Kapitel 14

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Sein Blick war gleichgültig, fast genervt, als er mich direkt ansah. Er sah so aus wie Genet, wenn ihre Mutter ihr befahl den Müll rauszubringen, obwohl die Dienstboten dafür zuständig waren. Nur, dass ich anscheinend noch weniger Wert hatte, als der Müll. Ich war ihm lästig. Das konnte ich aus dieser Entfernung problemlos feststellen. Langsam richtete er sich auf. Als wäre er die Ruhe in Person, obwohl ich das grausame Glitzern in seinen roten Augen sehr gut erkennen konnte. Warum mussten sie auch wie zwei Rubine leuchten. Wieso konnten seine Augen nicht blau oder grün sein. Es wäre um ein vielfaches einfacher gewesen. Jedenfalls hoffte ich das. Er fuhr sich mit der Hand durch die seidig blonden Haare, die so hell waren, dass sie wie flüssiges Gold wirkten. Nur heller eben. Dann vergrub er seine Hände in den Taschen seiner Stoffhose. Im nächsten Moment spürte ich Schmerz. Nicht wie vorhin als er mir sämtliche Knochen gebrochen hatte. Es war eine andere Art von Schmerz, aber genauso schlimm. Meine Haut fühlte sich plötzlich eng an. Viel zu stramm. Als wäre sie zu klein. Ich spürte förmlich wie etwas an meiner Haut zog. Hätte es nicht so wehgetan, hätte ich geschrien. Aber mein Mund war wie zugenäht. Als könnte ich die einzelnen Nadel Stiche fühlen. Es war grauenhaft. Und dann als ich glaubte in die Finsternis erlöst zu werden hörte es auf. Ich fühlte den Schmerz immernoch, aber er klang ab. Als würde er sich langsam zurückziehen. Ich starrte auf den Boden. Auf das Gras, besser gesagt und bemerkte, dass mein Standpunkt sich geändert hatte. Meine Hose hatte einige Flecken, so als wäre ich bis zu diesem Punkt hierhergeschleift worden. Meine müden Augen machten zwei paar saubere schwarze Schuhe aus und ich wusste, dass ich direkt vor dem Kaiser kniete. Ohne es bemerkt zu haben, hatte er mich mit seiner Magie hierhergeschliffen und mir dabei unmengen von Schmerzen zugefügt.
"Ich hätte dich beim ersten Mal direkt umbringen sollen und auf meinen Spaß verzichten."
Er seufzte. "Heute scheint es wirklich jeder darauf abgesehen zu haben mich zu stören."
Ich spürte eine Hand an meinem Hals und mit einem Ruck der mir die gesamte Luft aus der Lunge presste, zog er mich hoch. Meine Füße baumelten in der Luft. Und ich... Ich war dabei zu ersticken. Ich legte meine Hände um seine und versuchte mich freizustampeln, mich zu wehren. Aber er war stärker und ich vollkommen ausgelaugt. Ich wusste, dass meine letzten Sekunden gezählt waren. Mein Leben würde hier und jetzt enden. Ich hätte an meinen Vater denken sollen. An Genet, Semere, Ina, Laurin, Josephine oder jemand anderen der mir nahe stand. Aber da war etwas, ein Gefühl. Ein Gefühl, dass mir sagte, dass ich kämpfen muss. Ein Gefühl, dass mir zu bedeuten gab alles wäre verloren, wenn ich hier und jetzt mein Leben verlor. Das war natürlich irrsinnig, trotzdem gab es mir die Kraft mich gegen seinen Griff zu wehren. Vergeblich zwar, aber der Wille zählte, oder nicht? Mit Gewalt konnte ich mich nicht befreien. Ich musste es anders versuchen, aber es gab nichts das mir helfen konnte.
"Warte", krächzte ich. Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. "Ich kann dir helfen."
Zu meiner Überraschung brach der Kaiser in schallendes Gelächter aus. Er lachte als hätte ich einen Witz gemacht. Ohne seinen Griff zu lockern kam der Laut aus seiner Lunge. "Hach, die Menschen von heute. Du trägst keinen Tropfen Magie in dir. Und du beginnst mich zu nerven."
Als er noch fester zudrückte, versuchte ich nicht zu weinen.
"I...Ich kenne Leute, mit denen können wir reden. Seher. Bitte."
Ich klang weinerlich, flehend. Und ich hasste mich dafür.
Er schnaubte. "Ach wirklich und wen kennst du, der mir von Nutzen sein könnte?"
Das war der Moment in dem etwas seltsames mit mir passierte. Da war ein Flüstern. Nicht wie die Stimme, die ich im hintersten Winkel meines Kopfes hatte spüren können, sondern nur flüchtig. Wie ein Hauch.
