Kapitel 6

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Der Blick des Kaisers war gelangweilt, aber äußerst gelangweilt. Zu seinem Füßen lag ein totes Kind in einer Blutlache, aber es schien ihn nicht im geringsten zu interessieren. Stattdessen verzog er den perfekt geschwungenen Mund verächtlich und blickte mit seinen rubinroten Augen direkt auf Mr. Violett.
"Was tust Du hier, Roderick?" Seine Stimme klang tief und....desinteressiert. Was Roderick hier tat? Seine Leute umbringen, verdammt! Wieso schien es ihn kein bisschen zu kümmern?
"Ich hoffe du hast einen sehr guten Grund meinen Rasen verdreckt zu haben." Er blickte verärgert auf den Boden.
"Sonst wirst du dir wünschen, du wärest nicht so leichtsinnig gewesen."
Wie bitte? Mir klappte die Kinnlade runter. Der Rasen war verdreckt? DER RASEN?
"Theodore, eure Majestät."
Die Stimme klang kräftig und jung, wenn auch etwas krächzend, als hätte er sie lange nicht mehr benutzt.
"Ich bitte zutiefst um Verzeihung, eure Majestät. Aber nun ja, eure Zeit ist abgelaufen."
Mit diesen, äußerst dramatischen Worten warf er einen violetten Lichtstrahl direkt auf den Kaiser. Der Kaiser hob bloß eine Hand und fing den Lichtstrahl mit einer Hand auf. Er zog eine Augenbraue hoch.
"Ehrlich jetzt?"
Dann schleuderte er den Strahl zurück und traf Roderick direkt in den Bauch. Der begann zu zucken und zu ächzen. Er spuckte Blut und krümmte sich auf den Rasen, aber während der ganzen äußerst schmerzlichen Prozedur, lachte er bloß. Und lachte. Und lachte. Seltsamer Typ.
Als der Strahl seine letzte Kraft verlor, keuchte der Magier namens Roderick am Boden kauernd und stieß ein irres Lachen aus. Sein Mantel wehte umher und urplötzlich kam ein starker Wind auf. Blätter wurden gewaltsam aus den Bäumen gerissen, Dachsplitter aus dem Stall lösten sich und Menschen... Die Menschen flogen. Einige versuchten sich an dem Gras festzuhalten oder an irgendetwas fest verankertem, aber einige denen es nicht gelungen waren sich rechtzeitig festzuhalten wedelten kreischend im Wind mit den Armen und blickten panisch drein. Und da war ich. Ich lag entspannt auf dem Gras und nahm den Wind bloß als leichte Brise war. Sie zerrte nicht an mir, wie an den anderen. Nein, sie schien mir überhaupt nichts anzuhaben. Irgendwo, tief drinnen in mir, fragte sich ein Teil von mir, der nicht vollkommen durcheinander war, wieso. Aber dieser Teil fand in all dem Chaos kein Gehör. Stattdessen beobachtete ich wie Mr. Violett sich aufrichtete und die Hände an seinem Mantel abwusch.
"Eure Majestät, gebt zu, das hattet ihr nicht erwartet", schrie Roderick gegen den Wind an. Hier stimmte etwas nicht. Wieso musste er seine Stimme gegen den Wind erheben, damit man ihn hören konnte. Es war doch seine Magie. Musste sie ihm nicht blindlings gehorchen?
"Woher kommt dieser Wind, Roderick?" Die Stimme des Kaisers war lauernd geworden. Sie klang gefährlich und setzte sich durch, ohne dass er seine Stimme auch nur im geringsten erheben hatte.
"Wieso? Traut ihr mir nicht zu, so etwas selbst bewerkstelligen zu können?" Der Wind wurde stärker. Jedenfalls nahm ich das an. Ich konnte es nur dadurch ausmachen, dass das Rauschen lauter wurde und das Geschrei der Menschen ebenfalls.
Der Kaiser schnaubte verächtlich. Anscheinend schien es auch ihm zu reichen. Mit seinem Finger zog er einen einzigen kleinen Kreis in die Luft vor sich und öffnete sofort danach seine Handfläche. Augenblicklich raste aus seiner Handfläche eine riesige Spirale direkt auf Roderick zu und das so schnell, dass er keine Zeit hatte um auszuweichen. Im Gegenteil. Die rote Spirale raste auf ihn zu wie flüssiges Lava und schlang sich um seinen ganzen Körper. Die Spirale reichte vom Haaransatz bis zu den Fußspitzen. In Rodericks Fall wohl eher Mantelspitzen. Sein Mund war von der Spirale verschont geblieben. Dadurch dass sie aber seine Unter und Oberlippe einzwängte und dicht beieinander drückte, wurde ihm das Sprechen stark eingeschränkt. Der Kaiser blickte auf Roderick nieder, der auf den Knien kauerte und die Zähne wütend zusammenbiss.
Mit gleichgültiger Miene betrachtete der Kaiser das ihm da gebotene Spektakel. Bis auf wenige Zentimeter näherte er sich Mr. Violett, der inzwischen keine Violetten Hände mehr hatte, sodass er auf den kauernden Magier hinabsah. Er sah aus als würde er Roderick zum Schafott hinschleifen. Alles an dem Kaiser schrie Gefahr aus, von der fast weißen Haut bis zu den rubinroten Augen. Wäre der Wind nicht gewesen, mit denen die meisten Überlebenden Menschen zutun hatten, würde jeder einzelne zu den Füßen des Kaisers Knien und um sein Leben flehen. Der Kaiser ging in die Hocke, sodass er auf Augenhöhe mit seinem würgenden Feind war.
"Roderick, mein lieber alter Freund."
Kaiser Theodore von Benorien klopfte dem vernarbten Magier beschwichtigend auf die eine Schulter.
"Verzeih mir, wenn ich dir etwas falsches zu verstehen gegeben habe."
Der Kaiser lächelte milde. Und im nächsten Moment leuchteten seine Fingerspitzen in einem grellen weißen Licht. Er zog seine Hand zurück und versenkte mit atemberaubender Geschwindigkeit seinen Zeigefinger in Rodericks linkem Auge. Was dann folgte war ein grellender, spitzer Schrei aus vollem Halse der so schmerzvoll klang, dass selbst der Wind stillzustehen schien. Die Menschen die gerade noch in Panik waren wegen des Windes, wagten es trotz ihrer Not nicht einen einzigen Laut von sich zu geben. Der Wind war seltsam. Es fühlte sich so an, als wäre er tatsächlich verstört. Als hätte es Gefühle und Wahrnehmungen, als wüsste es, dass das was eben geschehen war, sehr schmerzvoll sein musste.
Und dann war der Moment auch schon vorbei. Der Wind wehte wieder in seiner gewohnten Intensität. Nur die Menschen blieben noch immer mucksmäuschenstill, erschreckt von dem immer währenden Schrei, der nicht aufzuhören schien. Irgendwann, es schien eine Ewigkeit zu dauern, zog der Kaiser seinen Finger aus dem Auge und obwohl ich es besser wusste schnappte ich entsetzt nach Luft. Sein Auge.... Es glich einem Loch. Einem sehr tiefen schwarzen Loch, dass endlos wirkte. Er hatte nicht einmal mehr ein Augenlid.
Ich konnte den Blick vor Schrecken nicht abwenden. Roderick hatte die Arme um seine Knie geschlungen und wiegte sich schluchzend hin und her. Der Kaiser richtete sich auf, das Gesicht verächtlich verzogen. Es tat seiner Schönheit nicht im mindesten einen Abbruch.
"Ich frage dich nur noch einmal du hohler Bastard, also hör gut zu. Wer zur Hölle hat diesen Wind heraufbeschworen und wieso kann ich ihn nicht beenden."
Der violette Magier zuckte bei dem Klang der Stimme des mächtigsten Magiers seiner Zeit in Angst und Schrecken zusammen.
"A...Affoin", brachte er irgendwann heraus.
Und ich zuckte zusammen, als der Kaiser schallend zu lachen begann.

The Enslaved GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt