Kapitel 7

21 1 0
                                    

Er lachte, als hätte er sie nicht mehr alle. So laut und schallend, dass Roderick ein Wimmern von sich gab.
Der Kaiser schnaufte, stützte sich an den Knien ab und versuchte sein Lachen zu unterdrücken.
"Du..du..."
Er lachte wieder schallend los und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Seine Lava Augen wirkten zutiefst amüsiert. Als er sich soweit unter Kontrolle hatte, um einigermaßen verständliche Worte von sich zu geben, war so viel Zeit verstrichen, dass selbst ich Angst hatte.
"Du behauptest also Affoin selbst hätte diesen Wind hinaufbeschworen? Nein Sekunde, Affoin kann kein Wind heraufbeschwören. Du behauptest der Wind seie Affoin?"
Der Kaiser grinste spöttisch.
Roderick machte sich noch kleiner und schwieg. Nach einer Weile eisigen Schweigens zuckte der Kaiser mit den Schultern und griff Roderick an den Hals.
"Du hast es nicht anders gewollt", sagte er, als wäre es Rodericks Schuld für das was ihm wiederfuhr. War es auch. Irgendwie.
Der Kaiser drückte seine Hand nur minimal um seinen Hals, trotzdem lief Roderick sofort grün an, nur um wieder ganz bleich zu werden bei den nächsten Worten des Kaisers.
"Vlanéa."
Es war zwar nur eines, aber es warf ein so großes Echo zurück, dass es wirkte, als wären es mehrere.
Éa. Éa. Éa.
Ich hatte von dieser Art der Magie gehört. Nur wenige beherrschten sie. Es war dunkle Magie. Die Art, die größere Vernichtung als die Pest anrichtete und mehr Zerstörung hinterließ, als man wieder richten konnte. Ich hatte sogar von dem Zauber gelesen. Der Zauber hieß Vlanéa, so nannte ihn der Mann, der ihn zum ersten Mal angewendet hatte. Er war längst tot, umgebracht von seinem Sohn, aber der Zauber bewirkte, dass das Opfer die Wahrheit sagen musste. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Allerdings unter qualvollen Schmerzen und tatsächlich krächzte Roderick alias Mr. Violett und das gesunde Auge verdrehte sich. Nur noch das weiße war zu sehen. Ohne den Mund zu öffnen und immernoch umschlungen von der Spirale, die mittlerweile seine Haut versengte, antwortete seine innere Stimme auf eine Frage, die ich nicht gehört hatte zum wiederholten Male: "Affoin."
Die Stimme hallte wie ein zurückgeworfenes Echo nach und hinterließ einen bitteren Geschmack auf der Zunge.
Der Kaiser seufzte genervt.
Jetzt konnte er sich seiner Sache zumindest sicher sein.
"Wieso Affoin?"
Das schwache Licht an der Kehle Rodericks zeigte mir, dass er immernoch im Zauber gefangen war.
Wieder kam ein krächzen, dann spuckte er Blut bevor er ohne die Bewegung seiner Lippen eine Antwort gab.
"Weil er ein Mann ist der zu seinem Wort steht."
Der Kaiser grunzte.
"Na toll. Ich hasse diese kryptischen Worte."
Und mit einer wegwerfenden Handbewegung lösten sich alle Zauber auf. Das Licht an Rodericks Kehle verschwand, die Spirale wurde zu Rauch und das Auge begann zu heilen. Der Kaiser ließ von seinem Hals ab und ich atmete erleichtert auf. Für einige Sekunden hatte ich tatsächlich vergessen, wer eigentlich die Gefahr war. Wer Sensenmänner auf Kinder und Frauen angesetzt hatte. Und das nur weil Roderick so hilflos ausgesehen hatte. So machtlos. Und weil der Kaiser eine viel größere Gefahr ausstrahlte als Roderick es je könnte. Aber jetzt konnte alles gut laufen. Der Kaiser sperrte Roderick einfach ein, damit er nicht noch einmal angreifen könnte und machte die Menschen mit seiner Magie gesund. Aber das passierte natürlich nicht. Stattdessen legte der Kaiser eine Hand um Rodericks Kiefer und drückte mit der anderen seitlich an seinen Schädel. Mit einem harmlos wirkendem Knacks hatte der Monarch von Benorien dem vernarbten Magier das Genick gebrochen. Der sank jetzt leblos zu Boden. Sein Körper lag der Länge nach auf dem blutenden Rasen, seine toten Augen starrten in den Himmel. Und mit seinem Tod legte sich mit einem Mal der Wind. Von einem auf den anderen Moment verschwand er, als wäre er nie da gewesen. Die Menschen landeten plumpsend auf den Boden, einige weinten wieder. Diesmal aus Erleichterung. Andere aus Schmerz, zweifellos wegen der heutigen Verluste. Ich lag immernoch da, wie eine willenlose Puppe und tat nichts.
"Eleonore? Hörst du mich? Eleonore?"
Es war Laurins Stimme. Ich hätte aufstehen sollen und sehen ob es ihr gut geht. Ich hätte nach Ina fragen sollen und dabei helfen die verwundeten zu versorgen. Stattdessen tat ich gar nichts. Irgendetwas sagte mir, dass das keine gute Idee war. Irgendetwas zwang mich dort zu bleiben wo ich war.
Dieses Etwas sollte recht behalten.
"Eure Majestät!"
Ein Soldat in beigefarbener Uniform rannte zum Tor hinaus auf den Kaiser zu. Er quetschte sich zwischen Menschen hindurch, die herumwuselten und eilig versuchten ordentlich genug auszusehen, um sich vor dem Kaiser zu verbeugen. Einige sahen fast schon ängstlich aus, als sie versuchten die schnellstmögliche Lösung für den Dreck auf ihren Kleidern zu finden.
"Eure Majestät wir haben eine Nachricht aus..."
Weiter kam er nicht. Denn er blieb urplötzlich stehen. Das eine gestiefelte Bein halb erhoben für den nächsten Tritt. Den Mund geöffnet für die Worte die er hatte sagen wollen. Die Lider halb geschlossen, als hätte er gerade geblinzelt und die Hände mitten in der Luft, in der er seine Worte mit Gesten unterstreichen wollte. Es hätte sicherlich seltsam ausgesehen, wie dieser eine Mann mitten im Chaos in allen seinen Tätigkeiten innehielt. Selbst im atmen.
Wenn er nun denn der einzige gewesen wäre. Aber nein, kein Mensch auf dem Hof bewegte sich. Es war mucksmäuschenstill. Von einigen konnte man das erstarren an den Haaren ablesen, die in der Luft hingen, weil die betreffende Person gerade seinen Kopf gedreht hatte. Selbst ein Krug Wasser, dass jemand für die Wunden der verletzten geholt hatte und welches gerade umgestoßen worden war, hielt auf halbem Wege inne und schwebte quasi. Ich bewegte meine Fingerspitzen, um zu kontrollieren in wie weit ich eingeschränkt war, aber sie bewegten sich problemlos. Ich schluckte. Hier stimmte etwas nicht. Überhaupt nicht. Der Kaiser drehte sich zu der Menge um und rümpfte die Nase.
"Ufff", sagte er. Dann fing, rechts vom Palast, der Boden an zu beben. Tja, was soll ich sagen. Ein Tag wie jeder andere eben. Der Boden da wurde brüchig. Es knackte und Risse bildeten sich. Dann fiel der Boden in sich zusammen. Immer positiv denken, Eleonore. Ich war schon immer ein Optimist gewesen, aber das machte mir dann doch Sorgen. Erst langsam, dann immer schneller, verschwanden kleinere Bodenteile nach innen. Tornadoförmig sanken sie im Kreis in den Boden und als ein Loch entstanden war, kaum größer als mit einem Radius von einem Meter, färbte Licht das Loch in ein leichtes gelb. Kleine violette Fäden durchzogen den Kreis wie Würmer auf der Suche nach Futter. Ich machte mir nicht einmal die Mühe genauer hinzusehen. Ich wusste auch so, was es war.
Ein Portal.

The Enslaved GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt