Bucky träumte. Er würde sich sobald er aufwachte nicht mehr daran erinnern können was er geträumt hatte aber weit hinten in seinem Kopf war ihm bewusst dass der Traum komisch gewesen war. Einzelne Details würden aufblitzen, vielleicht ein Gefühl oder ein Bild aber mehr war da nicht. Heute wieder das gleiche.
Die Sonnenstrahlen die durch die geöffneten Rollläden kamen hatten sich in seinen Traum eingebrannt und fügten sich dort ein ohne jeglichen Sinn zu machen. Aber es war ein Traum.
Jeder normale Mensch hasste es geweckt zu werden und so auch Bucky. Vielleicht wünschte er sich früher aufzustehen, aber er würde es dafür nicht auf sich nehmen geweckt zu werden.
Man hatte all die Zeit die man schlafend hätte verbringen können vor Augen während einen ein schadenfrohes Gesicht ansah oder die Anzeige eines Weckers. Und seine Mutter kannte keine Gnade. Oder besser gesagt ging sie davon aus, dass alle Menschen wie sie um acht Uhr morgens aufstanden und achtete nicht darauf ob er noch schlief.
Die Rollläden nach oben gezogen schien die grelle Vormittagssonne genau in seine Augen und er hatte das Gefühl bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Und vielleicht übertrieb er damit ein wenig aber das war ihm egal, denn er war gerade auf die grausamste Art und Weise geweckt geworden.
Er wusste nicht, warum seine Mutter überhaupt zu Hause war. Nicht dass er sich beschwerte, schließlich sah er sie kaum.
„James Buchanan Barnes, ich muss jetzt los! Wenn du dich dann mal aus deinem Elend gequält hast, da ist jemand an der Tür für dich!" Bucky tapste zu seinen Fenstern und zog die Rollläden nach unten.
Im Dunkeln zog er sich schnell ein Shirt und eine Pyjamahose über und bereute es jetzt schon, bevor er sich auf den Weg in Richtung Haustür machte. Es war wahrscheinlich eh nur der Postbote, nicht dass Bucky viel Besuch erwartete.
Seine Mutter war bereits außer Haus, ein Apfel lag vorsorglicherweise auf der kleinen Küchenablage.
Zehn Uhr. Zu früh.Sechs Stunden. Zu wenig. Seufzend griff er nach der kleinen digitalen Uhr und drehte sie um, sodass das Zifferblatt nach unten schaute bevor er sich in Richtung Tür machte. Postboten verdienten es auch nicht in der Hitze zu warten.
Bucky richtete das Shirt über seinem Arm, wo er die Prothese abgenommen hatte und öffnete die Haustür. „Was geht, Barnes?"
Und Bucky schloss die Haustür wieder.
Der Tag ging schon einmal gut los. Er stand ratlos vor der Tür, nur in Shirt und kurze Pajamahosen, sein Rivale vor der Tür stehend und das ausgerechnet um 10 Uhr morgens.
Wenn er sich eigentlich noch unruhig im Bett wälzen sollte, nachdem er gestern bis um drei Uhr morgens wach auf der Couch gelegen hatte, Controller in der Hand um sein Spiel noch schnell durchzuspielen.
Zu seiner Verteidigung, er hatte nicht schlafen können und die Zeit vergessen. Und er war endlich beim Bossgegner angekommen. Nicht, dass seine zusätzlichen Spielstunden tatsächlich etwas gebracht hatten. Womit hatte er das eigentlich alles verdient.
Die Tür öffnete sich und seine Mutter steckte den Kopf herein, die dunklen welligen Haare in einen Dutt gebunden und eine Tasche um die Schulter hängend. Sie schnappte sich einen Schlüsselbund der auf der Kommode daneben lag, bevor ihr Blick auf ihn fiel.
„Schatz, dein Freund von nebenan steht vor der Tür." Ach. „Vielleicht könnt ihr gemeinsam etwas unternehmen. Schwimmen gehen? Geld ist da wo es immer ist." Er war kein kleines Kind mehr und schon gar nicht mit Wilson befreundet.
Seine Mutter dachte es oft. Dass er ein kleines Kind war, nicht die Sache mit Wilson. Als er ihr einmal erzählt hatte dass er vorhatte sich einen Job zu suchen hatte sie erstaunt nachgefragt ob er überhaupt schon alt genug dafür war. Er hatte ihr seitdem nichts mehr davon erzählt.
Vielleicht wünschte sie es sich. Ein hoffnungsloses Wunschdenken und Bucky sollte ihr vielleicht einmal erklären dass man bestimmte Dinge nach einem bestimmten Alter nicht mehr tat.
Dass er nicht vorhatte seine Kindheit nachzuholen, nur weil ihm ein großer Teil davon gestohlen worden war. Er hätte nicht einmal gewusst wie.
Aber seine Mutter lebte als wäre sie Ende Zwanzig. Er war sich sicher, dass sie oft vergaß dass sie einen Sohn hatte und der Gedanke ihr erst wieder in den Kopf schoss wenn sie die Wohnung betrat und dieser schlafend auf dem Sofa lag, ein Film im Hintergrund laufend.
Man durfte das ganze nicht falsch verstehen, er liebte seine Mutter und ihm fehlte an nichts, aber manchmal fühlte er sich als wäre sie nur eine willkürliche Frau die seine Mutter spielte. Er kannte sie nicht. Aber das war okay. Sie holte die Zeit nach, die ihr verwehrt geblieben war, während er in der Gegenwart lebte.
„Er steht noch da", informierte sie ihn und warf ihm einen Luftkuss zu bevor sie sich verabschiedete um vor der Arbeit vielleicht noch mit ihren Freundinnen einen Kaffee trinken zu gehen.
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Er konnte sich beim Teufel nicht vorstellen was Wilson hier wollte. Sein Kopf ratterte, bevor er nach dem Türknauf griff um sich seinem selbsternannten Feind zu stellen. Ein genervtes Stirnrunzeln aufsetzend öffnete er die Tür und wurde mit einem breiten Grinsen empfangen.
„Wilson was willst du?" Seine Stimme klang gleichgültig, vielleicht ein wenig gelangweilt. Er hatte keine Lust auf einen Konflikt, aber die Zeit.
„Darf ich rein kommen?" Absolut nicht.
„Dann müsste ich aber umziehen. Ich kann nicht weiterhin in einem entheiligten Haus leben."
„War klar dass jemand so gottlos wie du es nicht aushält in einem gesegneten Haus zu leben, Rapunzel. Aber deswegen bin ich nicht hier."Bucky zog eine Augenbraue nach oben. Der Trick hatte ihn viel Aufwand und ein paar Stunden vor dem Spiegel gekostet aber dass war es ihm absolut wert.
„Bitte, wenn du mir wieder Cookies verkaufen willst, ich verzichte im Voraus."
„Dude, das war einmal, ich war zwölf und wurde von meiner Mutter dazu gezwungen. Aber nein, du bist der einzige der hier nicht in den Ferien ist, meine kleinen Cousins sind da und ich halt es da drüben nicht aus. Willst du mit zum See?"
Die zweite Augenbraue folgte und Bucky war für ein paar Momente still, in denen er darüber nachdachte ob das ganze ein Witz war. Aber Wilson schien es ernst zu meinen.
„Was kommt als nächstes, ein Heiratsantrag?", entgegnete er schließlich und Wilson drehte sich seufzend um, um wieder zu seinem Haus zurück zu gehen.„Was für eine dumme Idee", murmelte er währenddessen und Bucky sah ihm hinterher, etwas aus der Bahn geworfen, während sein Gehirn nach einer Lösung suchte. Er würde vielleicht zum See gehen, aber nicht mit Wilson.
Er wusste nicht warum, aber er mochte ihn nicht. Vielleicht lag es daran, dass er einer der Stars der Schule war. Oder weil er jedes Mal wenn Bucky an seinem Haus vorbei fuhr ein perfektes Leben zu haben schien. Große Familie, viel Geld.
Bucky drehte sich um und wollte zurück in das dunkle und mittlerweile alles andere als kühle Haus zurück gehen. Er zögerte kurz und sagte dann fuck it. Wilson hatte ein Auto.
„Wilson, Volldepp!", schrie er und der Angesprochene drehte sich um, Augenbrauen hochgezogen und einen erwartungsvollen Ausdruck auf dem Gesicht. Es würde seine Mutter freuen, sagte sich Bucky. „Von mir aus! Du hast ein Auto, oder?" Wilson grinste und hielt einen Daumen nach oben in die Luft.
Bucky war sich nicht sicher ob es ironisch gemeint war.
Er atmete einmal tief ein und betete es nicht später zu bereuen, bevor er in das dunkle Haus zurück ging um sich eine Badehose anzuziehen und sich ein Handtuch über die Schulter zu werfen. In der üblichen Schublade lagen ein paar Geldscheine, die er sich zusammen mit seinem etwas veralteten Handy in die Hosentasche stopfte. Warum zum Teufel hatten Badehosen überhaupt Taschen.
Manchmal traf Bucky Entscheidungen bei denen nicht einmal er wusste warum er sich so entschied. Er konnte nicht sagen ob das hier eine davon war, aber hielt sich selbst gerade etwas verrückt. Und die Situation vielleicht auch. Eine Autohupe ertönte von draußen und er fuhr sich einmal mit der Hand übers Gesicht, bevor er überprüfte ob er den Kühlschrank richtig geschlossen hatte.
Er hatte eh nichts besseres zu tun, redete er sich ein, während er sich den Haustürschlüssel schnappte. Trübsal blasen lief nicht davon.
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Summer is a Curse | WinterFalcon
FanfictionBucky hasst den Sommer so sehr wie man eine Jahreszeit nur hassen kann und hat vor, das Haus nur zu verlassen um seine Mutter mit Geld zu unterstützen. Dumm nur, dass Sams Freunde leider alle verreist sind und Bucky direkt neben ihm wohnt. Und Sam...