25.)

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"Ms. Yamuelz.", wiederholte die Frau vor mir. Ich sah noch immer aus dem Fenster um ihrem stechenden Blick aus dem Weg zu gehen. "Sie müssen darüber reden." Es gefiehl mir gar nicht, dass sie mich drängen wollte. Seufzend drehte ich den Kopf in ihre Richtung. Tränen liefen über meine Wangen. "Sie werden gegen ihn aussagen.", sagte sie plötzlich und ihre Stimme klang auf einmal hart. Was wollte sie bezwecken? "Nein. Nein! Ich werde nicht- Nein!", stammelte ich und versuchte verzweifelt, nicht wieder in Panik auszubrechen. "Nein. Bitte zwingen sie mich nicht dazu! Ich möchte ihn nicht sehen. Er soll mich nicht zu Gesicht bekommen. Sie wissen nicht, wie das war. Nein, bitte nicht!" Ich rutschte auf dem Sessel hin und her. Verzweifelt sah ich sie an und flehte. Ihr Blick wurde augenblicklich weicher. "Es ist alles in Ordnung. Das war gemein, tut mir leid." Sie entschuldigte sich bei mir? Wieso denn das? "Sind sie jetzt bereit?" Darum ging es also. Nein, war ich nicht. Ich wollte diese ganze Hölle nicht noch einmal durchleben. "Was passiert mit den Anderen, die von allem Bescheid wussten? Werden sie auch bestraft?" Nun war es an der Psychologin, mich verwirrt anzusehen. "Welche Anderen? Wer wusste noch davon?" Oh Scheiße. Ich drehte den Kopf schnell wieder weg. Nein, nein, nein! "Äh, egal. Nicht so wichtig. Da war niemand sonst." "Bitte, Ms. Yamuelz. Mila-" Sie machte eine Bewegung in meine Richtung und verschreckt zuckte ich zurück. Sofort ließ sie ihre Hand wieder sinken. "Darf ich Sie Mila nennen?" Ich nickte ohne sie anzusehen. Sie konnte ja schlecht wissen, was mein Nachname inzwischen bei mir auslöste. Ich hieß nicht mehr so. Das war vorbei. "Es ist vorbei. Ihnen kann nichts mehr passieren. Sehen Sie sich um. Die Tür ist nicht abgeschlossen. Sie sind nicht eingesperrt. War die Tür bei ihm verschlossen?" Ich wusste, was für eine Nummer sie hier abzog und ich würde nicht auf ihr kleines Spielchen eingehen. "Ich werde nicht darüber reden. Es ist vollkommen egal, ob die Tür zum Schlafzimmer offen oder zu war. Es ist mir egal. Das sind alles nur Kleinigkeiten." Sie sah mich skeptisch an und holte dann wieder Luft. Ich wappnete mich gegen einen erneuten Angriff. "Die Krankenschwester hat mit mir gesprochen. Ist Ihnen bewusst, dass sie oft an den einfachsten Alltagssituationen scheitern?" Wollte sie mich provozieren oder was?! Was war sie bitte für eine Psychologin?! Ich fauchte sie an: "Dann machen Sie es doch mal besser, wenn sie für lange Zeit alle Menschenrechte entzogen bekommen haben! Sie hat er nicht eingesperrt und bevormundet! Sie wissen nicht, wie das war! Ich durfte oftmals nicht mal die kleinsten Dinge entscheiden. Ging es darum, ob ich mich hinsetzen oder -legen wollte musste ich immer ihn fragen. Es ging manchmal sogar so weit, dass er mich gefüttert hat. Als ob ich das nicht selber könnte! Als ob ich lebensunfähig wäre! Oh ja, das dachte er wohl." Ich war immer lauter geworden.
Eine Erinnerung kam hoch und ich presste die Augen zusammen.

"Steve? Darf ich reingehen?", fragte ich langsam. Es war kalt draußen und ich wollte ins Warme. Sogar im Wasser schon war ich erfroren. "Nein, Mila. Genieße die Sonne.", entgegnete er und legte sich hin. "D-darf ich mich hinlegen?" Ich kam mir dumm vor. "Komm her, Mila." Er öffnete das Handtuch und wollte, dass ich mich mit reinkuschle. Die Nähe war zwar unangenehm, doch es war warm. Und dann lag ich in seinen Armen. Er küsste meinen Scheitel. "Wann hast du das letzte mal getrunken?", fragte er. "Eben? Oder was meinst du?" Ja, ich hatte ganz schön Wasser geschluckt. "Nein. Dummes Ding. Richtiges Trinken." "Keine Ahnung, Steve.", antwortete ich ehrlich. "Man muss wirklich stark auf dich achten. Du könntest mir wegsterben und würdest nichts sagen oder merken."

"Mila? Öffnen Sie die Augen. Sehen Sie mich bitte an." Meine Hände zitterten als ich mich von der Erinnerung losriss. Laute Schluchzer drangen aus meiner Kehle. "Nein, nein, nein. Es ist doch vorbei! Wieso sehe ich ihn dann immer noch? Nein. Ich will das nicht. Wieso hört das denn nicht auf?" Verzweifelt überschlug sich meine Stimme. "Sie lassen nicht los. Wenn Sie darüber reden, wird es einfacher. Bitte, versuchen Sie es..." Ich atmete tief ein und aus und sah dann wieder die Nacht vor mir, als er mich geholt hat. "Ich war spazieren.", begann ich langsam und atmete noch einmal tief durch. Das hier half mir! Ich musste mir das nur immer wieder sagen und alles wurde gut. "Ich bin an die Strandpromenade gegangen. Als es dunkel wurde, war er plötzlich hinter mir. Und dann- und d-dann hat er mich mitgenommen. Einfach so. Als wäre ich nichts als ein vergessener, liegen gelassener Gegenstand, den er mal eben wieder zurückholen wollte!" Ich ging ihrem Blick aus dem Weg, weil es mir peinlich war. Wieder einmal schämte ich mich für meine Schwäche. "Die ersten paar Tage war ich in einem Zimmer eingesperrt. Das Schlafzimmer, wie sie herausstellte. Er zwang mich zu essen und zu trinken. Als wäre er mein Retter! Er hielt mich am Leben, als ob ich dazu nicht in der Lage wäre. Er hat mir wehgetan." Aber wieso hat er dir wehgetan?, fragte eine Stimme in meinem Kopf. Hat er dir nicht immer wieder gezeigt, dass er dich liebt? Ja, wieso hat er mir wehgetan? "Wie hat er dir wehgetan?" Ich schloss den Mund. "Nein. Das stimmt so gar nicht. Er hat mich beschützt." Verwirrt sah mich die Frau vor mir an. "Wovor hat er dich beschützt?" Ich achtete gar nicht darauf, wie ihre Stimme immer sanfter wurde. Sie wollte mich bemuttern! "Vor Leuten, die mir Aussagen aufzwingen wollen, die ich gar nicht machen will!", stieß ich aus und funkelte sie an. Sie legte mir die Worte doch genau so in den Mund, dass sie Steve schadeten. War ich nicht seine Ehefrau? Sollte ich nicht eigentlich zu ihm halten? Was hatte er je schlimmes getan? Er hat dich vergewaltigt. Er hat dich gefoltert und eingesperrt. Er hat dich behandelt, als wärst du ein Tier. Als wärst du eine namenlose Sklavin. Hat er nicht auch deinen Vater umgebracht? Deine Mutter gefoltert? Stopp! Hör bloß auf zu reden! Wow, jetzt führte ich schon Selbstgespräche in meinem Kopf. "Wo ist er? Ist er sicher eingesperrt?", vergewisserte ich mich. Meine Stimme war wieder etwas ruhiger, aber innerlich war ich noch aufgebracht. "Er ist sicher hinter Gittern, keine Sorge. Bis zu seiner Anhörung wird er sich nicht vom Fleck rühren." "Ich bin müde.", sagte ich schließlich und gähnte demonstrativ. Sie verstand sofort und verabschiedete sich. "Wo ist er?", flüsterte ich leise und Unsicherheit stieg mal wieder in mir auf. "Das ist nicht wichtig. Sie sind sicher. Das ist alles was zählt."

Ja, natürlich. Aber war er denn auch sicher?


ENTFÜHRT, Weil Ich Dich Liebe - Wie stark ist deine Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt