Kapitel 35

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Sonntag Mittag müssen meine Eltern leider bereits wieder abreisen. Immerhin haben sie noch einige Stunden Autofahrt vor sich und müssen morgen wieder arbeiten. Meine Mom umarmt mich bestimmt fünf Mal zum Abschied in meiner Wohnung, auch als mein Vater schon vor ins Auto gegangen ist, und nutzt die Gelegenheit um einer ihrer mütterlichen Rate zu geben.

"Dieser Gray scheint mir ein Lieber zu sein, also gib ihm eine Chance dir nahe zu kommen."

Seufzend klopfe ich meiner Mom auf den Rücken. Eigentlich habe ich ziemlich Glück gehabt, dass meine Eltern mich nicht über Gray ausgequetscht haben. Darauf habe ich den ganzen gestrigen Abend gewartet, aber sie waren ganz brav und haben sich nur über das Übliche erkundigt. Was er studiert, woher er kommt. Nichts persönliches, das mich verlegen gemacht hätte.

"Ich gebe mein bestes. Aber Gray lässt eh nichts anderes zu."

Kichernd löst sich meine Mom von mir und greift nach meinen Händen.

"Guter Mann. Da hast du dir ja ein richtiges Prachtexemplar gefangen. Sportler mit Manieren und diesem Gesicht."

Als meine Mom genüsslich die Augen verdreht kann ich nur grinsend den Kopf schütteln. Manchmal frage ich mich wer von uns beiden eigentlich das Kind ist und wer die Erwachsene. Aber meine Mom kann auch anders, wie sie keine Sekunde später beweist, als sie mich liebevoll aber ernst anschaut und mir eine Haarsträhne zurückstreicht.

"Nein, aber wirklich, er scheint ein gutes Herz zu haben. Das ist alles was zählt und es freut mich zu sehen, dass du so jemanden gefunden hast."

Ihre Augen schimmern gefährlich und ich kann gar nicht anders als gerührt eine Hand über ihre zu legen, die meine Wange umfasst.

"Mom, es ist doch alles gut. Mach dir nicht immer so viele Gedanken über mich."

Mit einem kleinen Schniefen löst sie sich von mir und fährt sich einmal über die Augen, bevor sie mir ein kleines Lächeln schenkt.

"Ich weiß, ich weiß. Aber du bist doch mein kleines Baby. Da kann ich nun Mal nicht anders."

Grinsend beuge ich mich vor und drücke ihr einen Kuss auf die Wange.

"Dein kleines Baby ist inzwischen volljährig und ausgezogen. Damit hast du offiziell die Erlaubnis dich wieder deinem Leben zu zuwenden und etwas für dich zu tun, anstatt dich um mich zu sorgen. Und jetzt solltest du endlich runter zum Auto gehen, bevor Dad wütend wird."

Meine Mutter gibt ein Schnauben von sich, wendet sich schlussendlich aber wirklich der Tür zu.

"Okay, okay, ich verstehe. Zu viel mütterliche Liebe. Dann verschwinde ich halt."

Mir ein Zwinkern über die Schulter zuwerfend, entschärft sie ihre Worte, trotzdem bin ich nun diejenige, die sie nochmal zurückhält, indem ich nach ihrer Hand greife und sie einmal drücke.

"Du weißt, das gibt es nicht. Wir telefonieren und dann komme ich bald einmal nach Hause."

Wieder mit leicht feuchten Augen wirft mir meine Mom nur noch einen letzten Handkuss zu und schafft es dann endlich durch die Tür. So ist es jedes Mal, auch wenn mein Bruder zu Besuch ist und wieder verschwindet. Mom wäre es wahrscheinlich am liebsten, wenn wir immer noch alle zusammen unter einem Dach leben würden. Ihre Kinder erwachsen werden zu sehen scheint ihr schwer zu fallen.
Zugegebenermaßen fällt es mir aber auch nicht leicht hinter ihr die Tür zu schließen. Wenn ich hier in meinem Alltagstrott bin ist es leicht zu vergessen, dass ich meine Eltern so selten sehe. Aber wenn ich sie besuche oder sie mich fällt mir wieder ein, wie lieb ich sie habe und das telefonieren nun Mal doch nicht das gleiche ist.

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