20 Maila - Dass du Teil meines Lebens bist

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„Liam, ich weiß nicht, wie das nicht absolut im Chaos enden soll. Und du willst ihnen wirklich keine Packliste vorgeben?"

Maila stand angelehnt an die Küchenanrichte und sah ihrem langjährigen Freund dabei zu wie er Marshmallows, Schokolade und Kekse in eine seiner Packtaschen stopfte.

„Nein. Ich finde, die sind alle alt genug, um ein paar Klamotten und ihre Zahnbürste einzupacken und sich ihren Schlafsack aus dem Schrank zu ziehen. Halfter werde ich ein paar extra in den LKW schmeißen, und mehr brauchen wir ja nicht."

„Deinen Optimismus möchte ich haben". Maila sah gedanklich die Hälfte der Anwesenden ohne Schlafsack und den Rest mit fehlenden wesentlichen anderen Dingen, aber wenn Liam meinte, dass das schon alles passen würde, dann war das auch nicht ihr Problem.

„Bis später", ließ sie dann die Küche hinter sich und traf im Flur Carter, Josh und Ronja, die gerade den Plan musterten, welches Pferd auf welchem LKW landen sollte.

„Habt ihr schon gepackt?", fragte Maila sie dann.

Ronja und Josh nickten beide auf Mailas Frage hin, und Carter grinste, „mach ich gleich noch".

„Bitte, vergesst die Schlafsäcke und sonstiges Zeug nicht – ich plane weder meinen zu teilen noch ihn für einen von euch abzugeben. Wer friert hat Pech", ergänzte Maila noch, bevor sie sich zum Gehen wandte.

„So wenig Vertrauen hast du in uns?", empörte sich Carter.

„Das hat mit Vertrauen herzlich wenig zu tun. Mehr so mit Erfahrungswerten, und ich bin mir sicher, es werden genug Dinge fehlen."

„Ja, Mama", Carter musste das letzte Wort haben, bevor Maila die Tür des großen Hauses hinter sich zu fallen lassen konnte. Im Hof standen schon die großen LKWs so verteilt, dass man gut bei allen verladen konnte, ohne sich gegenseitig im Weg zu stehen.

Maila verdrehte die Augen über Carter und genoss dann den Sonnenuntergang auf dem Weg über Chicagos Koppel. Feuerrot ging in gemäßigtes Pink über, und vereinzelte Wolken leuchteten rosa in der Abendsonne. Im Bauernhaus war es still, und Maila machte sich daran, ihren eigenen Krempel in die Satteltaschen und ihren Rucksack zu stopfen. Ein wenig frische Wechselkleidung, verschiedene Schichten nach dem Zwiebelprinzip, und sicherheitshalber eine Regenjacke. Dicke Socken, Badesachen, eine Zahnbürste und Zahnpasta, eine Haarbürste und ein kleines Erste-Hilfe Set rundeten den Inhalt ihrer Satteltaschen ab. In den Rucksack kamen Müsliriegel, ein paar Äpfel, ihre große Wasserflasche und der Schlafsack. Andrés hatte ihr Mariposa wieder überlassen, und würde selbst entweder Dunkelschön oder irgendein anderes Pferd reiten, da hatte er sich noch nicht festgelegt. Maila war aber sehr froh drum, seine verlässliche Stute unter dem Hintern zu haben, sie hatte ihren letzten Ausritt noch nicht ganz verarbeitet. Attila wollte sie die doch längere Strecke nicht zumuten, und Ronja ritt ja Lavinia.

Mit einer Tasse Tee rollte sie sich dann auf dem Sofa zusammen, eigentlich müde vom Tag und den Kilometern, die sie am Morgen auf der Geländestrecke gelaufen war, als ihre Reiterlein abknickende Linien geübt hatten und irgendwann keine angeschrägten Hecken mehr hatten sehen wollen. Maila war aber sehr angetan von den Fortschritten, die alle fünf seit Beginn des Sommers gemacht hatten, und freute sich darüber. Ihre Müdigkeit wurde allerdings von einer inneren Unruhe zunichte gemacht, die sie sich nur teilweise erklären konnte. Sie war ein bisschen aufgeregt über die kommenden drei Tage auf der Insel, über den Wanderritt mit doch so vielen Pferden und Kindern, die organisatorischen Details, die da dranhingen, und gleichzeitig wusste sie, dass alles bestmöglich geplant und vorbereitet war – mit Ausnahme der fehlenden Packliste für die Pappenheimer.

Und vor allem wusste sie nach wie vor nicht, wie sie mit Andrés und mit dem Elefanten im Raum zwischen ihnen umgehen sollte. Mit der Kribbeligkeit, die seine Anwesenheit auf irgendeinem Level bei ihr auslöste, und mit der Distanz, die er seit ihrem Ausflug zu den Klippen wieder an den Tag legte. Die Zeit, um die er zum Nachdenken gebeten hatte, schien er auch zu brauchen, und die stand ihm zu, und Maila wusste, dass sie ihm diese auch geben musste. Gleichzeitig machte sie sich aber wahnsinnig damit, alles zu überdenken und zu hinterfragen und zu überlegen, was er denn vielleicht meinte oder fühlte oder sagen wollen würde. Maila musste sich immer wieder daran erinnern, aus diesem unsinnigen Hamsterrad der Gedanken auszusteigen, und einfach nur abzuwarten. Jegliche Spekulation war sowieso sinnlos.

Hufspuren im HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt