Kapitel 33

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Ich weiß nicht wie lange ich einfach nur die weiße Wand vor mir angestarrt habe, als das Summen meines Handys mich aus meiner Trance reißt.
Ich will absolut mit niemandem reden. Ich will einfach nur hier sitzen und meine Wunden lecken, bis ich mir wieder einreden kann, dass ich unabhängig und stark bin. Denn dieses verlorene Gefühl, dass immer wieder in mir aufkommt, sobald ich an irgendetwas denke, kann ich nicht ertragen. So hat sich mein sechzehnjähriges Ich jeden Tag gefühlt, während Alexis immer weniger Zeit hatte in ihrer Obsession Gewicht zu verlieren und mir erst so richtig klar geworden ist, wie einsam ich eigentlich wirklich bin.

Ich weiß, dass es Alexis noch viel schlimmer hatte als ich. Immerhin wurde sie tagtäglich verbal angegriffen, während man mich einfach nur missachtet hat.
Aber hin und wieder kam es mir so vor, als wäre Aufmerksamkeit, wenn auch negative, immer noch besser, als einfach unsichtbar zu sein. Dann habe ich Alexis Mal wieder völlig am Boden zerstört auf den Toiletten gefunden und mich für den Gedanken geschämt. Bei dem was sie durchmachen musste, wie hätte ich da Jammern können?
Aber es tut weh. Es tut weh mehr wie ein Gebrauchsgegenstand für Hausaufgaben und Co. gesehen zu werden, als wie ein Mensch.

Aber mein Handy zu ignorieren wird fast unmöglich, nachdem meine Mailbox bereits drei Mal angesprungen ist und derjenige trotzdem nicht aufgibt mich zu erreichen.
Also suche ich letztendlich mit tauben Fingern mein Handy und starre dann auf den Bildschirm, unentschlossen, was ich machen soll.
Es ist Gray, der mich wie ein Besessener versucht zu erreichen, und mein Finger schwankt zwischen dem grünen Hörer und der Stummschalten-Taste hin und her.
Doch umso länger ich seinen Namen anstarre, desto mehr taut mein Herz wieder auf und beginnt heftig zu ziehen. Ich will seine Stimme hören, auch wenn ich nicht weiß, was ich sagen soll.
Also nehme ich schlussendlich an und halte mir das Handy ans Ohr.

"Bunny? Alles okay? Du hast versucht mich zu erreichen."

Stimmt ja, ich war ja diejenige, die vorhin versucht hat ihn anzurufen. Wie gut, dass er nicht dran gegangen ist. Wer weiß, was ich ihm erzählt hätte, das ich jetzt schon wieder bereuen würde.

"Ja, sorry, alles gut. Ich wollte nur wissen wo ihr seid."

Ich bin mir sicher, über die Leitung hört man kaum noch, dass sich meine Stimme etwas stumpf anhört. Doch vorsichtshalber nehme ich trotzdem einen tiefen Atemzug und versuche mich am Riemen zu reißen.

"Wir sind gerade aus der Umkleide raus. Bist du bei deinen Eltern? Und wo seid ihr? Wenn es für dich okay ist würde ich sie gerne kennenlernen."

Es tut weh mir Grays Lächeln vorzustellen, dass in seinen Worten mitschwingt. Er ist so normal. So gut gelaunt und ohne diesen ganzen Ballast. Ich komme mir wie ein Stein vor, der ihn nach unten zieht.

"Ähm..."

Fieberhaft durchstöbere ich meinen Kopf nach einer plausiblen Antwort, aber mir will nicht so Recht etwas einfallen und mit einem Seufzen muss ich eingestehen, dass ich bereits zu lange gebraucht habe, um noch etwas anderes als die Wahrheit sagen zu können.

"Nein, ich bin nicht bei meinen Eltern. Ich... Ich bin runter gelaufen in der Hoffnung auch ohne Kayla die Umkleiden zu finden, aber ich befürchte irgendwie ich habe mich verlaufen."

Als am anderen Ende für einen Moment Stille herrscht, reibe ich mir über die Stirn. Vielleicht hätte ich doch nicht den Anruf annehmen sollen.

"Kannst du mir beschreiben wo du bist? Ich hol dich ab."

Dieses Mal hat es ausnahmsweise andere Gründe, dass ich nicht will, dass Gray sich die Mühe macht. Mir geht es nicht darum höflich zu sein oder niemanden Schwierigkeiten zu machen. Zumindest nicht ausschließlich. In erster Linie will ich nicht, dass Gray mich so sieht. Er hat schon sehr viele meiner Eigenheiten ertragen, aber das hier muss ich ihm nicht auch noch antuen. Ich bin es nicht wert ihm die Siegesstimmung zu zerstören.

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