Eleonore? Mein Name ist Adrienette. Lass mich dir etwas zeigen.
Mit einem Wimpernschlag, sah ich nicht mehr den Himmel über mir oder die schwarzen Punkte. Nein ich sah ein Bild. Eine Vision, schoss es mir durch den Kopf. Die Vision war verschwommen, nicht ganz erkennbar. Da war eine Frau. Sie stand vor einem Spiegel und verdrehte lächelnd die Augen. Sie hatte ein rotes Kleid aus Seide an, dass sie wunderschön aussehen ließ. Ihre grauen Augen lächelten verschmitzt. Ihr schwarzes Haar war offen über ihre Schulter gelegt und wurde an den Spitzen grau. Diese Frau war Ich. Ich musste einige Male Blinzeln, aber doch, ich war mir sicher, dass diese Frau Ich war. Irgendwann in der Zukunft. Erst jetzt bemerkte ich den Mann hinter ihr. Ihn konnte ich fast gar nicht erkennen. Alles was ich sah, war dass er groß war. Er hatte die Frau fest an seine Brust gezogen und atmete ihren, meinen, Duft ein indem er den Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub. Mein Blick glitt automatisch zu seiner Hand auf meinem Bauch. Blaue Magiefäden, die aussahen als wären sie verdreht zogen sich um ihren Bauch und seine Hand. Die Atmosphäre war schön, einzigartig. So voller Liebe. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als in diesem Moment dort zu sein. Besser als erwürgt zu werden. Als ich dachte die Vision würde schon zu Ende gehen, intensivierte sie sich mit einem Mal. Gefühle strömten auf mich ein. So heftig und stark, dass ich sie für einen Moment fast nicht zuordnen konnte. Ich brauchte einige Sekunden um verwirrt festzustellen, dass ich die Gefühle des Mannes spürte, nicht die der Frau. Und diese Emotionen trafen mich mit einer unglaublichen Wucht, dass ich glaubte zu sterben. Einige Sekunden war ich orientierungslos in diesem Chaos, aber dann konnte ich die Gefühle einordnen. Liebe. Dieser Mann liebte die Frau in seinen Armen. Liebte mich. Obwohl Liebe ein viel zu harmloses Wort für seine Empfindungen war. Was er fühlte war um unmengen stärker. Sehr viel stärker. Wenn er von ihr getrennt war, war er schlecht gelaunt. Es ging ihm miserabel. Er wollte sie zu jeder Tageszeit berühren, ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen, sie beschützen. Es war unglaublich. Und ich wusste instinktiv, dass diese Empfindungen nur ein Bruchteil von dem waren, was er tatsächlich fühlte.
Am liebsten wäre ich mit dieser Vision friedlich weggeschlummert, aber zum einen war ich halbtot im Würgegriff und zum anderen war da etwas anderes. Ich konzentrierte mich darauf. Versuchte herauszufinden was es war und entdeckte es, als sein Blick flüchtig auf die Hand an ihrem Bauch ruhte. Als er die blauen verdrehten Fäden sah, zeigte sich Missmut in seinen Gefühlen. Was auch immer es zu bedeuten hatte, der Mann schien nicht glücklich darüber zu sein. Im Gegenteil. Da war Angst. Angst, dass es sie ihm wegnehmen könnte. Überrascht erkannte ich, dass die Frau schwanger war. Und der Mann plante das ungeborene Kind zu...zu ermorden? War ich vorhin noch beeindruckt gewesen, war ich jetzt nur noch angewidert von diesem Mann. Wie konnte er? Ich blinzelte, versuchte die Vision loszuwerden und tatsächlich verblasste sie langsam. Mir war bewusst, dass mir irgendjemand mit dieser Vision etwas sagen wollte, aber was auch immer es war, ich konnte jetzt nicht darüber nachdenken. Ich musste mich darauf konzentrieren nicht zu sterben. Mit dem Verschwinden der Vision, setzten die Schmerzen und mein verkleinertes Sehvermögen wieder ein. Ich war nur noch wenige Sekunden von dem Tod entfernt. Das spürte ich. Mühsam hob ich den Kopf und blickte dem Kaiser in die Blutroten Augen, die immernoch sehr genervt wirkten. Nein, eigentlich Gleichgültig.
"Adrienette", krächzte ich schwach.
"Ich kenne Adrienette. Wir sind Freunde", log ich und hoffte diese Adrienette hätte sein Interesse geweckt. Aber das erfuhr ich nicht mehr, denn ich sank in die Bewusstlosigkeit. Und wusste nicht, ob ich jemals wieder aufwachen würde.

The Enslaved GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt