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"Was haben Sie sich dabei gedacht? Mila, hören Sie mir überhaupt zu?!" Ich saß auf dem Krankenhausbett und vor mir lief meine Therapeutin auf und ab, immerzu schimpfend. War das überhaupt das Richtige, was man in so einer Situation tun sollte? "Mila Yamuelz! Was hat sie nur dazu angetrieben?! Hat er sie zu diesem Besuch in irgendeiner Weise gezwungen?" Ich schüttelte den Kopf. Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich es hasste, wenn man mich so anschrie? "Bitte.", flehte ich leise und erst das schien die Frau aus ihrer Schimpftirade aufzuwecken. Sie sah mich das erste Mal richtig an, als wäre ich vor ihr. "Ich mag es nicht, wenn Leute schreien.", sagte ich in genau der gleichen Lautstärke wie zuvor. Die Psychologin stemmte die Hände in die Hüfte, als ich mein Bein an meinen Körper zog und meinen Kopf auf meinem Knie ablegte. "Erklären Sie es mir doch bitte.", sagte sie schließlich etwas sanfter und setzte sich in den Sessel in der Ecke meines Zimmers. Ich wusste gar nicht, wer überhaupt die ganzen Rechnungen für mich bezahlte. Ich war das sicher nicht. Mit welchem Geld auch? "Hm?" Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und ich sah aus ihrem Gesichtsausdruck, dass sie es wirklich schwer hatte, ein genervtes Seufzen zu unterdrücken. Ja, ich hatte die Konzentrationsspanne eines Kaugummis. Zieht sich zwar, wird aber von Zeit zu Zeit geschmacklich immer fader. So ging es in meinem Kopf vor. "Ich habe nicht nachgedacht, tut mir leid." Jetzt seufzte sie wirklich. "Ich verstehe Sie einfach nicht. Sie sagen nicht, was passiert ist. Sie helfen mir damit nicht sehr.", gab sie zu und ich schloss die Augen. Jetzt war ich es, die ein Seufzen unterdrücken musste. Sie versuchte vielleicht, mich zu verstehen, aber es gelang ihr scheinbar einfach nicht. Nicht so, wie sie es sich erhofft hatte. "Ich musste ihn sehen. Er war so lange meine Ansprechperson. Ich bin einfach überfordert. Er wird zu Unrecht eingesperrt!" Sie zog eine Augenbraue hoch. "Hat er verlangt, dass Sie das so sagen?" Ich schüttelte den Kopf. "Nein, hat er nicht. Ich bin nur zur Besinnung gekommen. Wissen Sie eigentlich überhaupt, was er alles für mich getan hat? Was er für mich ist?" Sie schüttelte nun den Kopf, was ich als Zeichen nahm, fortzufahren. "Mein Name ist nicht Mila Yamuelz. So hieß ich mal, aber das ist schon etwas her. Inzwischen bin ich Mila Finch-Baltras." Ihre Reaktion kam genauso, wie ich sie erwartet hatte. Verwirrt war sie aufgestanden. "Erklären Sie mir das genauer.", forderte sie mich auf. "Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Wir sind Ehepartner." Ungläubigkeit machte sich bei ihr breit. Naja, ganz so war es sicher nicht abgelaufen, aber es war schon ziemlich nah an der Wahrheit dran. "Wann haben Sie geheiratet und wann genau hatten Sie vor, mir davon zu erzählen?!" Sie hatte sich vor mir aufgebaut und funkelte nun wütend auf mich herab. Sie schien genauso schlimme Stimmungsschwankungen zu haben wie Steve. "Wir haben am 27. Dezember geheiratet. Das war einen Tag vor meinem 18. Geburtstag. Wir wollten es beide." Ich hatte irgendwie das Bedürfnis, mich zu rechtfertigen und ihn am besten gleich noch mit. "Hat einer ihrer Eltern der Heirat zugestimmt? Sonst ist das eine Straftat gewesen, die sie da Beide begangen haben." Ich schluckte. Ja, meine Mutter hatte ganz schön zugestimmt. Sie hatte mich ja sogar angefleht. Wieder kam die Erinnerung hoch. Ich presste die Augen zusammen, als ich sie nicht aufhalten konnte. Ich hörte wieder, wie man meine Mutter folterte. "Ja. Meine Mom.", flüsterte ich leise und rieb mir die Tränen weg. Ihr Blick wurde immer verwirrter. "Jetzt erklären Sie mir bitte ein für alle mal, was da passiert ist. Sie müssen die Wahrheit sagen.", forderte sie streng und ich atmete tief ein. "Am Anfang wusste ich nicht, wo ich war. Alles war natürlich neu für mich, aber Silas und Anna haben mir geholfen, mich dort zurecht zu finden. Dann wurden wir ein Paar. Schließlich hatten wir einen Junggesellenabschied arrangiert, wo auch Vanessa und Ania dabei waren. Wir sind kurz darauf umgezogen und haben geheiratet. Er wollte mir das als Geburtstagsgeschenk schenken, also haben wir einen Tag vor meinem 18. geheiratet. Er hat meine Mutter-" Ich stand auf und ging zum großen Fenster. Ich hätte fast gesagt, dass er sie gefoltert hat, aber konnte mich noch rechtzeitig aufhalten. "-um Erlaubnis gefragt und sie hat zugestimmt. Ich weiß nicht genau, wie das alles abläuft und was für eine Zustimmung notwendig ist, aber auf jeden Fall war das mündlich. Und dann hat er sich immer öfter mit Silas gestritten, der das Ganze nicht gut fand und mich rausholen wollte, obwohl ich das gar nicht wollte. Am Ende hat er scheinbar die Polizei gerufen. Ich hab Panik bekommen und bin abgehauen. Und jetzt bin ich hier.", beendete ich meine etwas abgeänderte, verbesserte Geschichte. "Und wie kamen dann all die Verletzungen Ihres Hundes an Mr. Finch-Baltras?", hakte sie nach. Ah, natürlich. Rocco war ja immer noch immerzu an meiner Seite. Sogar im Krankenhaus. "Das war für Silas bestimmt. Rocco hatte mich glaube ich falsch verstanden. Ich wollte meinen Mann verteidigen. Es tut mir leid." Ach war das ein schönes Gefühl, in Tränen auszubrechen, die dieses Mal nicht ungewollt kamen. Jetzt musste ich nur noch ein wenig so weiter weinen und vielleicht wurde sie weich. "Mila. Bitte, ist da noch mehr, dass Sie mir erzählen wollen? Wer sind die anderen Personen?" Ja, wer waren die anderen Personen eigentlich. Ich wusste von Silas keinen Nachnamen. Und so auch nicht von Anna, denn sie waren glaube ich sogar verheiratet. "Ich weiß es nicht, tut mir sehr leid. Silas hat sich mir nie ganz vorgestellt. Ich weiß nur, dass er Silas heißt und eigentlich der beste Freund von Steve-... Steven ist. Und bei A-Anna bin ich mir nicht sicher. Sie hieß auf jeden Fall mal Finch-Baltras, aber ob das immer noch der Fall ist, weiß ich leider nicht. Und Vanessa ist g-glaube ich Annas beste Freundin oder so." Sie rückte wieder von mir ab. Ich fand ja immer noch, dass sie ihren Job erbärmlich machte. Die Information auf egal welche Art aus dem Patienten rauszukitzeln. "Okay, wir sind glaube ich für heute erstmal fertig. Beruhigen Sie sich etwas, trinken Sie einen Tee oder stellen Sie sich unter die heiße Dusche, ist ja auch eigentlich Ihnen überlassen. Ich sehe nur, dass Sie schon wieder nervös sind. Das kommt häufiger bei Ihnen vor, wenn man sich lange mit Ihnen unterhält, ist Ihnen das schon mal aufgefallen?" Ich schüttelte mit gesenktem Blick den Kopf. Ich war grundsätzlich immer nervös. Was gab es denn da noch für einen Unterschied? "Naja, macht ja nichts. Ich komme morgen wieder, wenn Ihnen das recht ist. Bis dann!", verabschiedete sie sich. Ich hätte ihr gerne gesagt, dass mir das ganz und gar nicht recht war, aber von Steve hatte ich gelernt, dass meine Bedürfnisse egal waren. So auch hier. Sie wollte ja nur ihren Job machen, oder? "Bis morgen, Doktor.", sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Entweder ich tat das hier richtig oder gar nicht. Und ich musste diese Frau dazu bewegen, dass sie mir meine neue Geschichte abkaufte und den Anfang der alten vergaß. Sonst wären Steve und ich niemals frei.

ENTFÜHRT, Weil Ich Dich Liebe - Wie stark ist deine Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt