XIX

563 66 21
                                    

Sie warteten wieder, schweigend. Bucky war sich nicht sicher, wie viel Zeit verstrich, bis er den Motor von Natasha's Motorrad wieder hörte, der erst in der Ferne leise zu Brummen begann, bis er schließlich neben ihnen verstummte.

Natasha kramte in den Taschen herum, zog mit etwas Mühe einen Kanister hinaus und warf ihn Sam zu, der ihn geschickt auffing und begann den Tankdeckel aufzuschrauben.

Natasha hatte sich gegen das Motorrad gelehnt und beobachtete ihn, Bucky stand daneben, Hände in den Hosentaschen, der Schweiß lief ihm das Gesicht herunter.

„Und was macht ihr hier so mitten im Nirgendwo, mit so einer Schrottkarre?", fragte sie und strich sich die roten Haare aus dem Gesicht. Bucky zuckte mit den Schultern.

„Urlaub?"

Sie zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Interessanter Urlaub."

„Die Frage könnte ich eigentlich gleich zurück stellen. Was machst du hier?"

„Urlaub."

„Und warum müssen wir dir das Abendessen bezahlen."

„Knapp bei Kasse, wie gesagt."

Sie hatte ein schiefes Lächeln auf dem Gesicht, eins bei dem sie ihre Zähne nicht zeigte und das ihn zu belächeln schien. Als wüsste sie so viel mehr als er und hatte so viele Geheimnisse. Was wahrscheinlich auch die Wahrheit war. Bucky hatte das Gefühl, als würde er so schnell keinerlei Wahrheiten aus ihrem Mund hören.

„Okay, Zeit die hilfsbereite Dame auszuführen!", meinte Sam, während er sich die schwitzigen Hände an der Hose abwischte.

Natasha verdrehte die Augen und schwang sich wieder auf den Sitz ihrer Maschine.

„Ich kenn nen guten Burgerladen! Folgt mir einfach."

Und mit diesen Worten gab sie Gas, bevor sich Sam und Bucky überhaupt ins Auto gesetzt hatten, den Staub hinter sich aufwirbelnd.

„Sieht so aus, als müsstest du mit ihr mithalten, alte Dame", meinte Sam, drehte den Schlüssel um und trat aufs Gaspedal. Der Motor dröhnte auf und begleitet von Buckys Seufzen setzte sich das kleine Auto in Bewegung.

Sie schwiegen, der Motor leise vor sich her brummend.

„Hör zu, Mann. Ich hab das nicht so gemeint, okay? Ich mach das gerne. Den Road Trip. Sonst wäre ich schließlich nicht mitgekommen."

Bucky sah ihn an, Kinn auf den Arm auf die Tür gestützt.

Er hatte es bereits wieder vergessen. Dass Sam das gesagt hatte. Aber es beruhigte ihn trotzdem, denn da war die ganze Zeit dieser Gedanke in seinem Hinterkopf gewesen. Was wenn Sam nur aus Mitleid mit ihm kam. Weil er ihm von seinem Vater erzählt hatte. Das war Bullshit, wusste er selbst.

„Vergeben und vergessen", meinte Bucky mit einem Grinsen.

—————

Als sie vor dem kleinen Burgerladen auf den Parkplatz einbogen zeigte die Uhr bereits halb Acht.

Sie hatten eine Weile gebraucht um ihn zu finden, nachdem sie Natasha aus den Augen verloren hatten. Nach einiger Zeit waren sie schließlich angekommen und Bucky war dankbar dafür, dass es in der winzigen Stadt inmitten von Geröll nur einen einzigen Burgerladen gab.

„Hey, Jungs!", rief die Rothaarige, als sie eintraten und von einer voll aufgedrehten Klimaanlage empfangen wurden. Bucky hätte nicht gedacht in nächster Zeit tagsüber einmal frieren zu müssen, aber hier waren sie.

Sie saß an einem Tisch im Eck, ansonsten war der Raum ohne weitere Gäste. Sie setzten sich zu ihr.

„Nicht nochmal liegen geblieben?", meinte sie amüsiert, ohne den Blick von ihrer Karte zu wenden. Bucky musterte sie, sie hatte irgendetwas an sich, dass sein Misstrauen weckte, aber gleichzeitig vertraute er ihr. Es war komisch.

„Natasha!", meinte eine weibliche Stimme hinter ihnen mit einem sehr ost-europäischen Akzent. Die junge Frau hatte ebenso rote Haare wie Natasha und hielt einen Notizblock in der Hand. Die Bedienung, anscheinend.

„Wanda", erwiderte Natasha mit einem Lächeln und klappte die Karte zu.

„Wir hätten gerne drei Mal das Tagesmenu."

Wanda nickte. „Kommt sofort." Und verschwand wieder in das Hinterzimmer woher sie anscheinend gekommen war. Bucky griff nach der Karte um zu überprüfen, was Natasha gerade bestellt hatte.

„Lass mich raten, ihr seid ohne das Wissen eurer Eltern unterwegs, oder?", meinte sie dann und Bucky und Sam tauschten sich verwirrte Blicke aus, die Stirn gerunzelt.

„Fragt nicht, ich bin gut darin Leute zu lesen. Also hab ich Recht?"

Bucky nickte.

Sie redeten noch eine Weile. Wie sich heraus stellte, hatte Natasha wie sie gerade einen Road Trip hinter sich.

Das war aber auch das einzige, was sich heraus stellte. Natasha redete nicht viel über sich.

—————

Das Glühen von Natasha's Zigarette war das einzige, das die Nacht erhellte. Nicht hell genug, sodass Buckys Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten.

Sam saß neben ihm auf der Motorhaube, daneben auf der anderen Seite ihre neugefundene Freundin, an der Zigarette ziehend.

Sam lehnte ab als sie sie herüber reichte. Bucky griff danach. Er konnte Steves Standpauke förmlich in seinem Kopf hören, begleitet von den ‚Augenbrauen der Enttäuschung', wie Bucky sie stets nannte.

„Vielleicht treffen wir uns irgendwann wieder", meinte Natasha, blies den Rauch in die immer noch warme Nachtluft. Über ihnen begannen sich die Sterne zu vervielfältigen. Einer nach dem anderen.

„Arger Zufall."

„Aber möglich. Sehr unwahrscheinlich."

Sam legte sich zurück, den Arm unter den Kopf.

„Hoffentlich nicht."

„Danke."

„Gerne."

Bucky folgte seinem Beispiel.

„Okay, Jungs. Ich bin weg."

„Um diese Uhrzeit?"

„Warum nicht? Macht nichts unanständiges. Nehmt keine Drogen. Benutzt Kondome. Steigt nicht zu Fremden ins Auto."

„Was?"

„Nichts. Schön euch kennen zu lernen."

Natasha grinste sie an, drückte die Zigarette mit einem Fuß aus, hinter ihnen die Lichter der kleinen Stadt.

Dann salutierte sie mit zwei Fingern, während sie zu ihrem Motorrad ging und Bucky und Sam folgten ihrem Beispiel.

Es war schön neue Leute kennen zu lernen, dachte sich Bucky. Auch wenn man es vielleicht nicht wirklich als kennen lernen bezeichnen konnte. Aber er mochte Natasha und vielleicht würden sie sich irgendwann wieder sehen. Es musste nicht so sein, es könnte so sein und wenn nicht war es auch egal.

„Nett", meinte Bucky, während er mit den Augen die Lichter des Motorrads in der Ferne verschwinden sah, zusammen mit dem Brummen des Motors.

„Ändert nichts daran, dass ich das Gefühl hatte, dass sie mich jederzeit mit ihrem kleinen Finger umbringen könnte."

„Das könnte ich auch, Wilson."

Sam lachte leise, während Bucky ihn weiter rüber schob um mehr Platz auf der Motorhaube zu haben.

„Das bezweifle ich, Barnes."

—————1023—————

Summer is a Curse | WinterFalconWo Geschichten leben. Entdecke jetzt