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Sie richteten sich einfach der Nase nach, die darauffolgenden Tage. Einfach die Abzweigung nehmen, die sie nehmen wollten. Irgendwann hatten beide den Orientierungssinn verloren.

Tage gingen ineinander über, vermischten sich, bis Bucky nicht mehr sagen konnte, was sie an welchem Tag gemacht hatten, geschweige denn wieviele es bereits gewesen waren.

Meist schliefen sie im Zelt, ab und zu nahmen sie sich ein Hotel, manchmal schliefen sie auch im Auto. Es war das reinste Chaos und er verschwendete keinerlei Gedanken mehr an Zuhause oder dass irgendwann die Schule wieder beginnen würde.

Nur ab und zu drifteten sie zurück. Dann fragte er sich, wie es seiner Mutter wohl so erging und bekam ein schlechtes Gewissen. Bis Sam ihn da wieder heraus riss.

Um ehrlich zu sein hatte sich Bucky noch nie mehr das Gefühl gehabt zu leben. Seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Fremde Orte zu sehen, anderes Essen auszuprobieren.

Neue Leute treffen. Er war nicht gut im neue Leute treffen, aber sie taten es trotzdem, angeführt von Sam. Nur vielleicht mal ein Gespräch hier und da. Erfahren was andere Leute für Geschichten zu erzählen hatten, ohne eine wirkliche Freundschaft oder anderes mit ihnen aufbauen zu müssen. Er genoss es.

Sam hatte das Fahren irgendwann satt und bestand darauf, es Bucky beibringen zu dürfen.

Bucky durfte legal nicht fahren und selbst wenn war er sich nicht sicher, wie er es mit seinem Arm anstellen sollte. Er wollt die Prothese bei der Hitze nicht dran machen. Sam meinte, er würde es schon hinbekommen und wenn etwas schief ging war er schließlich da.

Er war immer da. Bucky hatte noch nie so viel Zeit am Stück mit einer einzigen Person verbracht, nicht einmal Steve oder seiner Mutter. Er brauchte oft Zeit für sich allein und er war Sam mehr als dankbar dafür, dass er sie auch bekam. Selbst wenn Sam daneben saß. Aber es war ihm nicht unangenehm. Er mochte es einfach mit Sam zu schweigen, war es nun bei der Fahrt oder ganz woanders.

Generell genoss er Sams Gesellschaft mehr und mehr. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte und er wollte es auch ehrlich gesagt nicht heraus finden. Also dachte er einfach nicht weiter darüber nach, nannte ihn in Gedanken weiter seinen Erzfeind und ignorierte das Gefühl in seiner Brust immer wenn Sam ihn berührte.

„Zum Teufel, Barnie! Willst du uns umbringen?" Sam krallte seine Hände ins Armaturenbrett, während Bucky aufs Gas stieg. Dann wechselte er ruckartig zur Bremse. Sam knallte mit seinem Kopf gegen die Windschutzscheibe. Sam hielt sich die Nase, Bucky lachte.

„Ich hasse dich so sehr."

„Was war das? Ich kann dich nicht hören wenn du eine Hand im Gesicht hast."

Bucky kringelte sich vor Lachen und Sam starrte in einfach nur an, in einer Mischung aus Unglauben, Wut und etwas Undefinierbarem. Dann seufzte er und sah hinaus auf die verlassene Landstraße inmitten von Staub und Stein. Der Käfer stand mitten auf der Straße, wahrscheinlich der einzige Farbfleck in all dem Grau und Braun.

„Raus mit dir, Bucksy. Ich fahre wieder. Und ich schwöre, ich lasse dich nie wieder in meinem Leben hinter das Steuer von meinem Mädchen."

Sie tauschten Plätze und Bucky fühlte sich etwas schlecht. Sam's Wut klang ernst, wenigstens etwas. Er ignorierte das unangenehme Ziehen in seinem Magen und schnaubte.

———

Die Landschaft zog an ihnen vorüber und ließ Bucky in Gedanken versinken. Dumme Gedanken, von denen er erst dachte, dass sie tiefgründig waren. Aber das hätte er wohl gerne. Er war nur ein dummer Junge, der von Zuhause ausgerissen war. Er hatte nicht einmal den Mut dazu gehabt es während der Schulzeit zu tun.

Sie bogen in eine Tankstelle ein und während Sam bezahlte und Snacks holte und wahrscheinlich mit der Bedienung flirtete, ging Bucky herum und suchte nach unbeobachteten Autos.

Ein kleiner roter Wagen stand am Rand. Man konnte nicht sagen, ob er noch benutzt wurde, das einzige was fest stand war, dass er absolut hässlich war. Rost bildete sich an den Rändern der Türen und Fenster.

Bucky kramte den Schraubenzieher den Sam ihm in die Hand gedrückt hatte aus der Hosentasche und schraubte die Nummernschilder ab. Sicher war sicher, dachte er sich, als er ihre eigenen dagegen tauschte und sie dann im Kofferraum verstaute.

Sam nickte mit stummer Zustimmung mit Blick in den Kofferraum und drückte ihm einen Becher mit Slushy in die Hand, während er mit der Bewegung seine Sonnenbrille dazu brachte genau auf seiner Nase zu landen. Bucky rollte mit den Augen und schlürfte übertrieben laut. Er tat so als würde er den Hirnfrost nicht merken.

„Alles komplett durchgeplant."

„Echt so. Solche Kriminellen sind wir."

Sam grinste breit und Bucky schloss den Kofferraum mit einer geschickten Handbewegung.

„Fühlt sich an, als hätten wir gerade eine Leiche verstaut."

„Wegen dem Kofferraum? Oder den vermeintlich Illegalen Sachen, die wir hier abziehen? Du bist armseliger als ich dachte, Vogelhirn."

Bucky schlürfte den Rest seines Slushys und ignorierte Sam Ermahnungen, die Füße weg von der Windschutzscheibe zu nehmen. Die Wärme war zurück gegangen, der Fahrtwind zerrte an seinem Pferdeschwanz.

————

„Wie wahrscheinlich ist es, dass wir aus Versehen einmal falsch abbiegen und nach Ewigkeiten wieder zu Hause landen? Mit reinem Zufall, mein ich."

„Kein Plan, Dude. Unwahrscheinlich, würd ich sagen. Ich mein, schau mal wie viele verdammten Straßen es hier gibt. Und wie viele Richtungen. Wäre lustig."

Redwing schrie auf.

„Same", meinte Bucky.

„Ha, stell dir vor jemand ist so, lass mal möglichst weit weg von Zuhause. Und dann Wochen später meint er so, Hey, Moment dass kenn ich hier. Und landet direkt vor seiner eigenen Haustür."

„Das wären dann wir in der Situation! Was glaubst du eigentlich warum ich die Scheiße angesprochen habe?"

„Aber rein hypothetisch, Bucks. Ich würde sagen, sehr unwahrscheinlich. Und ich meine unwahrscheinlicher als dass du irgendwann mal jemanden kassierst. Oder ein Hirn bekommst. Oder dass Leonardo DiCaprio einen Oscar- Oh ne, shit."

„Streichen wir das letzte Beispiel."

„Ausnahmen bestätigen die Regel."

„Dude, der Satz passt hier in keinster Weise rein. Aber wir sind zu den Schluss gekommen, dass nein, es wird uns wahrscheinlich nicht passieren."

Bucky gähnte und starrte an die Decke des Zeltes. Es war spät, sie waren beide so unglaublich müde und das machte sich in ihren Gesprächen bemerkbar. Nicht, dass ihre Gespräche davor je Sinn ergaben.

In dem kleinen Zelt war wenig Platz, sie schliefen immer dicht aneinander gedrängt. Vielleicht lag es an der Hitze, oder dem ungemütlichen Steinboden, dass Bucky im Zelt immer etwas brauchte um einzuschlafen.

„Wie absurd das alles hier ist", murmelte Sam leise neben ihm und Bucky nickte, sich bewusst dass er es im Dunkeln nicht sehen konnte.

„Gute Nacht, Vogelhirn."

Es kam keine Antwort und Bucky rollte sich zur Seite. Er hatte keine erwartet, wenn er ehrlich war, natürlich nicht. Oder vielleicht schlief der andere schon.

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The Bitch is back.

Summer is a Curse | WinterFalconWo Geschichten leben. Entdecke jetzt