Kapitel 23

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"Was meint ihr mit 'umkippen'?"
Seine glühend roten Augen bohrten sich in meine. Seine Miene wirkte angespannt. Offensichtlich versuchte er sich mit aller Konzentration bei Bewusstsein zu halten. Der Regen schien mit jeder Sekunde heftiger zu werden.
"Damit meine ich verdammt nochmal, dass der Regen kein Regen ist."
Ich runzelte die Stirn. Es sah ziemlich nach Regen aus. Es fühlte sich auch so an.
"Und was ist es dann? Opium?"
Er warf mir einen Blick zu der so verächtlich war, dass ich zusammen zuckte.
"Nein, Schmerzenstränen."
Ich schnappte nach Luft.
"Scheiße."
Er nickte.
"Wieso habt Ihr keinen Zauber gewirkt, der dem entgegensetzt?"
Er warf mir einen mörderischen Blick zu. Dann zischte er und sein Gesicht verzog sich angestrengt. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, seine Augen fest zusammengekniffen und seine Finger bohrten sich in meine Schulter. Und trotz allem sah dieser verdammte Mann himmlisch aus. Fantastisch. Makellos. Das war so unfair.
Plötzlich entspannten seine Gesichtsmuskel sich und seine Hand rutschte von meiner Schulter und dann kippte er um. Also eigentlich fiel er Ohnmächtig zu Boden. Ich starrte auf ihn herab. Und hörte gar nicht mehr auf. Mir war bewusst, dass er gesagt hatte ich solle nach Zyon. Der Kaiser war unsterblich. Schmerzenstränen konnten ihn nicht umbringen. Nicht mal verletzen. Sie bewirkten nur, dass sein Verstand für eine Weile benebelt war. Ich sollte jetzt gehen. Das hier war die perfekte Möglichkeit nach Zyon und dann nach Thallin zu gehen. Vielleicht würde der Kaiser mich finden und umbringen, wenn er herausfand, dass ich ihn belogen hatte. Vielleicht aber kriegte ich Adrienette dazu tatsächlich mit dem Kaiser zu reden. Aber selbst wenn, ich hatte ihm eine Liste versprochen. Nicht weniger. Deswegen musste ich flüchten. Das hier war meine Chance. Aber ich hatte Fragen. Eine Menge Fragen. Und möglicherweise würde mich der Kaiser eher foltern, als mir Antworten zu geben. Aber einen Versuch war es wert. Also ging ich nicht. Ich kniete mich zu dem Kaiser runter und blickte auf seine große wunderschöne Gestalt herab. Dann hievte ich seinen Körper auf meine Schulter. Besser: Ich versuchte es. Ich scheiterte. Keuchend stemmte ich mich auf meine Knie und fluchte. Wie überaus intelligent von mir es mit Muskelmasse zu versuchen. Dabei hatte ich keine. Ich war von schlanker Statue, aber keine hilfreichen Muskeln. Wie kam ich auch auf die Idee den Kaiser mitzuschleppen? Ich tat das, was ich am liebsten tat. Denken. Der Kaiser war weder bei Bewusstsein noch leicht genug zum Tragen. Hier lassen war eine blöde Idee. Der Regen nahm nicht ab. Es prasselte als wäre der Himmel sehr, sehr wütend. Und da die Tropfen eigentlich Tränen waren, die mich übrigens schon längst hätte umbringen sollen, würde der Kaiser nicht aufwachen solange es regnete. Ich überlegte eine Schlaufe zu basteln und ihn an seinem Oberkörper mit zuschleifen, aber das würde mich zuviel Zeit und Energie kosten. Zyon war noch zu weit entfernt und einen Unterschlupf gab es hier nicht. Keine Höhle. Nur Bäume, Laub und Erde. Ich seufzte, drehte mich um meine eigene Achse und versuchte nicht zu frieren. Das misslang mir gründlich. Ich blickte auf das makellose Gesicht des Kaisers herunter und seufzte. Meine Entschlossenheit geriet ins Wanken. Ich konnte ihn sowieso nirgends mitnehmen. Und ob er meine Fragen beantworten würde konnte ich beim besten Willen nicht sagen. Auch nicht, wie viele Schmerzen damit verbunden waren.
Ich war idiotisch auch nur daran zu denken, mit dem Kaiser reden zu wollen. Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und ging in die Richtung, die der Kaiser mir gezeigt hatte. Eigentlich sah hier alles gleich aus. Wie ein Wald halt. Ich redete mir Zuversicht ein und ging los. Ich machte zwei Schritte. Weiter kam ich nicht. Mit einer Heftigkeit die ich nicht erwartet hatte, schob sich ein Bild vor meine Augen und blendete die Realität für einige Sekunden aus. Es war so eindringlich, dass ich auf die Knie sank und keuchte. Ich hielt mich an einem dicken Baumstamm fest, rutschte aber ab und fiel auf den Boden. Aber das nahm ich alles gar nicht richtig war. Vor meinem Auge kehrte die Vision zurück. Ich, wie ich vor einem Spiegel stand. Der Mann hinter mir, der eine Hand auf meinen Bauch legte. Und die Magiefäden die sich um meinen Bauch und seine Hand zogen. Das ist die Vision, in der ich schwanger war. Und der Mann das ungeborene Kind umbringen wollte. Ich blinzelte ein paar Mal. Versuchte daraus schlau zu werden, wieso ich diese Vision jetzt sah. Aber ein Wimpernschlag später, war die Vision vorbei. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Was...? In meinem Kopf bildete sich eine Frage, dessen Antwort ich nicht kannte. Sie nahm Gestalt an und fraß sich in mein Hirn. Wieso war diese Vision eigentlich keine Alternative?
Egal wie, die Welt würde untergehen, aber in dieser Vision schien es nicht so zu sein. Ich war vollkommen durcheinander. Wieso war diese Vision kein mögliches Ende? Ich wusste nicht wieso, aber ich drehte mich wieder zu dem Kaiser. Er war so nass, als würde er unter der Dusche stehen. Ich zwar auch, aber zu meiner Überraschung machte es mir nicht viel aus.
Ich wusste nicht wieso, aber ich drehte mich wieder zu ihm um.
Tja, wäre ich wohl besser weggerannt.

The Enslaved GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt