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Als ich so dalag und die Behandlung über mich ergehen ließ, fragte ich mich, ob ich eigentlich irgendwelche Narben am Rücken hatte. Ich sah meinen Rücken nicht so oft und konnte es deswegen nicht gut einschätzen. Aber er hätte ja was gesagt, oder? Am Ende der Behandlung fühlte ich mich irgendwie doch besser. Es war zwar an manchen Stellen unangenehm gewesen, aber der Effekt war ziemlich direkt eingetreten. Das erste Mal hatte ich wirklich keine Schmerzen.
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"Mila?", fragte Steve sanft. Ich war doch tatsächlich in seinen Armen eingeschlafen! Leicht rekelte ich mich, um ihn anzusehen. "Was ist?", fragte ich und hörte die Neugierde in meiner Stimme. "Wieso dachtest du, dass du kein Spanisch sprechen kannst?" Diese Frage hatte ich nicht erwartet. Was sollte ich denn darauf bitte antworten? "Ich habe es seit mindestens 9 Jahren kein Spanisch mehr gesprochen. Deswegen bin ich davon ausgegangen, dass ich es nicht mehr kann." Er musste lachen und ich fragte mich, wieso er das auf einmal tat. An meiner Aussage war nichts witziges dran. Doch dann klärte er mich auf. "Ich habe ein Video von dir gefunden. Du warst noch so jung und unschuldig, als du diese Abschiedsrede in deiner alten Schule halten musstest." Ich spürte, wie sich meine Wangen erhitzten und vergrub mein Gesicht in seiner Brust. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Brust?! Erschrocken stellte ich fest, dass ich mich an ihn gekuschelt hatte. Ich wollte wieder wegrücken, doch er ließ es nicht zu. Ich wurde unruhig, doch er lockerte seinen Griff nicht. "Mila.", kam es nur drohend von ihm und ich zuckte leicht zusammen. Unsicher sah ich ihn an und er strich eine verirrte Strähne aus meinem Gesicht. Bei seiner Berührung schloss ich die Augen, denn sie löste nichts weiter als Unwohlsein in mir aus. "Entspann dich, du machst mich verrückt, wenn du so unruhig bist." Nervös sah ich nach unten und spielte mit meinen Fingern. Dabei biss ich mir leicht auf die Unterlippe. Ich spürte eine Hand - seine Hand - an meinem Mund. "Lass das.", kam es von ihm und der befehlende Ton war nicht zu überhören. Von unten sah ich zu ihm auf und sein Blick traf meinen. Als sich unsere Augen aufeinander richteten sah ich wieder weg. "Was ist, Mila?", fragte Steve und klang ungeduldig. Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass mir seine Nähe unangenehm war und er mich loslassen sollte, oder? Ich entschied mich dagegen und suchte nach einer anderen Sache, die ich ihm als Lüge auftischen konnte. Er griff nach meiner Hand. "Antworte mir gefälligst, wenn ich mit dir rede!", zischte er bedrohlich in mein Ohr und eine Gänsehaut bildete sich in meinem Nacken. Was sollte ich ihm denn sagen? Zum Glück musste ich genau in dem Moment niesen. Ich war zuvor noch nie so erleichtert gewesen. Jetzt hatte ich etwas; das war meine Ausrede! "M-mir ist kalt." Ich sah wieder auf meine Finger, denn es machte mich nervös, ihn anzulügen. Was weiß ich, was er mir antun würde, wenn er diese Lüge durchschaute. Sein Griff um meine Hand wurde sanfter und ich konnte sie sogar fast ohne Probleme wieder zu mir zurück ziehen. Er stand auf und sagte nun schon etwas weniger streng: "Gehen wir hoch. Die Couch ist auch nicht der bequemste Ort auf der Welt." Ich folgte ihm wie ein Schoßhund und ließ alles über mich ergehen. Oben angekommen sah ich ihn kurz unschlüssig an. "Leg dich hin. Ich bringe dir gleich dein Abendessen hoch." Seine Stimme war nicht mehr so streng, doch sanft keinesfalls. Er ging und schloss mich mal wieder ein. Ich beschloss, seinem Befehl nachzugehen und kuschelte mich in seine Decke - es war tatsächlich kalt. Als mir immer noch kalt war, deckte ich mich zusätzlich noch mit meiner eigenen Decke zu. Ich hörte nicht, wie er wiederkam, da ich wohl eingeschlafen war, doch als ich das nächste Mal aufwachte, stand ein Tablett mit Essen auf dem Tisch. Ich stand auf, mühsam mit beiden Decken um mich geschlungen, und ging zum Tisch. Es war ein Brot mit irgendetwas undefinierbarem darauf, ein Apfel und eine Flasche Wasser. Ich überlegte kurz und roch dann an dem Brot. Der starke Geruch von Frischkäse stieß mir entgegen. Mit sechs großen Bissen war das Brot in meinem Magen verschwunden. Ich beschloss, den Apfel am Morgen zu essen. Dabei war es mir egal, dass er das sicher ganz und gar nicht toll fand. Durch die Scheibe Brot war ich einfach schon viel zu gesättigt um jetzt noch einen Apfel hinterher zu schieben. Ich öffnete die Flasche mit dem Wasser und trank einen ordentlichen Schluck daraus. Danach stand ich wieder auf. Es war sowieso nicht so schlimm, wenn der Apfel da noch bis morgen stand. Er war ja nicht geschnitten oder so, also machte diese eine Nacht mehr oder weniger keinen großen Unterschied. Wieso machte ich mir überhaupt die ganze Zeit Gedanken über diesen scheiß Apfel? Vielleicht, weil ich so Steve provozierte und ihn wütend machte, oder weil ich einfach nichts anderes mehr zum Nachdenken hatte. Mir war hier ständig langweilig. 'Tintenherz' hatte ich inzwischen schon zwei Mal ganz durchgelesen und konnte langsam die Dialoge mitsprechen und von Steve hielt ich mich so gut es eben ging fern. Was nicht einfach war, da er immer bei mir war und mich nie aus den Augen ließ. Als ob es ihm nicht reichte, dass ich schon fast täglich hier oben eingesperrt war, wo es noch weniger zu tun gab als unten. Dort konnte ich wenigstens in die Küche und kochen oder an den Fernseher, wenn er es mir erlaubte. Außerdem wollte ich meine freie Zeit nicht mit Sport verbringen. Ich hatte es lange nicht mehr gemacht und war langsam echt nicht mehr in Form. Zu nahm ich trotzdem nicht, da ich noch immer bescheiden aß und auch Steve daran nur wenig ändern konnte. Er konnte mich zwingen, aber am Ende kotzte ich sowieso wieder alles aus. Das hatte er schnell gelernt. Er zwang mich inzwischen nur noch ungern zum Essen, einerseits da er alles sauber machen musste, wenn ich es nicht rechtzeitig ins Bad oder zum Mülleimer schaffte und andererseits, weil ich danach immer ausgelaugt war und schneller krank wurde. Ich bekam immer schneller Fieber und Kopfschmerzen und inzwischen wusste er bestimmt auch schon fast nicht mehr, wieso er mich noch bei sich behielt. Ich wäre sowieso keine gute Zeugin. Ich war ein gutes Opfer. Wenn er mich im Wald aussetzen würde, würde ich da sicher nicht länger als eine Woche überleben.
Ok, denk gar nicht erst daran, Mila. Er wird dich nicht zum Sterben aussetzen. Er hat dich schließlich auch schon geheiratet; das muss ja was heißen!
Hoffentlich...

ENTFÜHRT, Weil Ich Dich Liebe - Wie stark ist deine Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt