„Hm?", gab Andrés nur fragend vor sich, als ihm jemand zwischen die Rippen stupste. Er lag gemütlich in der Sonne, alle viere von sich gestreckt und ließ sich den Bauch wärmen. Vermutlich war er gerade der Innbegriff eines sich räkelnden Katers, als er jetzt versuchte, dem wiederholten Stupser auszuweichen, der weitaus weniger sanft ausfiel, als der erste.
„Steh auf, Faulpelz. Wir machen uns auf den Heimweg". Ciarán. Andrés verdrehte die Augen, als er jetzt noch nachdrücklicher bearbeitet wurde.
„Ich steh ja schon auf, kein Grund, meine Rippen so zu malträtieren", grummelnd kam er auf die Füße. Liams Sonnenbrille schob er sich nachlässig in die verwuschelten Haare, als umherziehende Wolken das gleißende Licht der Sonne verdeckten.
Grüppchen packten ihre Besitztümer zusammen, die Pferde standen grasend auf mehrere Bäume verteilt in dem großen Park des Schlosses. Andrés fand Mariposa als Erstes, der Apfelschimmel stach aus der Masse an dunkleren Pferden heraus. Chicago fand er kurz darauf, der Dunkelfuchs buddelte gerade einen Tunnel nach China. Er stand schon leicht schief, während er mit der Vorhand abwechselnd grub. Herumstehen und Grasen schienen dem Pferd einfach zu fad zu sein.
Andrés seufzte, bevor ihm einfiel, dass Josh derjenige war, der sich um herumfliegende Grassoden und Erdhügel, die einem Maulwurf alle Ehre machte, kümmern durfte.
„Hat sich Maila gemeldet?", fragte Andrés betont beiläufig nach, als Liam neben ihm sein Pferd trenste.
„Bei dir ja wohl nicht", erwiderte der grinsend. Andrés widerstand dem Drang, ihm eine runterzuhauen. Stattdessen löste er den Strick von Mariposa, und führte seinen Schimmel ein paar Meter weg. Als er das Halfter in seinen Rucksack stopfte, folgte die weiße Nase der Stute jeder seiner Bewegungen. Schnüffelnd, nicht ungleich einem Polizeihund, suchten die Nüstern akribisch jeden Zentimeter ab. Ehe er sich versah, versuchte sie durch den Netzstoff des Rucksacks hindurch, den Apfel zwischen die Zähne zu bekommen.
Amüsiert schob er die neugierige Nase zur Seite, bevor er den Apfel Mariposa hinhielt. Sie verarbeitete diesen zu Mus, der Schaum troff ihr zu beiden Seiten aus dem Maul.
„Ne, das schmierst du nicht in mein Shirt", schob er den Schimmel dann energisch zur Seite, sehr wohl im Wissen, dass Liam damit in die Reichweite des Pferdes kam. Der Ältere war gerade damit beschäftigt, eine Picknickdecke zusammenzufalten, seine mangelhaften Origamikünste wurden aber immer wieder vom Wind zerstört.
Mariposa streckte ihren sehnigen Hals, gab dem Trainer einen liebevollen Stups zwischen die Schulterblätter, und dekorierte dann das dunkelblaue Shirt mit weiß grünem Sabber.
Liam fuhr herum, und Andrés traf ein Blick, der hätte töten können.
„Was denn?", schaute er Liam unschuldig an, „ich war's nicht." Sein dreckiges Grinsen verriet ihn, und er rettete sich schnell hinter Mariposa. Äußerst vehement wurde Liam von dem Schimmel am Passieren gehindert, weil sie gerne noch einen Apfel gehabt hätte, und ohne Wegzoll ließ sie Liam nicht vorbei.
Andrés lachte sich derweil scheckig, die Flanke des Pferdes nutzend, damit er nicht umfiel.
Grummelnd gab Liam sein gescheitertes Projekt auf, und Andrés holte erst einmal wieder richtig Luft, nachdem sein Lachkrampf abgeklungen war.
Zufrieden, und leicht abgelenkt, trenste er Mariposa. Plänkelnd ritten sie in kleinen Gruppen den Serpentinenpfad herunter, hoch am Himmel über ihnen rollten die ersten Unwetterwolken übereinander.
Ciarán zog Liam lautstark darüber auf, dass seine Wetterapp wohl doch nicht recht gehabt hatte, da dieses Wetter nicht vorhergesagt gewesen war.
Andrés schüttelte über ihre Diskussion nur den Kopf, entschied sich aber, sich besser nicht zu beteiligen. Liams Geduld hatte er heute schon überstrapaziert. Aber hey, irgendjemand musste Liam ja auf die Zukunft vorbereiten, und er war sich sicher, dass Kinder, die Liams waren, auch nicht gerade nervenschonend sein würden. Vor allem, falls Andrés zum Onkel erkoren werden würde, worauf er schon hoffte.
DU LIEST GERADE
Hufspuren im Herz
Teen FictionEs wird Sommer. Der erste seit langem, den Andrés wieder nur mit Pferden verbringen wird. Mit dem Uni- Abschluss in der Tasche, kann er der Einladung, als Trainer dort hin zurück zu kehren, wo der letzte Pferdesommer endete, nicht widerstehen. Es...