8 Maila - Nur für diesen einen Moment

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Die Sonne hatte vergessen, sie zu wecken, lamentierte Maila am letzten Tag der ersten Woche. Sie sollte in genau zehn Minuten auf dem Springplatz sein, und sie lag noch im Bett.

Schimpfend legte sie ihr Handy auf die Seite, das ihr gerade die Uhrzeit verraten hatte, und schälte sich aus der Decke. Ein Blick aus dem großen Fenster sagte ihr auch, warum die Sonne sie nicht geweckt hatte. Grauer Dunst waberte über die Wiesen, Tropfen perlten an das Glas und feine Regenschnüre fielen konstant aus den Wolken.

Regenzeug aus ihrem Schrank zerrend, verfluchte sie den Morgen. Sie wusste, wer sich die große Reithalle unter den Nagel reißen würde. Liam. Und in der kleinen brauchte sie nicht mehr als fünf Sprünge reinstellen, die die Höhe eines Springreiterwettbewerbes nicht übertrafen. Denkbar ungeeignet.

In der Küche stand, wie schon an fast jedem Morgen, ein Thermosbecher mit Kaffee. Das besserte ihre Laune zumindest ein bisschen. Bewaffnet mit einer dicken Regenjacke, Softshellreithosen, die zumindest ein bisschen wasserfest waren, und ihrem Kaffee, ließ sie den Windfang hinter sich zufallen. Die Gummistiefel machten ihr Outfit erst so richtig Laufstegtauglich, aber Trockenheit siegte vor Gutaussehen.

Immerhin verliehen die rot weiß gepunkteten Stiefel dem Tag ein bisschen Farbe.

Vier Pferde drehten schon ihre miserablen Runden auf dem Sandplatz, Victoria fehlte noch. Carter bettelte um Aufschub der Stunde, bis das Wetter wieder besser wurde, und Maila versprach ihm, das Ganze so kurz wie möglich zu halten. Sam ähnelte einem Michelin Männchen, so viele Schichten schien der Junge übereinander gezogen zu haben, und Ronja sah jetzt schon so aus, als bräuchte sie mehr als eine der Lagen, um nicht zu erfrieren. Graces Vollblüter zog eine ähnliche Miene, und stapfte mit so einer Verachtung durch die einzige Pfütze auf dem ganzen Platz, als durchquere er gerade ein Meer.

"Wir reiten wirklich bei dem Wetter?", kam jetzt Victoria den Weg entlanggelaufen. Ihr Pferd zierte eine Regendecke, die vermutlich groß genug war, um ein halbes Dorf abzudecken.

"Ja", erwiderte Maila nur. Carter stellte recht schnell sein Gejammer ein, da er Victoria nicht zustimmen wollte.

"Und der Boden?", sie bohrte ein wenig mit der Spitze ihres Reitstiefels im Sand herum.

"Ist griffig, es steht kein Wasser darauf, ist frisch gefahren und nicht tief. Schwing dich auf dein Pferd zum Warmreiten", nahm ihr Maila jegliche Argumente.

Mit einer Miene, die zum Fürchten war, erklomm das Mädchen ihren Schimmel, dessen sichtbare Stellen vor Nässe schon schwarz waren. Die Regendecke runterziehend, würde das Pferd wohl demnächst komplett seine Farbe ändern.

Maila baute während des Warmreitens einen Teil ihrer Sprünge um, als sie recht spontan ihren eigentlichen Plan verwarf. Anstatt Wendungen würden sie jetzt halt an Distanzen arbeiten, denn ausprobieren, wie griffig der Boden bis ins letzte war, musste sie auch nicht.

"So. Für diese Übung dürft ihr euch bei Liam bedanken. 22 Meter, zwischen den Sprüngen der abknickenden Distanz und der geraden. Wie viel Galoppsprünge das sind, muss ich nicht erwähnen?"

Allgemeines Kopfschütteln. "Gut", Maila grinste, "jeder, der jeweils einmal mit vier und einmal mit sechs Galoppsprüngen beide Distanzen geritten ist, und das dabei noch mühelos aussehen lässt, darf ins Trockene. Wer zu viel mit der Hand reitet, darf nochmal."

Carter grinste schon siegessicher, bevor er irritiert guckte, als Maila noch Hütchen auf der Ideallinie für die abknickende verteilte. Eins links davon, und eins rechts.

"Und das ist euer Weg." Sein Grinsen war verflogen. Der Plan, dementsprechend abzukürzen und rauszureiten damit vereitelt. Das wäre ja zu einfach gewesen.

Hufspuren im HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt