19.)

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Ich hatte so ziemliches alles erwartet, nur nicht das. Auf dem Bett lag Rocco. Mein Rocco. Er schien gerade erst aufgewacht zu sein, denn noch passierte nichts, doch dann änderte sich seine Haltung und er sprang vom Bett. Kurz knurrte er, bevor er mich erkannte und schwanzwedelnd auf mich zusprang. Ich wollte das Kleid nicht ruinieren, also zog ich es aus, hängte es auf und zog mir eines der im Schrank hängenden an. Dann konnte ich mich endlich auf Rocco konzentrieren. Ich setzte mich aufs Bett und er sprang neben mich. Als er sich hinlegte und seinen Kopf in meinem Schoß platzierte, begann ich ihn zu streicheln.
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Die Tür öffnete sich und Steve kam herein. Er hatte ein großes Kissen in der einen Hand und in der anderen einen Teller mit einem Stück Pizza. Es sah lecker aus, doch ich hatte keinen Appetit. Ich wollte nicht essen. Rocco wachte wieder auf und begann ihn anzuknurren, doch das schien Steve nicht im Geringsten zu stören. Dieser stellte den Teller auf dem Tisch ab und platzierte dann das Kissen in der noch freien Ecke des Zimmers, neben der Tür. "Komm her.", sagte Steve und hielt seine Arme auf. Ich stand auf und ging unschlüssig auf ihn zu. Wollte er sich mit mir versöhnen? Als mein Kopf seine harte Brust traf und sich seine Arme zu einer Umarmung schlossen, schloss ich die Augen und stellte mir vor, dass das hier gerade jemand anderes war. Irgendjemand, der mir wichtig war und den ich jetzt gerade umarmen wollte. Ich atmete seinen Duft ein und stellte mir vor, dass wir wirklich eine Beziehung hatten. Aber am Ende war es doch nur Vorstellung. Ich hatte keine Gefühle für ihn. Noch immer nicht. Nach ein paar weiteren Momenten löste sich Steve von mir und schob mich zu meinem Platz am Tisch. Widerwillig setzte ich mich hin und sah auf die Pizza. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, um seine Erlaubnis zu fragen. Ich wollte sowieso nicht essen. "Die Pizza habe ich dir mitgebracht, weil du heute so toll mitgemacht hast.", klärte er mich auf, doch ich interessierte mich eigentlich gar nicht dafür. Ich wollte meine Ruhe haben und schlafen. "Ich möchte nichts essen.", teilte ich ihm schüchtern mit. Ich war wieder seiner Willkür ausgeliefert. "Oh, doch.", kam es direkt von ihm. Heute wollte ich nicht streiten und ihn eigentlich auch nicht provozieren, also nahm ich sie und biss eine Ecke ab. Der Geschmack war bestimmt sehr lecker, doch heute musste ich sie mir herunterzwingen. Danach fühlte ich mich unwohl. Mir wurde schlecht und ich wusste, dass ich sie hätte einfach nicht runterwürgen sollen. "D-darf ich mich bitte hinlegen?" Das erste Mal klang meine Frage nicht mehr nur wie eine einfache Frage. Es kam deutlicher heraus, dass er die Entscheidung traf und ich sie hinnehmen musste. Er nickte und ich stand auf. Mit zitternden Beinen machte ich mich auf den Weg zum Bett, wo noch immer Rocco lag und mich wachsam ansah. Ich setzte mich erst und zog dann meine Beine ebenfalls aufs Bett. Ich vergrub mein Gesicht im Kissen, während ich hoffte, dass jetzt nicht alles wieder hochkam. Wenn ich nicht essen wollte, sollte ich auch nicht essen müssen. Mein Körper sollte ja schließlich besser wissen, als Steve, wann er Essen brauchte und wann nicht. Rocco kroch weiter nach oben Richtung Kopfkissen und legte sich dort hin. Er spürte wahrscheinlich mein starkes Unwohlsein. "Mila?" Ich antwortete nicht. Wenn er mich jetzt schlafen ließ, wurde es bestimmt viel schneller besser. Seine Hand fand ihren Weg zu meinem Bauch, der wild grummelte. Bei diesem Gefühl wimmerte ich auf. Ich hasste es, wenn mir schlecht war. Steve nahm seine Decke und deckte mich mit ihr zu, da ich auf meiner eigenen lag und setzte sich dann bei sich ins Bett. Ich wusste nicht, was er tat, aber er sprach mich nicht mehr an.
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Ich drehte mich auf die andere Seite und griff nach dem erstbesten, was ich finden konnte. Es war warm und weich. Ich kuschelte mich daran, ohne zu überlegen, wer oder was es eigentlich war, und schlief dann wieder ein. Mir war viel zu kalt. Wieso war es so kalt. "Mum, hast du wieder das Fenster offen gelassen?", fragte ich in die Stille hinein und bekam zur Antwort ein raues Lachen, das mich aus meinem Schlaf aufschrecken ließ. Ich lag an Steve gekuschelt in unserem Bett. Schnell, aber dennoch versucht unauffällig, rückte ich von ihm ab. "Ich bin zwar nicht deine Mutter, aber ja, das Fenster ist offen.", sagte er amüsiert. Ich setzte mich auf und sah zum Fenster. Es stand weit offen. "Bitte mach das Fenster zu.", jammerte ich müde und gähnte. Ich wusste nicht, wie spät es war und ob ich ihn geweckt hatte, doch er schien noch ziemlich wach zu sein. Er zog mich zu sich und zog mir die Decke weg. "Du kannst es zu machen, Mila." Ich schwang meine Füße vom Bett und ließ sie kurz den weichen Teppich unter mir ertasten. Dann suchte ich ihm Dunkeln den Griff, doch ich fand ihn nicht auf Anhieb. Am offenen Fenster zu stehen machte alles noch kälter, doch ich wollte es endlich geschlossen haben. "Gracias.", kam es von Steve als ich es endlich geschafft hatte. Seit wann sprach er bitte Spanisch? "Kein Problem.", gähnte ich und legte mich wieder hin. Dieses Mal deckte ich mich mit meiner eigenen Decke zu, wobei ich direkt die Wärme von Steves Daunendecke vermisste. Meine war natürlich viel dünner. Wieso auch nicht, ich war ja nur eine Gefangene.


ENTFÜHRT, Weil Ich Dich Liebe - Wie stark ist deine Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt