. Der erste seit langem, den Andrés wieder nur mit Pferden verbringen wird. Mit dem Uni- Abschluss in der Tasche, kann er der Einladung, als Trainer dort hin zurück zu kehren, wo der letzte Pferdesommer endete, nicht widerstehen. Es...